MZ-Serie
„Quer“-Denker mit spitzer Zunge

Er studierte Philosophie, spielte Musik, versuchte sich als Schauspieler. Bekannt wurde Christoph Süß aber durchs Fernsehen.

13.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:35 Uhr
Fred Filkron
Für die Moderation der Sendung „Quer“ wurde Christoph Süß mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. −Foto: dpa

Als ich mich mit „Quer“-Moderator Christoph Süß in seinem Stammlokal Café Jasmin in der Augustenstraße treffe, liest er. Das Lesen ist neben Museumsbesuchen und den viel gelobten amerikanischen TV-Serien eine seiner bevorzugten Freizeitaktivitäten. Am liebsten „nicht so anstrengende“ philosophische und historische Sachbücher. Wie etwa Philipp Bloms „Der taumelnde Kontinent“, das sich mit einem bewegten Vorkriegs-Europa zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt.

Seit seinem abgebrochenen Philosophiestudium an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität setzt er sich mit den großen Fragen der Menschheit auseinander. „Beim Studium hat man halt die Texte nachgebetet. Den Kern herauszuarbeiten, war dagegen mühsame Arbeit“, erinnert sich Süß an seine acht Semester.

Doch er ist der Philosophie treu geblieben und liest heute bevorzugt Texte von Spinoza, Nietzsche, Heidegger, Foucault und Bourdieu. Große Denker, die die Überzeugung teilten, dass der Mensch ein von den äußeren Umständen bestimmtes Wesen ist. Ein Produkt seiner Umwelt, das keine wirklich freien Entscheidungen treffen kann: „Auch wenn der Künstler seinem Idealismus folgt, ist er letzten Endes den Mechanismen des profitorientierten Kunstmarktes unterworfen – wenn er überleben will.“

Vieles, was Süß an der Uni gehört und gelesen hatte, hat sich ihm erst in den Folgejahren erschlossen. Dieser Mut zur Lücke, komplexe Zusammenhänge zunächst unverstanden stehen zu lassen und sie sich nach und nach zu erarbeiten, zeichnet den gebürtigen Münchner aus.

Sinn und Inhalt erschlossen sich erst später

Den Monty-Python-Kultfilm „Die wunderbare Welt der Schwerkraft“ etwa hat Süß als 14-Jähriger im Leopold-Kino in Schwabing gesehen. Als Teenager habe er ein bemerkenswertes Gedächtnis gehabt und konnte sich Dialoge ganzer Filme merken. „Später, als ich in der Schule saß, ist mir die Pointe erst klar geworden, und da bin ich vor Lachen fast von der Schulbank gefallen.“ Ähnlich erging es ihm mit den „Notizen aus der Provinz“. In der Satire-Sendung von Dieter Hildebrandt sprach ihn der Habitus an, Sinn und Inhalt erschlossen sich ihm erst später.

Verkürzte Sprache mit viel Inhalt

Bei der Herausbildung seines spezifischen Humors beeinflussten Süß auch die Münchner Fernsehserien der 70er und 80er Jahre. Regisseur Helmut Dietl und Drehbuchautor Franz Geiger griffen in den „Münchner Geschichten“, „Monaco Franze“ oder „Der ganz normale Wahnsinn“ auf eine verkürzte Sprache zurück, in der so vieles mitschwang, das nicht gesagt wurde. Auch der lakonisch-pointierte Sprachwitz der „Asterix“-Comics und das gehaltvolle Blödeln von Otto Waalkes, der sich damals noch die Texte von Satire-Urgestein Robert Gernhardt schreiben ließ, hatten es ihm als Jugendlicher angetan.

Während des Philosophiestudiums begann Süß, erste Kabarettprogramme zu schreiben und auf kleinen Bühnen aufzutreten. Für seine damalige Rockband „Mudshark“ – „ein zu spät geratener Teenager-Spaß mit schlechter Rockmusik“ – hatte er zuvor eigenkomponierte englische Texte gesungen. Doch Süß hatte auch deutsche Songs in petto. Die gab er beim Montagabend-Brettl der Kleinkunstbühne „Unterton“ zum Besten. Beim viertelstündlichen Auftritt erntete er für seine satirisch geprägten Stücke den größten Applaus.

Christoph Süß mit dr Band „Münchner“: Ein Video sehen Sie hier.

In den 90er Jahren versuchte sich Süß auch als Schauspieler.Sein Karteikärtchen steckte in der Box von Casting-Agent Florian Neubauer, der ihm hin und wieder einen gut dotierten Werbe-Auftrag zuschanzte. Als es mit der renommierten BR-Jugendsendung „Live aus dem Schlachthof“ zu Ende ging – in der sich Sandra Maischberger, Günther Jauch und der heutige „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ihre ersten Sporen verdienten – suchte der BR für eine satirische Nachfolgesendung einen Moderator mit Münchner Zungenschlag. Neubauer überreichte der „Quer“-Redaktion das Süß’sche Bewerbungsband, woraufhin Emissäre sein damals aktuelles Kabarettprogramm „Kristofs kleiner Kosmos“ begutachteten.

„Ich hatte wohl einfach Glück“

Das Moderatoren-Vorsprechen lief dann weniger gut: „Das Casting war furchtbar. Sie haben mich trotzdem genommen. Wieso? Keine Ahnung. Ich hatte wohl einfach Glück.“ Ein Glück, das seit bald 20 Jahren anhält und Süß – „learning by doing“ – zum unangefochtenen Aushängeschild des Bayerischen Rundfunks machte.

2005 war „Quer“ erstmals die meistgesehene Sendung im BR-Abendprogramm. Seitdem sind die Zuschauerzahlen stetig nach oben gegangen. In seiner Mischung aus kritischer Berichterstattung und feiner Satire ist die Donnerstagabend-Sendung wohl einzigartig in der deutschen Fernsehlandschaft. Eigentlich ein Wunder, dass sich noch kein anderer Sender an der Idee versucht hat.

„Das Filmedrehen ist mit viel Warterei verbunden.“Christoph Süß

In Sachen Schauspielerei zeigt Süß heute keine weiteren Ambitionen. Da fehlten ihm letztendlich „Routine und das wahre Können“. Im Dietl-Film „Zettl“ und der Rosenmüller-Produktion „Beste Gegend“ überraschte er in kleineren Nebenrollen. Der BR-Krimireihe „München Mord“ wird er als Dezernatsleiter Helmut Zangel erhalten bleiben. Für zwei Folgen im Jahr steht Süß zehn Drehtage vor der Kamera. „Das Filmedrehen ist mit viel Warterei verbunden“, verrät der 49-Jährige. Auf der Bühne zu stehen, sei dagegen „ein wahres körperliches Erlebnis“.

Obwohl seine Late-Night-Show „Süß-Stoff“ auf positive Resonanzen stieß, ist die Sendung „irgendwie eingeschlafen“. Eine Fortsetzung oder andere Sendeformate hat Süß derzeit nicht geplant.

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