MZ-Serie
„Grübel, grübel“ im Donald-Duck-Museum

Erika Fuchs, geniale Übersetzerin der Donald-Duck-Geschichten, hat endlich ihr eigenes Museum – in Schwarzenbach a. d. Saale.

19.11.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr
Alexandra Hentschel, Leiterin des Erika-Fuchs-Hauses, im Allerheiligsten: Dagobert Ducks Geldspeicher. Wie hoch dessen Vermögen genau ist, bleibt unklar, es sind aber mehr als 770 Trilliarden Taler. −Foto: Gabi Schönberger

So tönt es im Chor: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr!“ – oder: „Wir pfeifen auf Pomade, auf Seife, Kamm und Schwamm! Und bleiben lieber dreckig und wälzen uns im Schlamm!“ Diese pubertären Schwüre von Tick, Trick und Track, den Neffen von Donald Duck, stammen aus der Frühzeit Entenhausens. Mit der Zeit jedoch haben sich die drei anarchistischen Rotznasen zu Musterknaben und vorbildlichen Pfadfindern der Organisation Fähnlein Fieselschweif gemausert – sie bilden den Gegenpart zu ihrem cholerisch-chaotischen Onkel.

Dass diese Sprüche, hart und ironisch am Klassikerdeutsch vorbeischrammend, uns so wohl im Ohre klingen, verdanken wir einer Frau mit Sprachgefühl: Dr. Erika Fuchs (1906-2005). Bis 1988 war sie Chefredakteurin der deutschen Micky-Maus-Hefte, geniale Übersetzerin aus dem Amerikanischen und preisgekrönte Wortschöpferin („Grübel, grübel, studier“). Sie hat zehn Jahre nach ihrem Tod mit 98 Jahren ihr eigenes Museum bekommen: das Erika-Fuchs-Haus, Museum für Comic und Sprachkunst im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale, Bahnhofstraße 12, „das 1. deutsche Comic-Museum“. Inflektive wie „seufz“ oder „ächz“ nennt man ob ihrer Meisterin respektvoll „Erikativ“.

Um es gleich zu sagen, dieses Haus, das im letzten Teil unserer Museumsserie vorgestellt wird, ist ein Glücksfall. Selten genug geht man so hochgestimmt wieder von dannen. Das Haus zeigt Leben und Werk der Übersetzerin und stellt ihre Arbeit in den Gesamtkontext der Kunstform Comic.

Das onomatopoetische Kabinett

Außerdem gibt es Sonderausstellungen, zurzeit „Die besten deutschen Comics“ (Max-und-Moritz-Preis). Die raffinierten, interaktiven Stationen – Translatorium, Wortgenerator oder das onomatopoetische Kabinett, in dem man eigene Lautmalereien wie „Karacks!“, „Kawumm“ oder „Zosch!“ erfinden kann und sie in der zugehörigen Sprechblase sieht, stammen wieder mal aus der Werkstatt der Ausstellungsmacher „m.o.l.i.t.o.r. ART IN MOTION“ aus Berlin. Der Höhepunkt ist aber fraglos das begehbare Entenhausen – ein erfrischendes Talerbad im Duck’schen Geldspeicher ist möglich.

In der Comicbibliothek gibt’s am Schluss üppige Gelegenheit zum Schmökern und Studieren: „Hier saß gerade eine vierte Klasse. Es war eine Stunde lang mucksmäuschenstill“, sagt die Ethnologin und Museumsmanagerin Dr. Alexandra Hentschel, Leiterin des Hauses. Ein Traumjob für die 46-Jährige, die mit Mann und Sohn (7) vom Hamburger Kindermuseum KL!CK nach Oberfranken zog.

Die ermäßigten Eintrittspreise für Schulklassen haben so ihre eigene Ironie: 1951, als Erika Fuchs begann, wurden dieser Art „Schundhefte“ kassiert. Noch lange Zeit später empfand unsere Deutschlehrerin Sprechblasen als „Beleidigung ihrer Intelligenz“, Micky Maus und Donald Duck seien die „Personifizierung des Banalen“ und dieser ganze „Dreck“ am Ende Mitschuld an unseren schlechten Noten.

