Glaube
Ein erfülltes Leben für Gott

Viele Klöster in der Region haben Nachwuchssorgen. So ein Leben scheint aus der Zeit gefallen. Zu Besuch hinter Klostermauern

03.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:38 Uhr
Anna Weber
Frater Erhard Hillebrand (rechts) aus dem Kloster Reichenbach −Foto: privat

Mönchsgesang, dunkle Ordensgewänder und strenge Gelübde. Klöster scheinen nicht mehr in die heutige Zeit zu passen. Wer in unserer Gesellschaft den Wunsch hegt, Novize zu werden, der erntet ungläubiges Kopfschütteln. Ein Leben, das zum größten Teil aus Arbeit und Gebet besteht, ist für viele unvorstellbar. Doch auch Klöster haben sich gewandelt. Eine Ordensfrau, die nebenbei als Fußreflexzonen-Therapeutin tätig ist oder ein Apostolatshaus, das Seminare über Wildkräuter hält: Ein Klosterleben kann vielfältig und durchaus modern sein. Alleine in der Diözese Regensburg gibt es 251 Ordensmänner in 21 Männergemeinschaften und 1095 Ordensfrauen in 34 Frauengemeinschaften. Nichtsdestotrotz: Klöster sind vom Aussterben bedroht – zumindest in Deutschland. Viele alte Klostergebäude stehen mittlerweile leer oder werden anderweitig genutzt. Ein Beispiel dafür ist das Kloster Reichenbach: Doch obwohl der Orden schon vor einigen Jahren aufgelöst wurde, herrscht in den alten Gemäuern reger Betrieb. Die Mönche sind zwar gegangen, ihr Geist jedoch ist geblieben, aufrechterhalten durch einen letzten Frater, der hier aber teilweise nur noch Besucher ist.

Idyllisch gelegen, inmitten der wunderbaren, hügeligen Landschaft befindet sich das Apostolatshaus Hofstetten. Die ruhige Lage macht das Pallottiner-Kloster zu einem perfekten Ort für Besinnungstage, Exerzitien und andere spirituelle Kurse. Mittlerweile sind drei Mallersdorfer- und eine Hildegardis-Schwester eingezogen, um die drei Brüder bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Menschen für Gott begeistern

Die Frage nach der Auflösung des Konvents stellt sich im Kloster Reichenbach nicht mehr. „Die Vorgabe sind mindestens drei Brüder pro Konvent“, sagt Alfred Stadler, Direktoriumsmitglied der Barmherzigen Brüder Reichenbach. Vor drei Jahren konnte auch diese Vorgabe nicht mehr erfüllt werden. Der Konvent wurde aufgelöst.

Reger Betrieb in Reichenbach

Das hat sich bei der Gründung des Klosters im Jahr 1118 wohl niemand vorstellen können. Verlassen liegt das Kloster heute trotzdem nicht. Aus dem Innenhof der alten Gebäude dringt lautes Lachen. Über 400 Menschen mit Behinderung arbeiten und leben zum Teil auf dem Klostergelände. Vor 125 Jahren wurde die Einrichtung von den Barmherzigen Brüdern gegründet. Obwohl sich der Orden mittlerweile kaum mehr in das Alltagsgeschäft einmischt und die Einrichtung schon vor rund 30 Jahren in weltliche Hände gegeben wurde, ist er trotzdem noch präsent. Das liegt auch an Frater Erhard. Er gehört dem Konvent der Barmherzigen Brüder in Regensburg an. Viel Zeit verbringt der Bruder als Ordensbeauftragter in Reichenbach. Dort ist er in den Werkstätten tätig oder bei Veranstaltungen präsent. „Für viele Leute ist es wichtig, dass der Orden ein Gesicht hat“, so Stadler. Die Leitbilder des Ordens sollen durch die Behindertenarbeit zum Ausdruck gebracht werden. Qualität, Respekt, Verantwortung und Spiritualität durch gelebte Gastfreundschaft sollen erfahrbar werden. Wer religiös ist, dem stehen hier alle Türen offen, diese Seite auszuleben. Ob Gottesdienste, die extra für behinderte Menschen gestaltet werden, biblische Erlebnisabende oder Gesprächskreise. Das pastorale Angebot ist in Reichenbach sehr groß. „Wenn man hierherkommt, bringt man eine gewisse Einstellung und Religiosität mit“, sagt Stadler. Trotzdem ist es das gute Recht, sowohl von den Betreuten als auch von Mitarbeitern, sich aus dem religiösen Leben herauszuhalten. Vielleicht zieht in das Kloster trotzdem eines Tages wieder ein eigener Konvent ein? Freuen würde sich das Direktorium da schon. „Aber das wird wohl ein Wunsch bleiben“, sagt Stadler.

