MZ-Serie
Er führte den Tod hinters Licht

Fritz Straßners Paraderolle war der „Brandner Kaspar“. Da war er schon der „schmale Fritz“ und hatte 40 Kilo abgenommen.

26.05.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Ein Dauerbrenner: Fritz Straßner (l.) spielte den „Brandner Kaspar“ zusammen mit seinem Bühnenpartner Toni Berger als „Boandlkramer“ mehr als 700 Mal im Münchner Residenztheater. −Foto: Bild: BR/Foto Sessner

Die Rolle seines Lebens verdankt er dem Zufall: Weil sein Schauspielkollege Hans Baur 1975 die Rolle des „Brandner Kaspars“ im Münchner Residenztheater nach nur sieben Vorstellungen hinwirft, kommt Fritz Straßner zum Zug. Vier Tage hat er Zeit, sich den Part anzueignen. Die Mühe lohnt sich: Mehr als 700 Mal steht er als listiges Schlitzohr auf der Bühne, das dem „Boandlkramer“ mit Schnaps und Kartenlist ein Schnippchen schlägt. Mit dem „Brandner Kaspar“ wird Straßner weit über Bayern hinaus berühmt. Ein gefragter Volksschauspieler war der Münchner aber schon vorher. Doch seine eigentliche berufliche Heimat war der Bayerische Rundfunk: Mit seinem sonoren Bass war er die Radiostimme Bayerns.

Aus einfachen Verhältnissen

Fritz Straßner wird er am 23. November 1919 in München geboren und wächst in Ottobrunn auf. Er stammt aus einfachen Verhältnissen: Seine Mutter ist Schneiderin, der Vater arbeitet zunächst als Bäcker, dann als Schuhvertreter. Mit zehn Jahren ist der kleine Fritz zum ersten Mal im Theater, danach steht sein Entschluss fest: Er will auf die Bühne. Nach der Schule beginnt er mit Schauspielunterricht, doch bald wird er als Soldat verpflichtet. Im letzten Kriegsjahr muss er nach Russland, nach einem Heimaturlaub desertiert er und überlebt versteckt bei Verwandten in Niederbayern. Als in München die ersten Behelfstheater entstehen, ist Fritz Straßner dabei. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hat er in einem Shakespeare-Stück. Mit seiner barocken Figur – einer Seltenheit in den schlechten Nachkriegsjahren – und seinem klangvollen Bairisch ist ihm aber die Rolle desbodenständigen Bayernauf den Leib geschrieben. So landet er schnell beim Film, seit 1948 ist er zudem Sprecher beim Bayerischen Rundfunk. Im „Komödienstadel“ gehört er zur ersten Garde, an der Seite von Beppo Brem spielt er in „Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger“ und wird als Volksschauspieler immer populärer. 1959 findet er auch privat sein Glück und heiratet im Alter von 40 Jahren. Das Paar bekommt zwei Söhne. Beruf und Privatleben trennt Fritz Straßner, auch im Kollegenkreis hält er sich bedeckt. Er sei ein sehr liebevoller Vater gewesen, allerdings strenger als die Mutter, erzählt einer seiner Söhne später in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Die Schauspielerei habe aber innerhalb der Familie keine große Rolle gespielt. Straßners Söhne entscheiden sich später für kaufmännische Berufe.

1967 wird für Fritz Straßner zur Zäsur: Ein Arzt diagnostiziert bei ihm Diabetes. Der übergewichtige Schauspieler stellt daraufhin seine Ernährung komplett um, auch wenn ihm das gesunde Essen zunächst überhaupt nicht schmeckt. Innerhalb eines Jahres verliert er 30 Kilo, danach speckt er weitere zehn Kilo ab. Die Veränderung ist enorm und wirkt sich auch auf sein Rollenprofil aus: Fortan wird der „schmale Fritz“ gern als feiner Herr besetzt. Das entspricht seinem Naturell auch mehr als der polternde Grobian.

Straßner ist nicht krachledern laut, sondern eher hintersinnig leise. Er ist ein beliebter Volksschauspieler, aber auch ein vielseitiger Charakterdarsteller, spielt Ludwig Thoma, Johann Nestroy, August Strindberg und Bertolt Brecht. Kollegen beschreiben Straßner als „authentisch“ und „gewissenhaft“. Seine Texte beherrscht er, einen Hänger hätte er sich nicht verziehen.

Fleiß und Disziplin bilden die Grundlage seines Erfolgs. Straßner ist ein konservativer Mensch, pünktlich und zuverlässig. „Er sah aus wie ein Beamter“, sagte Schauspielerin Ilse Neubauer einmal über ihn. Auch mit zunehmender Berühmtheit bleibt Straßner bescheiden. In seiner Freizeit werkelt er im Garten oder unternimmt lange Wanderungen. „Es ist mir ein Bedürfnis zu gehen“, sagte er. Bis zu 15 Kilometer schafft er an einem Tag, zu Hause in seinem kleinen Arbeitszimmer stapelten sich Landkarten. Fritz Straßners Wandertipps im Radio sind damals legendär.

Er wählte seine Rollen sorgfältig

Die Popularität, die ihm vor allem sein Paradepart als „Brandner Kasper“ beschert, ermöglicht ihm, sich die Rollen auszusuchen. Mit dem modernen, experimentellen Theater kann er wenig anfangen. Fritz Straßner hat seine eigenen Vorstellungen von Qualität, zum Beispiel spielt er unter der Regie von Peter Zadek. Dennoch hadert er zunehmend mit seinem Beruf, kritisiert die seiner Ansicht nach immer seichteren Rollen und stört sich am Privatfernsehen. 1990 erkrankt der Schauspieler an Krebs, wird mehrmals operiert, dazwischen geht er eisern seiner Arbeit nach. Nach und nach fühlt er sich besser, doch am Morgen des 7. Februar 1993 wacht der 73-Jährige nicht mehr auf. „Er hat mir immer gefehlt, bei jeder Vorstellung“, sagte „Boandlkramer“ Toni Berger über den Verlust seines langjähriger Bühnenpartners. Der Tod lässt nur im Theater mit sich reden.