Kriminalität
Rechtsmedizinier analysiert Fall Baumer

Für die MZ hat sich Deutschlands bekanntester Pathologe die Todesumstände der Oberpfälzerin Maria Baumer angesehen. Er glaubt an ein Tötungsdelikt.

24.09.2013 | Stand 16.09.2023, 7:25 Uhr

Der Gerichtsmediziner Wolfgang Eisenmenger gilt als einer der profiliertesten auf seinem Gebiet in Deutschland. Auf seinem Sektionstisch lagen Prominente von Franz Josef Strauß bis Rudolph Moshammer. Foto: dpa

Dr. Wolfgang Eisenmenger gilt als einer der renommiertesten Rechtsmediziner in Deutschland. 40 Jahre lang sezierte er im Rechtsmedizinischen Institut in München Menschen, um ihre Todesursache zu klären. Er musste Antworten liefern für geschätzte 20 000 bis 30 000 Todesfälle. Auch Modezar Rudolph Moshammer, Volksschauspieler Walter Sedlmayer, der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß und Hitler-Stellvertreter Rudolph Heß lagen auf seinem Seziertisch. Mit der MZ hat der Rechtsmediziner über den Fall der 16 Monate vermissten Maria Baumer gesprochen, deren skelettierte Leiche am 8. September in einem Waldstück bei Bernhardswald gefunden wurde.

Herr Professor Eisenmenger: Haben Sie den Fall der vermissten Maria Baumer verfolgt?

Nur am Rande in den Medien. Ich kenne keine Details zu diesem Fall.

Die 26-jährige Frau war 16 Monate vermisst. Pilzsammler fanden vor zwei Wochen ihre skelettierte Leiche im Wald. Die Menschen rätseln, was passiert sein könnte. Als Rechtsmediziner wissen Sie, ob es überhaupt noch Antworten darauf geben kann.

Die Todesursache wird sich nur noch ermitteln lassen, wenn an den gefundenen Knochen oder Knorpeln Verletzungen oder Veränderungen sichtbar sind. Im Rahmen von toxikologischen Untersuchungen am Knochenmark könnte man allerdings möglicherweise auch noch nach über 15 Monaten eine Vergiftung nachweisen.

Ist es denn möglich, noch einen Todeszeitpunkt festzustellen und wenn ja, wie genau kann dieser bestimmt werden?

Ein genauer Todeszeitpunkt wird wohl nicht mehr feststellbar sein. So etwas ist in diesem Stadium der Verwesung außerordentlich schwierig. Es kann sein, dass unter der Leiche bestimmte Pflanzen im Wachstum reduziert sind, das kann zumindest Hinweise auf die Liegedauer geben. Wenn also die tote Frau später an diesen Platz gebracht wurde, dann kann man das erkennen.

Die Identität von Maria Baumer musste anhand eines DNA-Abgleichs geklärt werden. Der Verwesungsprozess ging ungewöhnlich schnell.

In der freien Natur ist das durchaus möglich. Durch Madenfraß und Tiere gehen solche Prozesse schneller. Da nicht das ganze Skelett gefunden wurde, ist auch möglich, dass Waldtiere Teile verschleppt haben. Füchse zum Beispiel. Sie können auch weitere Strecken zurückgelegt haben. Dann wird es für die Polizei schwer, sämtliche sterblichen Überreste zu finden.

Es gibt unbestätigte Informationen, wonach sich an den sterblichen Überresten der jungen Frau Löschkalk-Ablagerungen befunden haben. Was bewirkt Löschkalk?

Es ist bekannt, dass man bei Massengräbern Löschkalk zwischen die Leichen streute, damit eine schnellere Verwesung einsetzt. Es wäre möglich, dass auch in diesem Fall jemand genau dies bezwecken wollte. Das könnte wiederum auch den Zustand der Toten erklären.

Sie haben über 40 Jahre lang die Todesursachen von Menschen untersucht. Wie schätzen Sie den Fall Maria Baumer ein?

Ohne Näheres über die Umstände zu wissen, deutet doch einiges auf ein Tötungsdelikt hin. Sie war eine junge Frau, ein natürliches Ableben wäre deshalb extrem ungewöhnlich, wenn sie nicht an einer schweren Krankheit gelitten hat. Ein Leichnam an einer abgelegenen Stelle im Wald spricht auch nicht für einen Unglücksfall. An so einen Ort geht man, wenn man sich das Leben nehmen und nicht gefunden werden will. Aber da die junge Frau ja als lebenslustig galt, und sich – wie ich aus den Medien weiß – in verschiedenen Ämtern engagierte, erscheint mir auch das eher abwegig. Ein Mensch, der 15 Monate scheinbar grundlos verschwindet und dessen sterbliche Überreste dann mit Löschkalkanhaftungen in einem Waldstück aufgefunden werden – da ist es schon angebracht, gründlich nach einem Täter zu suchen.