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Erwin Huber feiert 70. – ohne Seehofer

Auch Stoiber ist nicht geladen. Dafür gibt‘s am kommenden Dienstag einen Abstecher zum Denkmal von Franz Josef Strauß.

23.07.2016 | Stand 16.09.2023, 6:46 Uhr
Der frühere CSU-Chef Erwin Huber feiert am 26. Juli seinen 70. Geburtstag. −Foto: dpa/Archiv

Der frühere CSU-Chef und Finanzminister Erwin Huber ist ein streitbarer Geist. Keiner weiß das besser als der Grünen-Abgeordnete Christian Magerl. Im Zug aus Freising treffen die zwei regelmäßig aufeinander: mal auf dem Weg zum Landtag, mal auf dem Weg retour. „Wir streiten manchmal schon in der Früh“, sagt Magerl, „oder dann am Abend“. Der eine ist ein leidenschaftlicher Verfechter der dritten Startbahn am Münchner Flughafen, der andere ein ebenso leidenschaftlicher Gegner des Projekts. Auch bei der B15 neu gerät man sich gerne in die Haare. Zwei kantige Bayern. Trotzdem oder gerade deswegen schätzt Magerl den CSU-Mann irgendwie. „Menschlich kommen wir ganz brauchbar miteinander aus“, sagt er. Um eine Gratulation für Huber, der am Dienstag seinen 70. Geburtstag feiert, muss man Magerl nicht zwei Mal bitten. „Was ich an ihm schätze: Er ist ein guter Debattenredner“, sagt er. Eine kleine Spitze setzt er doch. „Ein bisschen mehr Ökologisierung im Alter könnte ihm nicht schaden.“

„Etwas mehr Härte“ erwünscht

Es wird ein frommer Wunsch bleiben. Huber gehört zu denen in der CSU-Landtagsfraktion, die an der dritten Startbahn unter keinen Umständen rütteln lassen. Er vertritt die These, dass für einen raschen Baubeginn kein weiterer Bürgerentscheid in München nötig ist. Die Landeshauptstadt als Mitgesellschafter der Flughafen GmbH habe bereits ein unwiderrufbares Einverständnis gegeben, weil sie die Planungen über viele Jahre hinweg mitgetragen hat. In der repräsentativen Demokratie wäre von der Politik „durchaus etwas mehr Härte“ erwünscht, sagt Huber. Schon früher hatte er vertreten, dass man nicht die Frösche fragen dürfe, wenn ein Teich trocken zu legen ist. Damit liegt er im krassen Dissens zu Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der den „Dialog mit den Bürgern“ zur Maxime erhoben hat. „Wir sind in der CSU an zwei unterschiedlichen Polen angesiedelt“, sagt der fast 70-Jährige dazu ungewohnt diplomatisch.

Dieser Tage konzentriert sich Huber lieber aufs Feiern. Er mag den Rummel eigentlich nicht, sagt er. Den 70. Geburtstag daheim in Reisbach (Lkr. Dingolfing-Landau) hat er aber bis ins Detail geplant. Auf der Einladungskarte trumpft er als Herz-Ober auf, voller Elan im Fußballtrikot. „Ich fühle mich jünger, rüstiger. Fast genauso fit wie ein 50-Jähriger“, sagt er über sich selbst. Das Fest am Dienstag beginnt mit einer Andacht in der Salvator-Kirche, danach geht es im Festzug zum Wirtshaus – mit kurzem Zwischenstopp am Denkmal für Franz Josef Strauß, dem Urvater der CSU. Dort soll die Bayernhymne gesungen werden.

Auf Hubers Liste mit rund 250 Gästen: der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel, dem Huber einst als CSU-Generalsekretär zur Seite stand. „Er ist einer meiner Lehrmeister.“ Außerdem sind der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein, CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sowie die ehemaligen bayerischen Minister Kurt Faltlhauser und Georg Freiherr von Waldenfels dabei. Aus dem aktuellen Kabinett ist keiner da – die Ministerriege ist zeitgleich in St. Quirin in Klausur. Seehofer war ohnehin nicht eingeladen. Gleiches gilt für den früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. „Ich war ja auch bei seinem Geburtstag nicht“, sagt Huber.

