Vergnügen
Hightech, die den Fahrspaß trübt

Ein Serverraum steht beim Karussell auf Ostbayerns Festen und steuert die Fahrt. Das bringt Sicherheit – aber auch Störfälle.

21.08.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr

Wer in ein Fahrgeschäft steigt, wird von viel Technik abgesichert. Beim Rock’n Roller Coaster in Straubing bremste ein System einen Wagen aus. Foto: Kellermeier

Die Wagen der Achterbahn scheppern. Mit fast 60 Sachen poltern sie im historischen Bereich des Straubinger Gäubodenvolksfests über die Gleise des Rock’n Roller Coasters. Als „größte transportable Familienachterbahn Deutschlands“ bewerben die Betreiber das Fahrgeschäft. Am vergangenen Wochenende aber steht sie in den Schlagzeilen. Ein Wagen bleibt stecken. Die Feuerwehr muss zwei Mädchen befreien.

Einige Festbesucher sind seither beunruhigt. Sind die Fahrgeschäfte sicher? Zum unguten Gefühl trägt ein weiterer Zwischenfall bei, beim „Jules Verne Tower“, ebenfalls auf dem Gäubodenfest. Das Kettenkarussell stockte in 80 Metern Höhe, für ganze 25 Minuten. Dabei ist das über zwei Millionen Euro teure Fahrgeschäft auf dem neuesten Stand der Technik. Schausteller Alexander Goetzke aus München hat es erst im März in Betrieb genommen. „Wir hatten ein Software-Problem“, sagt er im Gespräch mit unserem Medienhaus. Sobald das System einen Fehler erkennt oder ein Sensor auslöst, bleibt der höchste Riesenkettenflieger der Welt stehen – egal in welcher Höhe.

Ein Container ist das Herzstück

Modernste digitale Technik hat auch bei den Schaustellerbetrieben längst Einzug gehalten. Nicht nur die Musik kommt aus digitalen Anlagen. Wer ein modernes Fahrgeschäft wie den Jules Verne Tower steuern will, braucht dafür einen extra Server-Container hinter dem Fahrgeschäft. Unscheinbar sieht dieser von außen aus. Mehrere Kabel verbinden ihn mit dem eigentlichen Fahrgeschäft. Wer in ihm steht, hört das leise Surren der Rechner. Kalt ist es auch. Der Raum ist voll klimatisiert. In der Rechenzentrale ist das Fahrprogramm des Riesenkettenfliegers eingespeichert. Soll das Fahrgeschäft loslegen, reicht eine Handbewegung an der Steuerung. „Man muss nur noch auf Start drücken“, erklärt Schausteller Goetzka.

„Es bestand nicht zu einer Sekunde Gefahr.“Alexander Goetzke, Schausteller aus München

Ein Problem wie das während der Festwoche in Straubing ist für Goetzke kein Aufreger. „Jeder Skilift, jedes Förderband bei BMW kann einmal stoppen.“ Selbst, dass die Fahrgäste in luftiger Höhe ausharren mussten, nimmt der Münchner Schausteller locker: „Es bestand nicht zu einer Sekunde Gefahr.“

Trotzdem: Ausfälle wie die vom vergangenen Wochenende werden durch die hohen sicherheitstechnischen Anforderungen an die Fahrgeschäfte wahrscheinlicher. Alleine die Sitze des Riesenkettenfliegers haben mehrere Sensoren, am Sicherheitsbügel und dem Gurt zum Beispiel. „Wenn nur einer auslöst, bleibt das Karussell stehen“, sagt Alexander Goetzka.

Lesen Sie zum Thema auch einen Kommentar unseres Autors Martin Kellermeier:

Bei dem Rock’n Roller Coaster von Lutz Vorlop war das am späten Samstagabend nicht anders. Ein Sicherheits-Blocksystem hatte angesprochen, nachdem ein Wagen nicht mehr genug Schwung hatte, um einen Berg der 980 Meter langen Bahn zu erklimmen. „Ein Rad war schwerläufig“, sagt der Schausteller. Eine Rücklaufsperre – ebenfalls eine Sicherheitstechnik – verhinderte ein Zurückrollen der Gondel. Der Wagen blieb in über neun Metern Höhe stecken. In ihm saßen zwei Jugendliche. Vorlop schickte sofort zwei seiner Männer nach oben, um die Fahrgäste zu beruhigen. Für eine rasche Rettung rief der Schausteller die Feuerwehr. Die kam mit ihrer Drehleiter und konnte helfen.

Kein Notfall, viel Aufsehen

Ein Notfall war das allerdings nicht. Das bestätigte ein Sprecher der Feuerwehr Straubing auf Nachfrage unserer Zeitung. Viel mehr war die Rettung mit der Drehleiter leichter und schneller. Das Abseilen der Fahrgäste hätte viel länger gedauert. Der Einsatz sorgte dennoch in den sozialen Netzwerken für Aufsehen und Diskussionen.

Schausteller Lutz Vorlop kann das nicht verstehen. „Wir hatten die Situation im Griff.“ Die Sicherheit steht bei Vorlop an oberster Stelle. Im Jahr 2000 hat er seine Achterbahn für viel Geld komplett erneuern lassen. „Das ist eine hochmoderne Technik“, sagt er. Von der Sicherheit überzeugen sich jeden Morgen seine Mitarbeiter. Sie testen Spur, Radlager und Bremsanlage.

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Während die Fahrgeschäfte auf dem Gäubodenfest wieder abgebaut werden, ist Aufbauphase in anderen bayerischen Städten. In Regensburg beginnt am Freitagabend die Herbstdult. Generell überprüfen Mitarbeiter des Bauordnungsamtes an jedem Ort den Zustand der Fahrgeschäfte – auch in Regensburg. „Die Abnahme dauert pro Fahrgeschäft rund eine halbe Stunde“, sagt Stadtsprecherin Juliane von Roenna-Styra. Im Fokus der Prüfer sind zum Beispiel Bügel, Gurte und Rettungswege. Auch eine Probefahrt wird gemacht. Zudem ist der TÜV vor Ort. Ohne seinen Stempel dürfen die Fahrgeschäfte ohnehin nicht starten.

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