MZ-Serie
Chronist der Münchner Schickeria

Bayerische Originale: Helmut Dietl galt als Deutschlands Woody Allen. München war seine Heimat – und sein Lieblingsthema.

28.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:55 Uhr
Sie waren ein Münchner Glamour-Paar: Schauspielerin und „Superweib“ Veronica Ferres und Regisseur Helmut Dietl (hier 1997 bei einer Filmpreisverleihung in Berlin). Die Beziehung hielt zehn Jahre. −Foto: dpa

Er war eine feste Größe in der Münchner Gesellschaft und hätte eine schillernde Filmfigur abgegeben: Regisseur und Autor Helmut Dietl konnte sich über menschliche Schwächen lustig machen und den „Adabeis“ genüsslich den Spiegel vorhalten. Seine Filme sind noch immer Kult. Figuren wie Klatschreporter Baby Schimmerlos oder der Monaco Franze verkörpern das München der 1980er Jahre – mit seinen durchzechten Nächten in Schwabing, geltungssüchtigen Provinzlern und der Sehnsucht nach den feinen Kreisen. Das Geschichtenerzählen war bei Dietl große Kunst. „Die einen kriegen Kinder, die anderen machen Filme. Jeder wehrt sich auf seine Weise gegen den Tod, so gut es geht“, sagte er einmal in einem Interview.

Erfolge in Serie

Mit den „Münchner Geschichten“ schaffte Dietl 1974 den Durchbruch. 1983 wurde die TV-Serie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“mit Helmut Fischer in der Hauptrolle ein Riesenerfolg. Drei Jahre später folgte mit„Kir Royal“der nächste Serienkracher, ab 1986 lief die Geschichte von Klatschreporter Baby Schimmerlos (gespielt von Franz Xaver Kroetz) im Fernsehen. Für beide Serien arbeitete Dietl eng mit Erfolgsautor Patrick Süßkind („Das Parfum“) zusammen. Sieben Millionen Mark kostete die Produktion von „Kir Royal“. Alles was damals Rang und Namen hatte, spielte mit – von Mario Adorf bis Dieter Hildebrandt, jeder wollte dabei sein.

2012 versuchte Dietl vergeblich mit der Kinofortsetzung „Zettl“ an die alten Erfolge von „Kir Royal“ anknüpfen. Sechs Jahr hatte Dietl an der Story für die zehn Millionen Euro teure Produktion gebastelt. „Zettl“, der anders als die TV-Serie nicht in München, sondern in Berlin spielt, kam bei Kritikern und Zuschauern aber nicht besonders an. Dabei hatte der Film mit Michael Bully Herbig, Karoline Herfurth, Dagmar Manzel, Harald Schmidt ebenfalls eine enormes Staraufgebot. Dietl reagierte auf die Verrisse äußerst empfindlich, ebenso wie sein Co-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre. Die beiden Autoren verstanden sich übrigens gut: „Es war sofort klar, dass wir beide in einem hohen Maß neurotisch sind, und zwar auf eine Art, die sich gut ergänzt“, so Stuckrad-Barre. Ein großer Erfolg war Dietl dagegen 1992 mit seinem ersten Kinofilm gelungen: „Schtonk“ mit Uwe Ochsenknecht, Götz George und Marianne Hörbiger in den Hauptrollen macht sich über die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher lustig. Auch eine andere große Kinokomödie stammt von Dietl: „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ von 1997.

Seine eigenen Filme schaute sich der Regisseur übrigens nicht wieder an. Zu sehe wurmten ihn seine Fehler. Im Alter hadert er außerdem immer mehr mit seinem Beruf: Er rate jedem davon ab, Filme zu machen, sagte einmal. Es sei „das Anstrengendste und Unbefriedigendste, was es gibt“, so sein Urteil. Diese zunehmende Unzufriedenheit schlägt sich auch in seinen späteren Filmen nieder: Dietls Humor wird immer zynischer.

2007 erleidet der Regisseur einen Schlaganfall und hört mit dem Rauchen auf. Bis dahin hatte er nach eigener Schätzung knapp eine Million Zigaretten geraucht. Im Herbst 2013 trifft ihn die Diagnose Lungenkrebs – mit einer Heilungschance von maximal zehn Prozent, so die Prognose: „Wenn man bedenkt, wie viel ich geraucht habe, dann ist es geradezu ein Wunder, dass es so lange gut gegangen ist“, sagte Dietl kurz darauf im „Zeit“-Interview, wo er das einzige Mal öffentlich über die Erkrankung spricht.

Seite an Seite mit Bernd Eichinger

Bayerns Kulturminister Ludwig Spaenle würdigte ihn bei der Trauerfeier als „einen der größten Chronisten der bayerischen Seele“. Im Kondolenzbuch stand als letzter Gruß: „Danke für Deine Geschichten.“

Alle Teile unserer Serie „Bayerische Originale“lesen Sie in unserem MZ-Spezial.