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Das Gasthaus ist die Mitte der Welt

Im beschaulichen Taufkirchen, das zu Falkenberg gehört, spielt sich das Gemeindeleben im historischen Wirtshaus Reger ab.

19.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Thomas Dietz
(Fast) immer gut gelaunt und zu einem netten Scherz aufgelegt: Das Wirtsehepaar Brigitte und Hermann Reger im Wintergarten vor ihrer alten Eingangstür mit dem filigranen Schnitzwerk. −Foto: Gabi Schönberger

An einem Wohnhaus in der Hofmarkstraße verbleicht der alte Ringelnatz-Spruch: „Die Leute sagen immer, die Zeiten werden schlimmer. Doch die Zeiten bleiben immer, nur die Leute werden schlimmer.“ Jahrzehntelanger Regen hat die Hauswand abgewaschen und man muss die fehlenden Worte schon ergänzen.

Schräg gegenüber steht in erhabener Ruhe die mittelalterliche Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt – irgendwann, zum Anfang oder auch erst in der Mitte des 15. Jahrhunderts, hat man mit dem Bau begonnen, weil die Vorgängerkirche, offenbar auf sumpfigem Untergrund des Mertseebaches errichtet, aufgegeben werden musste.

In einer hübschen Ansicht, die auf den kurfürstlichen Hofkupferstecher und Metzgermeister Michael Wening (1645-1718) zurückgeht, kann man die Sonnenuhr und die Eckzinnen des Kirchturmes, so wie sie noch heute sind, deutlich erkennen. Diesem fleißigen Herrn Wening verdanken wir ja eine Fülle historischer Details. Ach ja, ein kleines Schloss hat es hier auch mal gegeben. Es wurde aber schon um 1720 zum Pfarrhaus umgewandelt.

Die älteste Taufkirchener Urkunde soll aus dem Jahr 1011 stammen – von Heinrich II., König und Kaiser. Aber auch die Römer mochten die Gegend; ihre Straßen existieren noch heute.

Die zu Falkenberg gehörende Gemeinde Taufkirchen im Landkreis Rottal-Inn ist ein ruhiger, beschaulicher Ort. Es gibt ein Gartenmöbel-Center, die Sparkasse, Friseur und Fahrschule. Etliche kleinere Läden haben längst aufgegeben und stehen leer. Wer motorisiert ist, fährt eh ins sieben Kilometer entfernte Eggenfelden.

Die Metzgerei – ein enormes Plus

Also spielt sich der größte Teil des Gemeindelebens zentral im Gasthaus Reger ab – und das ist nun nicht gerade ein unfreundlicher Ort. Hier liegt gewissermaßen „die Mitte der Welt“. Geführt wird es seit mehr als 30 Jahren in der dritten Generation von Hermann (54) und Brigitte (52) Reger. Ihre mittlere Tochter Johanna (27) wird einmal die Leitung übernehmen.

Am auffälligsten ist hier der 1986/87 angebaute, hell-großzügige Wintergarten. Die Originaltür mit reichen Schnitzarbeiten ist das älteste Objekt im Haus. Rechter Hand gelangt man in den hauseigenen Metzgerladen – ein Wirtshaus mit eigener Metzgerei hat ja immer ein enormes Plus.

Hermann Reger hat das Handwerk von seinem Vater gelernt: „Fleisch und Wurst sind Vertrauenssache, das ist überall so“, sagt er gut gelaunt, „und ich produziere nur, was ich auch selbst gern esse.“ So gibt es bei den Regers „kein gewolftes oder sonst verarbeitetes Fleisch“, sie kaufen nur Rinder- und Schweinehälften in der Region. Auch Gemüsesülze gibt’s keine.

Regers Salami, die Koch- und Brühwürste sind legendär. „Dreieinhalb Gesellen“ hat er und eine Filiale in Falkenberg. Die Stammkundschaft kommt von weither, zumal auf zivile Preise geachtet wird. Schlechtere Ware für mehr Geld ist nicht schwer zu finden, auch das ist überall so.

1892 wurde das Wirtshaus erbaut, es gibt noch ein „Baugesuch“ mit dem „Bau=Plann des Hofstätter’schen Gasthauses im Maßstab 1:100“. Überhaupt ist die Familiengeschichte reich an Anekdoten. So saß Regers Großvater wegen Mordes im Zuchthaus, gab aber diese Tat niemals zu: Zeugen hatten ihn mit blutverschmierter Schürze, ein Schlachtermesser in der Hand, in Tatortnähe gesehen. „Damals konnte man Schweine- und Menschenblut noch nicht auseinanderhalten“, berichtet Hermann Reger. Erst auf dem Sterbebett gestand der echte Mörder seine Tat, woraufhin der unglückliche Unschuldige sofort entlassen wurde.

Oliven-Bratwurst mit Feta gefüllt

Feuerwehr, Landjugend, der TSV 1969, Frauenbund, VdK, die Obst- und Gemüsebauern, Reservisten- und Kriegerkameradschaft, die Pferde- und Theaterfreunde sowie etliche Stammtische treffen sich im Gasthaus Reger, das für seine bayerisch-gutbürgerliche Küche berühmt ist: für die Fisch- und Wildspezialitäten oder auch die mit Oliven und Feta gefüllten Bratwürste. Der sagenhafte Kartoffelsalat nach Geheimrezept nimmt eine Sonderstellung ein. Auch Desserts wie Tiramisu mit weißer Schokolade oder Champagner-Himbeercreme kommen gut an.

Ausgeschenkt werden sieben Biere plus Bock der Aldersbacher Klosterbrauerei, worauf man ziemlich stolz ist. Die Regers betreiben dazu einen Catering- und Partyservice mit Zelt- und Geschirrverleih. „Unser Rekord war mal ein Grillbüfett für 3300 Personen“, sagt Brigitte Reger.

Das Gasthaus ist nicht gerade klein: Die Gaststube fasst 70 Gäste, ins Nebenzimmer passen 50, in den Saal ohne Tanzfläche 250 und im Sommer 80 Personen auf die Terrasse. Gern kommen der Sänger Fredl Fesl, der in der Nähe wohnt oder die Skifahrerin Veronique Hronek („Eure Rennsemmel“).

Mangels anderer Einkaufsmöglichkeiten im Ort gibt es in der Metzgerei eine kleine Auswahl wichtiger Lebensmittel: Nudeln, Schokolade, Eier, Sahne, Mehl, Sekt – „unsere Notversorgung“, wie Brigitte Reger es nennt.

Lage des Gasthaues: