MZ-Serie
„Sexy Rexy“ bis ins Rentenalter

Originale: Der Schlagersänger Rex Gildo lebte ein Leben voller Lügen. Am Ende zerbrach er an seinem Versteckspiel.

12.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:02 Uhr
Schlagersänger Rex Gildo wirkte im Alter wie eine Marionette seiner selbst. Trotzdem hielt er an pechschwarzem Haar und Sonnenbräune fest. −Foto: Fotos: dpa

Es gibt kein Foto, keine Unterlagen und nur einen einzigen Auftritt, der den Schlagersänger Rex Gildo mit den Regensburger Domspatzen in Verbindung bringt Es war 1981, in der Fernsehsendung „Gestatten Sie: Rex Gildo“. Dafür hatte sich der Künstler „seine“ Domspatzen ins Studio geholt. Bei der Anmoderation verdrehte Gildo die Augen, so, als wollte er dem Herrgott eine Entschuldigung schicken, dann berichtete er von seiner Zeit in dem weltberühmten Knabenchor. Nach drei Wochen in dem Internat sei er abgehauen, sagte Gildo damals – und ließ offen, was dann geschah. Später wurde die Geschichte vom Domspatzen Rex Gildo, der mit bürgerlichem Namen Ludwig Franz Hirtreiter hieß und aus Straubing stammte, als Lügenmärchen entlarvt. Es war nicht die einzige Geschichte, die sich der Künstler ausdachte. Er lebte förmlich ein Leben, das nichts mit seiner wirklichen Identität zu tun hatte. Am Ende sollte er daran zerbrechen.

„Fiesta Mexicana“ oder „Marie, der letzte Tanz ist nur für dich“, hießen die Hits, mit denen der Sänger in den 1960er Jahren und 70er Jahren Erfolge verbuchte. Mit seinem pechschwarzen Haar, seiner auffälligen Bräune und seinem sexy Hüftschwung wirkte der Künstler, der als einer der besten Tänzer im Schlagerbusiness galt, immer wie ein feuriger Südamerikaner und nicht wie ein gestandener Niederbayer. „Seine Ausstrahlung, seine Liebenswürdigkeit, sein Respekt vor den Fans“, das ist es, woran sich die Fans auch heute noch erinnern, sagt der ehemalige Moderator der „ZDF-Hitparade“, Uwe Hübner, im Gespräch mit der MZ.

Hübner lernte Gildo in den 1980er Jahren kennen. „Bei unserer ersten Begegnung war Rex geradezu vorsichtig und wählte sehr höfliche, wohl formulierte Worte. Er begann den Dialog sogar mit dem in unserer Branche eher unüblichen „Sie“. Sonst duzt sich bei uns ja gleich jeder. Er wollte sich ganz bewusst abheben von all dem kumpelhaften Auf-die Schulter-Schlagen, das ihm, wie er mir später mal verriet, gewaltig gegen den Strich ging. Seine Note war mehr die elegante Art.“

„Lass doch denen ihren Spaß“

Für den ehemaligen Hitparaden-Moderator, der inzwischen eine Künstleragentur betreibt, war Rex Gildo eines der Opfer des sich rasch verändernden Medienzeitalters. Wie an der Resterampe wurden die Künstler, die einst von ihren Fans angehimmelt wurden, von ihren Managern verramscht, als neue deutsche Musik von Künstlern wie Grönemeyer oder Westernhagen groß wurde. Schlagersänger mussten nun in Möbelhäusern auftreten und zu Stadtfesten tingeln. Wenn Rex Gildo auf provisorischen Bühnen zwischen Couchgarnituren und Einbauküchen mal wieder ausgepfiffen und belächelt wurde, wenn das Publikum ihm „Hossa, Hossa“ wie einen ausgelutschten Witz entgegenschleuderte, brachte er sogar Verständnis auf. „Lass doch denen ihren Spaß. Die finden eben AC/DC gut“, sagte er dann zu Musik-Manager Manni Schulte.

Doch bei mehreren persönlichen Gesprächen erzählte Gildo Uwe Hübner wie sehr er unter der ganzen Situation litt, wie schwer ihm sein Leben geworden war. „Bei einem vom Schicksal gelenkten Tag, hat er mir – für mich völlig überraschend – sein ganzes Herz ausschüttete. Voller Verzweiflung. Er hat mir mehr gesagt und gestanden als ich damals zu verkraften imstande war.“ Als die Nachricht bekannt wurde, dass Rex Gildo aus einem Fenster gesprungen war, sei ihm deshalb sofort der Verdacht gekommen, dass dies eine Verzweiflungstat war, sagt Hübner. „Eine sinnbildliche Flucht aus seinem Kartenhaus.“ Irgendwann werde er davon erzählen. „Wahrscheinlich in meinem Buch“, sagt der Hitparade-Moderator.

Das Kartenhaus, wie Uwe Hübner es nennt, das waren wohl die Geschichten, die Rex Gildo über seine Kindheit bei den Domspatzen oder über seine nie absolvierte Ausbildung an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in München erzählte. Auch sein Privatleben war auf Lügen aufgebaut. Er heiratete seine Cousine Marion Ohlsen, um den Gerüchten über seine Homosexualität entgegenzutreten. Dass er als „sexy Rexy“ nicht so frei lieben und leben konnte, wie er es eigentlich wollte, machte dem Sänger im Alter immer mehr zu schaffen. Trotzdem hielt er fest an seinem pechschwarzen Haar, der Sunnyboy-Bräune, dem Zahnpastalächeln und an den Schlagern, die kaum noch jemand hören wollte. Dabei wurden ihm zeitgemäße Arrangements angeboten, hieß es. Doch Rex Gildo habe einen solchen radikalen Stilwechsel abgelehnt.

Im Fernsehen sah man den Künstler ab Mitte der 80er Jahre nur noch selten. Auch als Schauspieler war er nicht mehr gefragt. Häufiger kam es nun vor, dass Gildo bei Auftritten Probleme hatte, dass er seine Stimmungshits lallte und beim Tanzen fast von der Bühne fiel. Stets erklärte er dies mit der Einnahme von Medikamenten oder akuten Erkrankungen. Ein Alkoholproblem stritt er ab.

Letzter Auftritt im „Wohnparadies“

Auch bei seinem letztem Auftritt im Möbelmarkt „Wohnparadies“ von Bad Vilbel bei Frankfurt, wirkte Gildo, damals 63 Jahre alt, völlig derangiert. Er flüchtete nach zehn Songs, die Vorstellung war wohl so fürchterlich, dass selbst eingefleischte Fans entsetzt waren. Nach dem Desaster reiste er mit seinem 27-jährigen Chauffeur, der auch sein Lebensgefährte war, zurück in ein Münchner Appartement, dass das Paar für Treffen nutzte. Dort passierte am Abend des 23. Oktober 1999 die Tragödie: Gildo sprang aus einem Badfenster acht Meter in die Tiefe. Die Polizei gab bekannt, dass der Sänger wohl in der Absicht handelte, sich das Leben zu nehmen. Drei Tage später starb Gildo. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde er auf dem Münchner Ostfriedhof beerdigt: neben seinem vor ihm gestorbenen Manager Fred Miekley, der einst sein Lebenspartner war. Auf dem Grabstein steht schlicht L. F. Hirtreiter. Erst im Grab ließ Rex Gildo die Maske fallen.