MZ-Serie
Im fürstlichen Jagdauto kam der Tod

Die großen Schlagzeilen Ostbayerns: Franz Josef Strauß stirbt vor 25 Jahren in Regensburg. Er wollte mit dem Fürsten von Thurn und Taxis zur Jagd.

31.05.2013 | Stand 16.09.2023, 21:03 Uhr
Fritz Wallner

So kannten Bayern, Deutschland und die Welt den CSU-Politiker Franz Josef Strauß. Wortgewaltig setzte er sich in Szene, politische Freunde und Gegner fürchteten gleichermaßen seine politischen Attacken. Am 3. Oktober 1988, vor fast 25 Jahren, starb er in einer Regensburger Klinik. Fotos: dpa/Nübler

Eigentlich wollte Martin „Mänk“ Wunnike am 1. Oktober 1988, es war ein Samstag, beim noch jungen Lokalradiosender „Radio Charivari“ in Regensburg gerade Feierabend machen. Aber kurz vor sechs Uhr am Abend bekommt sein Kollege Maximilian Schöberl einen Anruf von einer Hörerin. „Franz Josef Strauß ist auf einer Trage ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder eingeliefert worden,“ behauptet die Frau. Ein Irrtum? Eine riesen Story?

„Für uns war klar – wir müssen sofort los und nachschauen“, sagt Wunnike, heute Verlagsleiter der Mittelbayerischen Zeitung. Zunächst scheint im „BB“ alles ruhig. Nur vor einer Tür am Frauenbau steht ein Polizist. „Halt. Sie dürfen hier nicht durch!“ „Warum?“, fragen die Reporter. „Weil die Besuchszeit abgelaufen ist“. Wunnike erzählt dem Beamten, was die Radioleute gehört haben. „Ich weiß, Sie dürfen nichts sagen. Aber wenn es stimmt, dass Strauß eingeliefert wurde, lächeln Sie einfach“. Als ein breites Grinsen auf dem Polizistengesicht erscheint, wird die Sensationsmeldung über den Äther gejagt. „Charivari“ macht bundesweit Schlagzeilen.

Tandler verbreitet Falschmeldung

Am Unglückstag, dem 1. Oktober, berichtet die „Mittelbayerische Zeitung“ unter anderem vom Oktoberfest, das in München gefeiert wird. 4,5 Millionen Maß werden getrunken, so die Bilanz. Die erste Woche war kräftig verregnet. Eine Maß hatte sich auch Franz Josef Strauß genehmigt. Nach seinem Wiesn-Besuch ließ er sich am Nachmittag mit dem Polizeihubschrauber in den Fürstlichen Tierpark bei Regensburg fliegen. Fürst Johannes von Thurn und Taxis hatte zur Hirschjagd geladen. Der Helikopter setzt ihn am Jagdschloss „Aschenbrenner Marter“ ab. Strauß entlässt seine Sicherheitsbeamten ins Wochenende, der Hubschrauber hebt wieder ab.

Haushofmeister Wilhelm Lechner reichte dem damals 73-jährigen Strauß das Jagdgewehr. Die Fahrt ins Fürstliche Jagdrevier sollte gleich beginnen. „Der Hubschrauber-Flug war doch anstrengend“, sagte Strauß. Plötzlich bricht der Ministerpräsident auf seinem Autositz zusammen. „Er ist umgekippt“, sagte Lechner. Details durfte er damals nicht nennen.

Notruf 110! Die Rettungsmaschinerie läuft an. Der Piepser klingelt den Chefarzt der Anästhesie des Evangelischen Krankenhauses Regensburg, Dr. Rainer Tichy, aus dem Schlaf. Die Einsatzzentrale erreicht den abfliegenden Polizeihubschrauber über Funk. Tichy wird auf die Aschenbrenner Marter geflogen. Der Patient wird ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nach Regensburg geflogen. Er hatte sich erbrochen und einen Teil davon eingeatmet. Rippen waren durch Wiederbelebungsversuche gebrochen. Eine davon hatte die Lunge verletzt.

Die erste Meldung von „Radio Charivari“, wonach Strauß angeblich in die Klinik eingeliefert wurde, hatte auch MZ-Reporter Fritz Winter gehört. Auf der Autobahn, kurz vor Bad Abbach, auf dem Rückweg von einem Urlaub am Gardasee. Sofort ging es zu den „Barmherzigen Brüdern“. Noch war nichts abgesperrt. Aber auffällig unauffällig war ein Streifenwagen geparkt. Ein Arzt reagierte ungewöhnlich gereizt auf den Versuch, in Richtung der hell erleuchteten Operationssäle zu gehen. Klar war: Die Radio-Meldung musste stimmen.

Gegen 20 Uhr traf der damalige Innen-Staatssekretär Peter Gauweiler ein. Zivilfahrzeuge der Polizei rasen mit Blaulicht aus Wackersdorf heran. Sie bringen vom dortigen WAA-Einsatzführungsstab die damals noch seltenen Mobiltelefone heran. Innenminister Gerold Tandler und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier fahren vor. Schließlich kommen Eliteeinheiten der Polizei und räumen den Innenhof des Krankenhauses. Die Journalisten erhalten einen Platzverweis. Ihnen wird angedroht, dass sie notfalls mit Gewalt entfernt werden. Jetzt steht fest: Die Situation ist todernst.

Nur für einen gewieften Polit-Taktiker wie Gerold Tandler nicht. Um 23.02 Uhr gibt er vor der Krankenhaus-Schranke eine improvisierte Pressekonferenz. Sie dauert eine Minute und 30 Sekunden. „Nach Auffassung der Ärzte hat der Ministerpräsident einen Kreislaufkollaps ohne ernsthafte Folgen erlitten“, lügt er. Man gehe davon aus, dass „bei der bekannt robusten Gesundheit des Ministerpräsidenten bald wieder gute Nachrichten ins Land ziehen“. Mänk Wunnike wird das Tonband mit dieser Aussage bei Führungen durch das Regensburger Funkhaus später immer wieder als Beweis für die Redlichkeit mancher Politiker abspielen.

Abertausende beim Trauerzug

Der 3. Oktober 1988 ist ein Montag. Kurz vor Mittag spielen alle Bayerischen Radiosender, auch „Radio Charivari“, Trauermusik. „Wir haben bis zum Ende sehr gehofft, doch seine Krankheit nahm einen schicksalhaften Verlauf, den die Medizin nicht aufhalten konnte“, sagte Dr. Valentin Argirov, Strauß-Leibarzt seit 18 Jahren, bei einer Pressekonferenz. Nach 44-stündigem Ringen war der Bayerische Ministerpräsident auf der Intensivstation des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder gestorben.

Nach der Notoperation hatte er das Bewusstsein nicht wieder erlangt. Er erlag einem Herz-Kreislauf-Versagen als Folge eines Multiorganversagens. Auch – zum Unverständnis Regensburger Mediziner – extra aus München eingeflogene Geräte hatten sein Leben nicht retten können.

Bereits am 4. Oktober zogen mehrere Tausend Menschen am Leichnam von Strauß vorbei, der in der St.-Pius-Kapelle des Krankenhauses aufgebahrt war. Am 5. Oktober wurde der Sarg nach München überführt. Am 7. Oktober zelebrierte Friedrich Kardinal Wetter das Pontifikalrequiem für Strauß in der Frauenkirche, das auch auf den Marienplatz übertragen wurde. Es folgte ein Trauerzug zum Siegestor. Er war der größte in der Geschichte der Stadt München. Selbst für Könige hatte es keinen größeren gegeben.