Tiere
Der Rosserer von Pollanten

Die Kaltblüter von Züchter Hans Luber strotzen vor Kraft. Aber beim Rossmarkt stiehlt ihnen Horst Seehofer die Schau.

23.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:24 Uhr
Züchter Hans Luber und seine Stute Gabi: Wenn alles gut geht, bringt sie im Februar ein Fohlen zur Welt. −Foto: Sperb

Hans Luber stiefelt über den Hof, den Hut tief im Gesicht, die Augen auf den Boden gerichtet. Im Stall drückt er als erstes energisch den Knopf „Aus“ an dem altmodischen Transistorradio, das ein Mitarbeiter an das Scheunentor gehängt hat – Popmusik im Stall ist nicht sein Fall.

Der 73-Jährige grummelt ein bisschen und öffnet die Box direkt am Tor. Schlagartig wechselt seine Stimme in eine höhere Lage. „So, jetzt hörst auf zu fressen, Rier. Jetzt komm, komm!“, redet er dem mächtigen Braunen in der Box zu. Der Züchter streichelt ihm über den Kopf, klopft ihm sachte ein paar Mal auf die Nüstern und legt ihm das Zaumzeug an. Wie ein Lamm lässt sich Rier aus der Wärme hinaus in den schneefeuchten Nachmittag führen.

900 Kilo Kraft und Eleganz

Der Hengst Rier ist der Star unter einem Dutzend Kaltblüter auf der Kutscher-Alm in Pollanten bei Berching. Das knapp 900 Kilo schwere Tier, das vom Huf bis zum Widerrist mehr als 1,70 Meter aufragt, ist mit seinen vier Jahren ein junger Kerl im besten Saft. Acht Fohlen hat er gezeugt, jedes von ihnen wurde für das Reiten und Fahren ausgebildet und zur Zucht aufgestellt, jedes von ihnen brachte beim Verkauf einige tausend Euro.

Draußen vor dem Stall nimmt der Popmusik-Übeltäter John Philipp Kirsch den Hengst am Zügel und rennt mit ihm auf einem Feldweg ein paar hundert Meter auf und ab. Riers bodenlanger Schweif und die Mähne wallen bei jedem Schritt auf und unterstreichen die harmonischen Bewegungen des Tiers: pure Kraft, gepaart mit einer Eleganz, die bei einem Kaltblut überrascht. „Das sind halt Süddeutsche. Anders als diese Percheron“, sagt Hans Luber. In wenigen Worten steckt er ab, was ihm nicht auf den Hof kommt. „Riers Vater war Raschid, sein Großvater Renzo“, erklärt er noch, in einem Tonfall, der klar macht, dass Züchter bei diesen Namen anerkennend mit der Zunge schnalzen würden.

Züchter Hans Luber und der Hengst Rier im Video:

Auch der Name Hans Luber hat in Fachkreisen einen exzellenten Klang. Der Rosserer von Pollanten hat 60 Jahre Pferdeerfahrung. Als Bauernbub musste er früh in die Verantwortung. Nach dem Tod des Vaters übernahm er den Hof. Er begann ab 1971, Warmblüter zu züchten, seit 1990 ausschließlich Kaltblüter. Brust, Hintern, Kopf und Beine müssen stimmen, damit aus einem Fohlen ein Zuchttier wird. Auf die Proportionen, den Charakter, die Gelehrigkeit und die Harmonie der Bewegungen kommt es an. „Das ist wie bei einer Frau“, sagt der Pferdekönig vom Jura.

„Er ist einer der Pferde-Experten überhaupt“, bescheinigt Franz Guttenberger dem Rosserer. „Der ist deutschlandweit bekannt.“ Der Marktmeister der Stadt Berching organisiert den berühmten Rossmarkt. Am 8. Februar wird die Traditionsveranstaltung wieder Pferdefreunde und die politische Prominenz von weither anziehen.

Die Stars sind heute die Politiker

Die Kutscher-Alm wird in Berching zwei oder drei Rösser präsentieren. Um neun Uhr beginnt die Schau, mittags werden die besten Tiere prämiert.Aber die Stars sind längst nicht mehr die Pferde, sondern die Politiker.BayernsMinisterpräsident Horst Seehofer ist in diesem Jahr der Festredner.Der Rossmarkt liefert die Kulisse für seinen Auftritt.

„Das hier ist mein Reich.“ Hans Luber holt weit aus und zeigt in einem Vorraum des Wohnhauses auf Dutzende blank geputzter Pferdegeschirre, die an Querbalken hängen, eingehüllt in aufgeschnittene Betttücher, die sie vor Staub schützen. Darunter glänzt das eingefettete Leder, die Metallteile blitzen. Speziell für den Rossmarkt muss hier nichts mehr geputzt werden.

Anders bei den Pferden: Die Tiere, die die Kutscher-Alm beim Markt zur Schau stellen wird, richten der Züchter und seine Helfer, wie John Philipp Kirsch, stundenlang picobello her. Sie spritzen die Kaltblüterab, flechten Zöpfchen in Mähne und Schweif, ziehen Schmuckbänder und Blumen ein. Sogar die Kruppe bekommt eine Art Frisur: Mit Hilfe von Bier und einer Schablone wird ein Schachbrettmuster aus heller und dunkler changierenden Quadraten ins Fell gebürstet.

Beim Berchinger Rossmarkt dürften die Luberschen Rösser wieder zu den Favoriten zählen.Die Prachtstücke haben in Berching, beinahe traditionell, auch 2016 abgesahnt. Und im Haus des Züchters füllen die Trophäen eine ganze Wand bis unter die Decke. Dutzende Auszeichnungen haben die Kaltblüter bei Zuchtverbänden, Pferdeschauen, Schlittenrennen oder Holzrücker-Wettbewerben errungen.

Ein PS bewegt ein ganzes Schiff

Auf der Kutscher-Alm sind die Rösser buchstäblich die Zugpferde des kleinen Tourismus-Betriebs. Sie ziehen einen der Planwägen, in denen sich bis zu 53 naturbegeisterte Menschen durch die Oberpfälzer Landschaft kutschieren lassen können, oder sind beim Treideln im Einsatz. Ein Kaltblut kann locker das rund 20 Tonnen schwere Fahrgastschiff Alma-Victoria auf dem König-Ludwig-Kanal in Bewegung halten.

Was den erfolgreichen Züchter ausmacht, ist „Glück, ganz viel Glück“, sagt Hans Luber. Das hat er gerade Mitte Januar wieder gemerkt: Eine Stute hatte ihr Fohlen verloren, nur drei Wochen vor dem geplanten Geburtstermin. Jetzt hofft der Rosserer auf die Stute Gabi. Sie ist trächtig, und wenn im Februar alles gut geht, könnte ihr Fohlen wieder ein toller Wurf werden – und ein Anwärter auf einen Preis beim Berchinger Rossmarkt.

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