Dialekt-Serie
Zeckerlfett und pumperlgsund

Zum Monatsende erklärt die MZ wieder Wissenswertes rund um den Dialekt. Diesmal geht es um dicke Tiere und alte Grußformeln.

29.05.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Wohlgenährt und quicklebendig heißt auf Bairisch ganz einfach zeckerlfett und pumperlgsund. −Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

„Habe die Ehre – Hawe de Griasam“

Dass die Bayern Grußformeln gebrauchen, die von denen in anderen deutschsprachigen Regionen abweichen, ist bekannt: „Grüß Gott, Griaßgood, Griaßdi, Griaßeich, Griaßenk, Griaßeahna“ usw., ferner „Servus, Seawas“ und „Habe die Ehre, Hawedeare“ sowie die jugendsprachlichen Kürzungen „Sers, Seas, Dere“, die vornehmlich in der SMS-Korrespondenz beliebt sind. Veraltet sein dürfte „Hawe de Grisam/Griasam“, zusammengesetzt aus dem Anfang von „Habe die Ehre“ und dem Wort „Chrisam“. Die Variante „Griasam“ lehnt sich mit dem Zwielaut „ia“ an „Griaß“ an. Als „Chrisam“ bezeichnet man in der katholischen Kirche die heiligen Öle, die Verwendung finden bei Taufe, Firmung, Krankensalbung, Priesterweihe und bei der Weihe eines Altars, eines Kelches oder einer Glocke. Geweiht wird das Salböl am Gründonnerstag in der „Missa chrismatis“, der Chrisam-Messe. Althochdeutsch „chrismo“ (Salbung, Ölung) geht zurück auf spätlateinisch beziehungsweise griechisch „chrisma“ (Salböl). Das Fremdwort übt offenbar besonderen Reiz aus, so dass es Eingang fand in die Redensart „Es is Tauf und Chrisam verlorn“ (etwa im gleichen Sinn wie „Hopfen und Malz verloren“), ebenso in die humoristische Grußformel „Hawe de Grisam/Griasam“, die gelegentlich verlängert wurde um den Zusatz „und an scheenGruaß an d’Hewam“ (Hebamme).

Anregung von Dr. Wolfgang Habermeyer

Barbara Huber, d’Huawa Wàm

Deutlich zu hören war, dass der kubanische Staatschef Raúl Castro beim Treffen mit US-Präsident Obama den Namen seines Landes als „kuwa“ aussprach. Im Spanischen und in einigen anderen Sprachen verwandeln sich nämlich die Verschlusslaute (Plosive) b, g und d nach Vokalen zu den entsprechenden Reibelauten (Frikativen, Spiranten): b wird als als v ausgesprochen, g wie j oder x (= ch) und d wie das englische th in „this, that“. Solche Spirantisierung kommt im Deutschen ebenfalls vor, allerdings nicht auf der Ebene der korrekten Hochsprache, sondern nur in den Mundarten und Umgangssprachen. Norddeutsche neigen dazu, Wörter wie „Tag, Zug, (er) sagt“ auszusprechen als „Tachch, Zuchch, saacht/sacht“. In Franken heißt es „Neambeach, Schwocha“ (Nürnberg, Schwager). Vor diesem Hintergrund versteht man, wie es zu der kuriosen Regelung kommen konnte, dass der Wortausgang -ig als -ich zu sprechen sei („Könich Ludwich“). Eine extreme Spirantisierung liegt vor, wenn der Kölner sagt: „Ne jut jebratne Jans is ne jute Jabe Jottes.“ Quasi die Umkehrung dazu bietet das Nordbairische, wo es ehedem „Goua, goong, Guuch“ hieß (Jahr, Jagen, Joch).

Fürs Bairische insgesamt gilt, dass b nach Vokal zu w wird, der bilabiale Plosiv verwandelt sich in den bilabialen Frikativ: „Lewa, mei liawa Schiawa, Wewa, Huawa, Buwi, Dawack, iwa, owi“ usw. (Leber, lieber Schieber, Weber, Huber, Bubi, Tabak, über, abhin, also hinab). Selbst im Anlaut kann ein b/w-Wechsel auftreten. Bairisch „Wàm“ ist eine alte Kurzform für „Barbara“; in der Bedeutung alte Frau geht es auf slawisch „baba“ zurück. Hier fügt sich gut ein, dass in einer Urkunde von 1834 der Name des Urgroßvaters des Einsenders als „Bešta (Weschta)“ auftaucht. In den zimbrischen Sprachinseln im Trentino, so etwa in Lusérn, heißt es „bèar, Boinichten“ (wer, Weihnachten), man fragt nach dem Befinden mit „Bia steesto?“ (Wie geht es dir?) und nach dem Namen mit „Bia sait-ar genaamet?“ Der Wechsel von b zu w und umgekehrt ist also ein verbreitetes Phänomen.

Die Frage stellte Franz Weschta aus Regenstauf.

Du brauchst dauernd an Arschgfirtn

Wenn der Mann ständig jemanden benötigt, der ihm Werkzeug oder Material nachträgt oder nach Erledigung einer Tätigkeit hinter ihm aufräumt, kommentiert die Frau: „Du brauchst dauernd an Oaschgfiatn.“ Auf den ersten Blick scheint die mundartliche Lautung von „Arschgeführten“ vorzuliegen, doch das ergibt keinen Sinn.

Bei „Gfiatn“ handelt es sich um die Dialektlautung von „Gefährte(n)“. Althochdeutsch „gifarto, giferto“ bezeichnete eine Person, die auf die gleiche „Fahrt“ ging, einen Reisebegleiter. Einer bairischen Lautentwicklung zufolge wird ar, är, er zu ir (ia) wie zum Beispiel bei „Hiawa, Hiabst, hiat, fiati, zua-/zou-schbian, Iada“ (Herberge, Herbst, hart, fertig, zusperren, Ertag, also Dienstag). Man hört auch die stärker ans Schriftdeutsche angenäherte Aussprache „Arschgfeatn“ – ein Gefährte, Begleiter, der unterstützend und helfend hinter einem steht, quasi am Hintern.

Pumperlgsund und zeckerlfett

„Eiskalt, zuckersüß, wachsweich, steinhart, grasgrün, haushoch, …“ – das Deutsche hat sehr viele Eigenschaftswörter dieser Art, bei welchen zur Verdeutlichung des Sinns ein Vergleich dient. Über die Hochsprache hinaus kennt das Bairische zahlreiche weitere Adjektive mit verstärkendem Erstglied. Klar auf der Hand liegt dies bei „windelweich, prügelhart, brettl-eben, zaun-, zaunlatten-dürr, -sper, steckerlgrad, pappsüß“: weich wie eine Windel, hart wie ein knorriger Ast oder eine Keule, flach und glatt wie ein Brett, mager (dürr, sper) wie eine Zaunlatte, gerade wie ein Stock, klebrig süß.

„Pfeilgrad“ bedeutet nicht nur in völlig gerader Linie (wie ein Pfeil fliegt), sondern wird überwiegend gebraucht als Adverb im Sinne von: wirklich, tatsächlich; unvermittelt, überraschenderweise. „Jaja, dich wenn wir nicht hätten und an Löffel, nachher müsst’n wir d’Suppn pfeilgrad mit dö Händ fressen“ (Oskar Maria Graf). „Pfeilgrad, da kommt der Fred daher!“ – „Pritschnass, seichnass (soachnoos)“ ist jemand oder etwas, wenn er/sie/es vor Nässe trieft. Das Gegenteil, „blousndrucka (bloßentrocken)“, dürfte entstanden sein durch Dissimilation (bl-tr statt br-tr) aus „brosemtrucken“: trocken wie Brosamen.

Ein kerngesunder und lebensfroher Mensch ist „pumperlgsund“. Ursprünglich hieß es „pumpa-gsund“ (so bei Schmeller, 19. Jahrhundert); ein Zusammenhang mit „pumpern“ (geschlechtlich verkehren) liegt nicht fern. Heute kennt man nur die Form „pumperlgsund“. Mit „Pumperl“ wird mundartlich die Vulva bezeichnet, ebenso ein lustiges, sinnenfreudiges Mädchen. Statt wohlgenährt sagt man „zeckerlfett, -feist (-foast)“: prall gefüllt wie ein Zeck, der sich mit Blut vollgesaugt hat.

Trotz Eurowährung hält sich der Ausdruck „pfenninggut“ in der Bedeutung für: einwandfrei, gut brauchbar, wenngleich benutzt. Als pfenningguad empfiehlt der Verkäufer ein zwar leicht angerostetes, aber funktionstüchtiges Fahrrad. Ein Mann protestiert gegen den Entschluss seiner Frau, seinen Mantel zur Altkleidersammlung zu geben: „Der is no pfenningguad, den duast ned wegga.“ Zwar lautet die hochsprachliche Form „Pfennig“, umgangssprachlich aber endet das Wort auf -ing – ebenso wie „Zweiering (Zwoaring)“ und die früheren österreichischen und britischen Münzbezeichnungen „Schilling, shilling“.

Sie kommt bloß alle heiligen Zeiten

Die Aussage „Sie kommt bloß alle heiligen Zeiten“ bedeutet so viel wie „sie kommt nur ganz selten“. Die „heiligen Zeiten“, das sind die hohen christlichen Feiertage, vorrangig also Weihnachten, Ostern und Pfingsten.

Alle drei Fragen stellte Gerlinde Sester

Noch mehr Bayerisch mit dem Dialektpapst Prof. Dr. Ludwig Zehetner gibt esin unserem Podcast „Basst scho!“.