MZ-Serie
Eine Mühle im Dornröschenschlaf

Seit Jahrzehnten steht die Schuierer-Mühle in Schwandorf still. Die Tochter des letzten Müllers erzählt.

12.10.2014 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Sogar eine Jacke und eine Mütze hängen noch im Büro der Mühle im ersten Stock. Maklerin Monika Reiner-Hartl soll einen Käufer für das Gebäude finden. Sie könnte sich ein Museum vorstellen. −Foto: Fotos: Schönberger

Das kleine Büro im ersten Stock wirkt fast so, als hätte der Müller seinen Arbeitsplatz erst vor kurzem verlassen. Eine Mütze und eine Jacke hängen noch am Türstock. Das schmale Bett an der Wand ist ordentlich mit einer Tagesdecke zugedeckt. Schreibunterlagen, Revisionsbuch und Telefonbuch liegen auf dem Tisch. Wären die Sachen nicht mit einer feinen Staubschicht überzogen und würde der Kalender über dem Schreibtisch nicht den Juli 1982 anzeigen – kaum etwas würde in diesem Raum darauf hindeuten, dass die Schuierer-Mühle in Schwandorf schon seit 30 Jahren stillsteht. Auch in den anderen Räumen der Mühle gibt es noch genug Spuren aus Zeiten, in denen hier Hochbetrieb herrschte: In einer Ecke stapeln sich die leeren Mehlsäcke übereinander. An der Wand neben dem Büro hängt noch eine Tafel mit Preisen. Zehn Pfund Weizenmehl kosteten sechs D-Mark, ein Zentner Roggenmehl 44 D-Mark.

Die Schuierer-Mühle mit der angrenzenden Richtermühle ist das heimliche Wahrzeichen der Schwandorfer Wöhrvorstadt. Ein verlassener Ort – inmitten eines belebten Stadtkerns, direkt neben den Naabbrücken, die zur Altstadt hinführen. Jeder in Schwandorf kennt das Gebäude. Kaum einer aber weiß, was es hinter den dicken Mauern noch alles zu entdecken gibt.

„Eine irre Liebe zur Mühle“

Jakob Schuierer war der letzte Müller der Schuierer-Mühle. Marille Bienek ist seine Tochter. Den Duft von Getreide hat sie heute noch in der Nase. Wenn die Bauern ihre Ernte zu den Mühlen an der Naab brachten, dann stand die Müllerstochter mit leuchtenden Augen daneben. In ihrer Stimme schwingt Begeisterung und auch ein wenig Ehrfurcht mit, wenn sie davon erzählt. „Ich empfinde eine irre Liebe zur Mühle und zur Naab“, sagt sie.

Dennoch hat sie vor etwa einem Jahr Immobilienmaklerin Monika Reiner-Hartl beauftragt, einen Käufer für das vierstöckige Gebäude zu suchen. Schweren Herzens hat sich Bienek zu diesem Schritt entschlossen. Eigentlich wollte sie selbst etwas aus ihrer geliebten Mühle machen. Doch vor 25 Jahren zog sie mit ihrem Mann in die Schweiz. Es ist auch der Entfernung geschuldet, dass sie die Mühle letztlich nie in Angriff genommen hat. Sie hofft, dass sich nun jemand findet, der dem einzigartigen Gebäude an der Naab neues Leben einhaucht. Für sie steht fest: „So einen Flecken gibt es nicht überall.“ Und außerdem sei die Geschichte der Mühle eng mit der Geschichte der Großen Kreisstadt Schwandorf verbunden.

Seit 1000 Jahren Mühlenstadt

Mühlen gehören zu den ältesten Gewerbebetrieben Schwandorfs. Sogar in der ersten urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1006 ist von den „Mühlenstätten mit dem Wasserwehr am dunkelgrünen Naabflusse“ die Rede. Wie lange die Schuierer-Mühle existiert, ist unklar. Der Architekt Dietmar Bleistein hat 1992 für seine Diplomarbeit über die Schuierer-Mühle nachgeforscht. Seinen Informationen zufolge bestand die Mühle wahrscheinlich schon vor 1792.

Im Besitz der Familie Schuierer ist sie demnach nachweislich seit 1882. Bieneks Urgroßvater Josef Schuierer hat die Mühle erworben. Heute gehören die Schuierer-Mühle und die angrenzende Richtermühle zusammen. Damals jedoch gehörten sie verschiedenen Müllern. Ein kleines Schlupfloch verband die Gebäude miteinander. „Da sind die Müller immer durchgeschlüpft und haben sich auf einen Ratsch getroffen“, erzählt Bienek. 1904 wurde genau dieses Schlupfloch den beiden Mühlen zum Verhängnis. In einem der Gebäude war ein Feuer ausgebrochen. Durch das Verbindungsloch griffen die Flammen auch auf das zweite Gebäude über. Die Mühlen wurden vollständig zerstört. Das Baugesuch von Josef Schuierer für den Wiederaufbau wird heute im Stadtarchiv aufbewahrt.

Die Arbeit in der Mühle war schwer – und manchmal auch gefährlich. Marille Bienek kann sich noch gut daran erinnern, wie ihr Vater im Winter immer das Eis von den Wasserrädern abpickeln musste. Einmal hatte der Müller einen schweren Unfall. Er fiel in ein Zahnrad der Mühle. Die Narbe am Oberschenkel ist heute noch zu sehen.

Marille Bienek kann sich auch noch dran erinnern, als der Schriftzug an der Mühle angebracht wurde. Hoch über der Naab stand sie zusammen mit ihren Vater auf dem Gerüst. Sie durfte die Schablone halten, während ihr Vater den Putz aufbrachte. Unter die Aufregung mischte sich damals auch ein wenig Angst. „Am schlimmsten war es, wenn ich runter geschaut habe und den Schaum im rauschenden Wasser gesehen habe.“

Heute fließt das Wasser nur noch langsam an der Mühle vorbei. „Ich bin erschrocken, als ich das letzte Mal in Schwandorf war – so versandet wie die Naab jetzt ist“, sagt Bienek. Ganz anders als in ihren Kindheitserinnerungen.

Der Dornröschenschlaf der Schuierer-Mühle dauert nun schon drei Jahrzehnte an. Was aus dem markanten Gebäude einmal wird, ist nach wie vor ungewiss. Interessenten haben sich zwar schon bei Maklerin Reiner-Hartl gemeldet. Am Ende scheiterte aber ein Verkauf, weil die Wasserrechte nicht mehr vorhanden sind. Ideen hätte die Maklerin durchaus. Sie denkt zum Beispiel an ein Mühlenmuseum. Schließlich sind noch die ganzen alten Maschinen erhalten. Mit der Stadt hat sie darüber schon einmal Gespräche geführt. Geworden ist daraus bisher noch nichts.