Dialekt
Gibt’s a Pfannakuachasuppm?

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt. Dieses Mal geht es um Pfann(en)kuchen und Mäuse.

26.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Ludwig Zehetner
Streng genommen müsste der Pfannkuchen ja Pfannenkuchen heißen. In Bayern ist es ganz einfach der Pfannakuacha, der in die Suppe kommt. −Foto: dpa

Pfannkuchen auf der Speisekarte

Wenn sie im Gasthaus die Karte in die Hand nehmen, in der die Speisen und Getränke aufgeführt sind, juckt es sprachbewusste Zeitgenossen, den Rotstift zu zücken, um die Speisekarte zur Speisenkarte zu korrigieren, und den Pfannkuchen zum Pfannenkuchen. Es geht um die Fugenelemente, die zu den undurchsichtigsten Raffinessen der deutschen Sprache gehören. Es gibt keine festen Regeln für den Einschub von -e-, -s-, -es-, -er-, -n-, -en-, -ens- in die Fuge zwischen den Bestandteilen von zusammengesetzten Wörtern. Diese Spezialität der deutschen Wortbildung ist vielfach Anlass für Diskussionen, doch logische Argumentation führt selten zum Ziel.

Bekannt ist Karl Valentins Behauptung, Semmelknödeln sei falsch; es müsse Semmelnknödeln heißen, da man aus einer einzigen Semmel nicht mehrere Knödeln machen könne. An sich ist das Fugenelement semantisch leer, das heißt nicht sinntragend; Setzung oder Unterlassung ist eine Sache der Konvention, der Üblichkeit. Ausnahmen sind selten, wie etwa Kinderkopf (Kopf eines Kindes) und Kindskopf (kindischer Mensch). In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz sind Blasbalg, Fegfeuer, Mausfalle, Mausloch, Sägmehl, Tagblatt und Taglöhner korrekt – ohne den Einschub von -e-. Dem Schweinebraten entspricht der bairische Schweinsbraten; auch bei Schweinswürstl und Schweinshaxe(n) steht das -s- außer Frage. Streitpunkte bleiben Speisekarte/Speisenkarte/Speiskarte und Pfannkuchen/Pfannenkuchen. Bei Komposita wie Speiseeis, Speisekartoffeln und Speiseöl gibt das Bestimmungswort Speise- an, dass es sich um Eis, Kartoffeln und Öl handelt, die für den Verzehr bestimmt sind. Bei Speisenfolge und Speisenaufzug zeigt ein pluralisches -n als Fugenelement an, dass eine Abfolge von Gerichten gemeint ist beziehungsweise eine Vorrichtung zum Befördern von Speisen. Demnach erscheint Speisenkarte als die korrektere Form. Immerhin verzeichnet der Duden sowohl Speisekarte als auch Speisenkarte, doch – trotz Pfannengericht, -stiel – ausschließlich Pfannkuchen. Die Mundarten hingegen (nicht nur das Bairische) kennen nur das viersilbige Wort mit dem Fugenelement -en-, nämlich Pfannakuacha.

Die Frage kam von Dr. Gisela Buuck.

Kommt das Wort „Bame“ von „Baumasyl“?

Kinder in der Regensburger Gegend, die Fangerl, Fangsterl, Fangermànndl, Fànggei oder Fangstus spielten (anderswo heißt es Fangen oder Haschen), habe ich gefragt, wie sie den Platz nennen, an dem man von den Fängern nicht abgeschlagen werden darf. Die einhellige Antwort war: Bane oder Bame. Für das Freimal, den Ausruhplatz für eine Verschnaufpause beim Spiel, existieren laut Wikipedia in Deutschland über 50 unterschiedliche Bezeichnungen, die teilweise nur kleinregional gelten: Aus, Brennplatz, Freio, Gotto, Klippo und so weiter. In der Oberpfalz und in Niederbayern heißt es Bane oder Bame.

In Ermangelung weiterer Auskünfte zitiere ich aus Schmellers „Bayerischem Wörterbuch“: „Bámme’s, Bámess, Bâmuss! heißt es in einem Kinderspiele, wenn einer der Spielenden erhascht wird, wo er dann halten und in den Kreis treten muss. Das Bámasellal (= Baum-Asyl?). Bey einer Art Versteckspieles kleinerer Kinder wird irgendein Baum, ein Pfahl, eine Thüre, eine Hausecke zum Bámasellal erkoren. Am B. verbirgt derjenige, den die Reihe, zu suchen, getroffen hat, sein Gesicht, bis sich die Übrigen versteckt haben und das Zeichen gegeben wird, daß er suchen dürfe. Wem es nun gelingt, ehe ihn dieser findet und berührt, sich an das B. zu machen, was er mit dem singenden Rufe: Bámasellal à-grüart! kund gibt, dem dient es gleichsam zu einem Asyl, und er darf vom Suchenden nicht mehr gehascht werden. Vergl. ‚baumen‘ (sich sicher stellen) und ‚bâm?‘ (sich ein Ding zueignen, ausersehen).“ Dies schreibt Schmeller (Band I, Spalte 239).

