MENSCHEN
Auf der Bühne daheim: „Toby“ aus Teunz

Tobias Thalhammer ist Buchautor und Bayerns jüngster Landtagsabgeordneter. Außerdem ist er ein echter Schlagerstar – in Polen.

10.10.2010 | Stand 16.09.2023, 21:06 Uhr
bettina Mehltretter

TEUNZ/SCHWANDOrF.Es hätte ein Profi-Fußballer werden können aus Tobias Thalhammer aus Teunz (Lkr. Schwandorf) – bis ihn 1994 eine schwere Lungenentzündung aus der Bahn warf. Thalhammer war damals 14 Jahre alt und C-Jugendspieler beim FC Bayern. Der Vater von Bastian Schweinsteiger hat ihn trainiert, Thomas Hitzlsperger, jetzt Nationalspieler und in der Elf des englischen Clubs West Ham United, war einen Jahrgang hinter ihm. Ein Star ist Tobias Thalhammer heute trotzdem – wenn auch in Polen. Steht „Toby z Monachium“ (zu Deutsch: „Toby aus München“) an der Weichsel auf der Bühne, jubeln ihm regelmäßig 2000 Fans zu. Denn Thalhammer hat dort mit einer polnischen Cover-Version des Schlagers „Ein Stern“ einen echten Hit gelandet. Auftritte in Bayern hat er mit seinen Liedern allerdings eher selten. Hier ist er auf andere Weise berühmt: als jüngster Abgeordneter im Bayerischen Landtag.

Geboren wurde Tobias Thalhammer am 7. August 1979 im Schwandorfer St.-Barbara-Krankenhaus, aufgewachsen ist er im idyllischen Dorf Teunz. Die Eltern führten dort einen Blumengroßhandel mit Filialen in Schwarzenfeld, Tännesberg, Nabburg und Oberviechtach. An eine Geschäftsübernahme dachte Thalhammer damals nicht: „Ich wollte immer Lehrer werden“, sagt er.

Karrierestart nach Tschernobyl

Trotz des florierenden Blumenhandels blieb der Familie häufig Zeit für eine gemeinsame Leidenschaft – die Musik. „Toby“, wie er sich heute auf der Bühne nennt, singt seit frühesten Kindertagen. Sein Vater hat gerne gejodelt, die Mutter Zither gespielt. Und Tobias Thalhammer hat selbst komponiert. Sein Erstlingswerk entstand 1986, kurz nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Den damals Siebenjährigen ärgerte das Verbot, aufgrund der Strahlenbelastung nicht daheim im Garten spielen zu dürfen. Und die Bilder der erkrankten Kinder aus der Ukraine bedrückten ihn. Da schrieb Tobias Thalhammer seinen ersten Schlager: „Warum nur?“.

TEUNZ/SCHWANDOrF.Als Mutter Ingrid 1987 schwer erkrankte, gab die Familie ihren Betrieb auf. Die weite Welt lockte ohnehin: Die Thalhammers verließen die Oberpfalz und gingen nach München, in die Heimat des Vaters. Sportlich bedeutete der Umzug für Thalhammer-Spross Tobias sogar einen Aufstieg – der Nachwuchskicker wechselte von der Spielvereinigung Weiden zum FC Bayern. Nach der schweren Lungenentzündung verfolgte er seine fußballerische Leidenschaft jedoch nicht mehr. Jetzt faszinierte ihn die Musik: Der junge Sänger trat auf Hochzeiten und Benefizveranstaltungen auf, die Kindernachrichtensendung „Logo“ berichtete über ihn. Thalhammer nahm klassischen Gesangsunterricht und lies sich später in Jazz und Pop ausbilden. Und schon bald produzierte er mit Peter Beil („Corinna, Corinna“) seine erste CD. Auch für die „Bravo“ hat sich der gebürtige Oberpfälzer schon fotografieren lassen – als Schauspieler in einer Foto-Lovestory.

Die Seriosität behalten

Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Polen: Als Schlagersänger kommt Tobias Thalhammer mittlerweile viel herum. Ob seine Schmusetitel – Lieder wie „Knuddelschnubbel“ oder „Heute will ich mich verlieben“ – seinem Politiker-Image nicht schaden könnten? Thalhammer wehrt ab. Er trete generell nur selten in Bayern auf, da er schlichtweg kein „schlagersingender Politiker“ sein wolle, erst recht kein „politisierender Schlagersänger“.

Der 31-Jährige ist seit 2008 für den Stimmkreis München Land-Nord im Bayerischen Landtag, ist dort umwelt-, energie- und wehrpolitischer Sprecher. Und das – zum Erschrecken seines Onkels – für die FDP. „Als er mich zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hat, dachte mein Onkel, die Redaktion hätte sich verschrieben“, sagt Thalhammer. „Für ihn war klar, dass ich bei der CSU bin.“

TEUNZ/SCHWANDOrF.Natürlich, Tobias Thalhammer hat sich umgesehen in der Bayerischen Parteienlandschaft, war bei der Jungen Union („Die haben zu wenig reflektiert, zu wenig abgewogen“), dann bei den Jungen Liberalen. Dort habe man „auch anderer Meinung sein dürfen“, erzählt er. Auslöser für sein politisches Interesse war seine Zeit bei der Bundeswehr. Seine Kameraden hätten sich durch den Drill verändert, seien nicht mehr fähig gewesen, selbst Entscheidungen zu treffen. Solch ein „Brechen und neu formen“, sagt Thalhammer, „so etwas dürfte der Staat sich bei meinem Sohn einmal nicht erlauben“.

Aber: „Schimpfen kann man leicht.“ Deshalb begann er sich zu engagieren, war bald Kreis-, später Bezirksvorsitzender der FDP-Nachwuchsorganisation. 2008 schaffte er den Sprung in den Kreistag des Landkreises München – „obwohl man es als Junger bei so einer Personenwahl prinzipiell schwerer hat.“ Dass er einmal in den Landtag einziehen sollte, davon träumte er allerdings nur: „Die Chancen standen gleich null.“ Bei der Wahl hoffte er deshalb auch nicht auf einen Sitz im Maximilianeum, sondern wollte mit seinem Engagement lediglich helfen, dass die FDP wieder in den Landtag einzieht. Heute beschäftigt sich Tobias Thalhammer als Landtagsabgeordneter mit Themen wie dem Energiekonzept, der Bundeswehrreform und dem Grünen Band. Gerade dieser naturbelassene Streifen an der Grenze zwischen West- und Ostdeutschland liegt Thalhammer am Herzen: „Er ist ein positives Zeichen für das Zusammenwachsen von Ost und West.“

60 Jahre Altersunterschied

Auf sein jüngstes Projekt ist Thalhammer ebenso stolz wie auf seine Karriere in der Politik. Gemeinsam mit Altbundespräsident Walter Scheel (FDP) – politisch sein großes Vorbild – hat er für sein Buch „Gemeinsam sind wir stärker“ zwölf Geschichten zusammengetragen, die beispielhaft sind für ein gelungenes Miteinander der Generationen. Thalhammer ist heute 31, Scheel 91 Jahre alt. „Wir haben uns sehr verbunden gefühlt“, sagt Tobias Thalhammer. Nach einem ersten Gespräch während einer Feier auf der „Deutschland“, dem ZDF-Traumschiff, reiste er nach Bad Krozingen ins Breisgau, wo der Altbundespräsident heute noch täglich seiner Büroarbeit nachgeht. Scheel lag bei der Recherche im Anschluss vor allem das Thema Einsamkeit im Alter am Herzen, und Thalhammer suchte nach jungen Firmeninhabern, die den Wert der Erfahrung der älteren Arbeitnehmer besonders schätzen.

Karriere als Schlagerstar, Buchautor und Bayerns jüngster Landtagsabgeordneter: Seine alte Heimat, die Oberpfalz, hat Tobias Thalhammer nie vergessen. Teunz, das kleine Dorf im Landkreis Schwandorf, ist für ihn ein Ort, an den er gerne zurückkehrt, etwa bei Hochzeiten der Cousins und Cousinen. „Ich fühle mich in der Oberpfalz immer sehr geborgen“, so Thalhammer. Und wenn er sich an die Zeit bei der Spielvereinigung Weiden erinnert, dann sagt der junge Politiker sogar: „Im Wasserwerkstadion, da bin ich dahoam.“