Der bitterste Tag

Die Namen Stoiber und Seehofer sind untrennbar mit Hubers bitterster Niederlage verwoben. Als die CSU bei der Landtagswahl 2008 auf 43,4 Prozent abstürzte, war das Ende Hubers als CSU-Chef besiegelt – dabei hatte er nach dem legendärem Sturz Stoibers 2007 bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth die Partei zusammen mit Günther Beckstein in eine sichere Zukunft führen wollen. Der anhaltende Groll in Stoibers Heimat Oberbayern hatte zum Niedergang beigetragen. Seehofer übernahm im Herbst 2008 die Geschäfte – ausgerechnet der Mann, den Huber ein Jahr davor beim Kampf um den Parteivorsitz besiegt hatte.

TV-Bilder zeigen, wie Huber am 28. September 2008 bleich vor die Presse tritt. Er verwischt Silben, als er die Pleite eingesteht. Sein Mund scheint papptrocken. Er selbst hat sich die Bilder bis heute nicht angeschaut. „Es war ein schockartiges Erlebnis. Einer der schrecklichsten Tage meines politischen Lebens“, sagt er. Wenig später kocht die BayernLB-Affäre hoch – die Landesbank hat durch riskante Ausflüge aufs internationale Parkett enorme Verluste eingefahren und muss mit einem Zehn-Milliarden-Kredit gestützt werden. Huber saß als Finanzminister im Verwaltungsrat. „Vielleicht hätte ich früher auch öffentlich auf kritische Distanz zum Vorstand gehen sollen“, sagt er heute. „Es war sicher nicht richtig, mich im Landtag voll vor die Bank zu stellen.“ Auch sein Jahr als CSU-Chef sieht er kritisch. „Ich bin in die Kleider des CSU-Vorsitzenden zu wenig hineingewachsen.“

„Erwin Huber ist mit 70 kein bisschen müde, ein Haudegen halt. Niemand sollte ihn unterschätzen, er ist hellwach.“SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen

Andere hätten nach dem Debakel 2008 hingeworfen. Huber ließ nicht locker. Er gewöhnte sich daran, nicht mehr in der ersten Reihe der Politik zu stehen. Die Kameras sind nun auf andere gerichtet. Er sei vom Entscheider in die Rolle des Bittstellers gewechselt, sagt er. „Die schlimmste Niederlage aber wäre, liegenzubleiben.“

Nicht liegenbleiben: das sagt sich leicht dahin. Wie hart es war, darüber spricht Huber nicht. „Ich habe mir 2008 geschworen, mein Leben nicht aus der Vergangenheit zu gestalten“, sagt er nur. Im Landtag hat er sich 2013 gegen Widerstände in den eigenen Reihen den Vorsitz im Wirtschaftsausschuss erkämpft. In der CSU-Fraktion hat er sich neue Anerkennung erarbeitet. Er gilt als Verfasser präziser und ausgefeilter Vorlagen, zudem als ungemein fleißig. „Er ist auch heute noch ein Motor der Fraktion, vor allem im wirtschaftspolitischen Bereich. Ich schätze seine Gesellschaft und arbeite gerne mit ihm zusammen“, sagt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen, die Huber aus der gemeinsamen Arbeit im Wirtschaftsausschuss kennt, nennt ihn „kein bisschen müde, ein Haudegen halt. Niemand sollte ihn unterschätzen, er ist hellwach.“

Für Huber ist es die letzte Legislatur im Landtag: 2018 tritt er nach über 40 Jahren als Abgeordneter nicht mehr an. „Rekordverdächtig in Deutschland“, sagt er. Als größtes Verdienst rechnet er sich an, ein mächtiges Stück dazu beigetragen zu haben, dass Niederbayern inzwischen als Aufsteigerregion gilt. „Das gehört zu den Dingen, auf die ich besonders stolz bin.“

Es wird kolportiert, er sei bereits 2013 nur noch einmal angetreten, um Seehofer scheitern zu sehen. Nun hören beide – sofern Seehofer seine eigene Ankündigung tatsächlich wahr macht – 2018 gemeinsam auf.

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