Heute kostet das erste Original-Micky-Maus-Heft ungelesen 15 000 Euro. Gescheite Anspielungen auf Entenhausener Interna sind selbst in wissenschaftlichen Arbeiten längst das Salz in der Suppe. Und Fuchs steht unangefochten auf dem Marmorpodest: „Ihr Einfluss im alltäglichen Sprachgebrauch und in der Popkultur ist bis heute enorm“, liest man in dem vorzüglichen Standardwerk „Nur keine Sentimentalitäten! Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte“, das man nebst anderen Kostbarkeiten selbstverständlich im Museumsshop vorrätig hat.

Lage des Museums

Sammler, Gönner und Künstler

Zu den vielen Glücksfällen dieses Ortes zählt auch, dass 85 Prozent der fünf Millionen Euro für das neue Museum über Fördermittel gedeckt werden konnten. Ideal ist ferner, dass sich Sammler, Gönner und Künstler gegenseitig leidenschaftlich zu übertrumpfen suchen. So steht das Denkmal für Emil Erpel, dem Gründer Entenhausens, eine Arbeit des Holzbildhauers Jochen Strobel, in der Saale, weil der Platz vor dem Erika-Fuchs-Haus schon mit einem dreiteiligen Kunstwerk von Wolfgang Stefan „besetzt“ war – ein Geschenk von Dr. Christian Heinrich Sandler an die Stadt. Schwarzenbachs Ähnlichkeiten mit Entenhausen sind längst Forschungsgegenstand.

Onkel Dagobert besitzt ja auch einen Skilift am Ochsenkopf, die Ducks machen Urlaub am Fichtelsee und etliche Schwarzenbacher Handwerker, Ärzte und Geschäfte finden sich auf wundersame Weise in Entenhausen wieder. Ein Grundstock des Hauses ist die „ziemlich umfangreiche“ Sammlung des Juristen Gerhard Severin: „Was Sie hier sehen“, sagt Alexandra Hentschel, „sind kaum fünf Prozent davon.“ Und dann gibt es etwa noch den 260 Mitglieder starken Förderkreis „Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E“. Die Abkürzung bedeutet: „Menschen in lauterer lebenserfahrener interaktiver angenehmer Runde, donaldische Ästhetik rigoros einfordernd“.

Johanna Theodolinde Erika Petri kam am 7. Dezember 1906 in Rostock zur Welt. Sie war als junge Frau recht hübsch, studierte Kunstgeschichte und promovierte. Ihr späterer Mann, Günter Fuchs, Unternehmer, Erfinder, Möbelbauer und Professor für „Technische Morphologie“ an der TU München, besaß eine moderne Ofen-Fabrik in Schwarzenbach. Er starb 1984 und Erika Fuchs zog nach München um.

Anfangs übersetzte sie für „Reader’s Digest“. „Die Micky-Maus-Chefredaktion bekam sie 1951 eher durch Zufall, weil der Ehapa-Verlag auf derselben Etage ein Büro eröffnete“, berichtet Alexandra Hentschel. Erika Fuchs besaß einen Doktortitel und gab sich als Pädagogin aus. Na, bitte! Nun begann ihr Sturmritt durch die deutsche Sprache, sie schuf: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ und „Das Leben ist eins der schönsten“. Sie machte aus „Rockjaw Bumrisk“ eine Figur namens „Kasimir Kapuste“ und taufte die süße US-Limo „Gurgleurp“ „Blubberlutsch“. Der Zeichner Simon Schwartz (33) hat in einem raumhohen Wand-Comic Erika Fuchsens Leben dargestellt. Auch ihre erste Begegnung mit dem legendären Comicautor Carl Barks (1901-2000), dem sie, obwohl sie ihn exklusiv übersetzte, 1994 zum ersten Mal begegnete, ist festgehalten. Da war er 93 und sie, dabei stark rauchend, 87 Jahre alt.

Im begehbaren Entenhausen ist auch der Stammbaum der Ducks zu sehen, gezeichnet von Don Rosa (64), den viele als den „zweiten Carl Barks“ bejubeln. Hier findet man auch einen Hinweis auf die Mutter von Tick, Trick und Track: Es war Della Duck. Der Vater ist, ähm, unbekannt. Über derlei Dinge wird in Entenhausen niemals gesprochen. Äußerst interessant ist auch der maßstabsgerechte Stadtplan von Entenhausen, den der Donaldist Jürgen Wollina in 13-jähriger Arbeit erstellt hat: Es liegt unweit des Fichtelgebirges und der Bahamalulubucht an der Westküste der USA – in einem Paralleluniversum? Wollina ist leider plötzlich gestorben.