Nicht von der Hand zu weisen ist auch, einen Zusammenhang mit dem Wortstamm von erbarmen zu vermuten. Bame wäre dann ursprünglich Barme, und Bane eine Nebenform.

Eine Anregung von Ursula Smeets

Reste des Jenischen´in Regenstauf

Wenn sich die Buben nach einer Auseinandersetzung wieder vertragen haben, sagten sie in Regenstauf: „Etz sàmma wieda kittsche“. Die Kommission für Mundartforschung bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München gibt zur Erklärung an, dass der Ausdruck vermutlich aus dem Jenischen stammt. Diese Geheimsprache, auch Rotwelsch genannt, wurde von fahrendem Volk, von Viehhändlern und Musikanten gebraucht. Das „Wörterbuch des Rotwelschen“ von Siegmund A. Wolf verzeichnet das Wort kitt in der Bedeutung gut, schön.

Spuren von jenischer Sprache lassen sich speziell in Regenstauf noch heute ausfindig machen. 1990 veröffentlichten Rosemarie Lühr und Klaus Matzel eine Bestandsaufnahme; 2008 unternahm Maria Wolf (verheiratete Ketterl) erneut eine Umfrage bei den „Blitzern“ (Regenstaufern). Immer noch in Gebrauch sind Reste von „Jenisch baidln“ (sprechen), so etwa: „dufter Binkl (hübscher Kerl), Klingerer, Klinglbing (Musikant), Dreegfotzade (Kartoffelsuppe), ’s Annamirl (Sonne), Hanfstauan (Hemd), bleschn (rauchen), raib schiwass (hör auf), Bossert (Fleisch), Brandkowl (Wirtshaus)“ sowie etliche Wortbildungen mit dem Suffix -ling: Griefling (Griffling, also Finger), Drieling (Trittling, Schuh, Fuß), Raichaling (Räucherling, Zigarette), Hirtling (Härtling, Messer), Räiling (Rötling, Blut), Säissling (Süßling, Zucker); Regensburg heißt nach wie vor ’s Stoahaiffl (Steinhäufl).

Bei den Recherchen hatte man den Ausdruck kittsche nicht entdeckt. Es könnte sich dabei um eine verdeutlichende Zusammensetzung aus kitt und schön handeln, vergleichbar mit bittsche, dangsche (bittschön, dankschön). Für die Herkunft von kitt kommt standarddeutsch quitt in Betracht – in abgewandelter Bedeutung.

Die Frage stellte Hans Reichhart.

Mach koane Mäus: Mach keine Umstände!

Die Maus kommt in unserer Sprache unglaublich oft vor. Ein verbreiteter Kosename ist Mäuschen, in Bayern eher Mauserl, Mausi und Mausischwànzi. Als graue Maus wird eine unscheinbare weibliche Person bezeichnet. Man sagt, jemand sieht weiße Mäuse (hat Wahnvorstellungen). Ein völlig durchnässter Mensch kommt daher wie eine gebadete (bodte)/getaufte (dàffte) Maus. Einen unbedeutenden Wichtigtuer nennt man verächtlich einen aufgestellten Mausdreck. Es gibt die Redensart „Da beißt die Maus keinen Faden ab“. Die Maus taucht auf in maus(dreckerl)tot, (mucks)mäuserlstààd, Duckmauser und duckmausert (schriftdeutsch: mucksmäuschenstill, Duckmäuser). Eisennägel auf der Sohle von Bergschuhen, wie man sie früher hatte, um auf glitschigem Fels besser Halt zu finden, hießen Mausköpf(e). Das Verb mausen bedeutet sowohl entwenden als auch geschlechtlich verkehren. Schließlich kann Mäus(e) machen den Sinn haben: Lügenmärchen erzählen, unwahre Geschichten auftischen. Älter ist die ausführlichere Variante: „Mach uns koane Mäus ned fia, mia ham wenig Katzen.“ Wenn zu einem gesagt wird: „Mach koane Mäus (Mais), gib’s einfach her!“, so ist damit gemeint, er solle keine Umstände, keine Schwierigkeiten machen. (Keine) Mäus(e) machen fügt sich ein in die Reihe der übrigen Redensarten; eine genauere Erklärung ist nicht möglich.

Eine Anregung von Sabine Keimes

Noch mehr Bayerisch mit dem Dialektpapst Prof. Dr. Ludwig Zehetner gibt esin unserem Podcast „Basst scho!“.