Szenenwechsel. Schwester Jubilata Marder steht mit erhobenem Zeigestab vor versammelter Mannschaft und deutet auf Plakate, die aussehen, als entstammten sie der medizinischen Fakultät einer Universität. Füße von innen, außen, oben und unten sind darauf abgebildet. Zwanzig Kursteilnehmer sind alleine wegen ihres Fußreflexzonenmassage-Kurses aus ganz Deutschland, der Schweiz und Tirol gekommen. „Möchte jemand, dass ich seinen Fersensporn wegmache?“, will die Schwester wissen. Mit ihrer Frage erntet sie ungläubige Blicke. Der Krankheit, die sonst durch Bestrahlung oder Injektionen behandelt wird, rückt Schwester Jubilata mithilfe ihres hölzernen „Stöckle“, das – mit der spitzen Seite – fest auf die schmerzende Stelle gedrückt wird, zuleibe. „Höllisch weh“ tut das laut Angaben der Schwester. Doch sie ist vorbereitet: Vor der Behandlung bekommen die Patienten ein Beißkissen in die Hände gedrückt und zur Beruhigung steht ein Fläschchen Johanniskraut-Öl bereit.

Das Leben, das sie sich gewünscht hat

Trotzdem: Wie kann sie sich diese Nachwuchssorgen in den Klöstern erklären? Heutzutage sei man gegen alles versichert und auch finanziell gehe es der Gesellschaft so gut wie nie, erklärt sie. Deshalb sei die Menschheit in einem Stadium angelangt, an dem sie meint, keinen Gott mehr zu brauchen. Und wieder bekommen wir es zu hören – die Werte – sie hätten sich gewandelt, nämlich mehr zum Materiellen und Vergnüglichen hin. „In eine andere Richtung müssen wir uns besinnen“, so lautet die Meinung der Schwester. Warenwerte anstatt wahrer Werte bestimmen unser Leben, heißt es von den Brüdern und Schwestern. Ist das wirklich der alleinige Grund für die Nachwuchssorgen in den Klöstern? Oder liegt es doch an etwas anderem?

Jeder TAg nach strengen Vorschriften

Drei Gelübde haben Ordensleute abzulegen: das der Armut, Keuschheit und des Gehorsams. In der weltlichen Welt dreht sich fast alles ums Gegenteil. Reichtum, Sexualität und die individuelle Lebensgestaltung, das ist es oft, worauf es in unserem Leben ankommt. Die Ordensfrauen und -männer zeigen, dass man auch anders ein zufriedenes Leben führen kann. Denn: Das Klosterleben hat sich zwar gewandelt, die strikten Gelübde und Vorschriften aber sind geblieben. Viele Menschen können sich nicht mehr mit der Kirche identifizieren und treten aus. Andererseits boomt die Esoterik-Branche: Meditationen, Geistheilungen und Horoskope sind gefragt wie nie. Man kann halten davon, was man will, aber man merkt: Die Menschen sind auf der Suche nach Spiritualität. Kirchen und Klöster bleiben trotzdem leer. Schade wäre es, wenn die lange Tradition und das Wissen der Ordensleute verloren gehen und die schönen, alten Gebäude verlassen dastehen würden. Aber Wandel kann ja immer auch eine Chance sein...

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, ein Angebot exklusiv für ePaper-Kunden. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.