Widerstand
Die Pfingstschlacht von Wackersdorf

Vor 30 Jahren, im Mai 1986, eskalierten die Auseinandersetzungen auf dem Baugelände der WAA. Die Entwicklungen im Überblick.

17.05.2016 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr
Jedes Wochenende demonstrierten die Menschen am Bauzaun. −Foto: dpa

Die Anfänge: Franz Josef Strauß demonstriert seine Macht

Am 3. Dezember 1980erklärte der damalige Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU)vor dem Landtag die Bereitschaft der bayerischen Staatsregierung zu prüfen, ob ein geeigneter Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage in Bayern vorhanden sei. Zuvor hatte Niedersachsen erklärt, dass der Standort Gorleben nicht durchsetzbar sei. Im Landkreis Schwandorf tauchten erste Gerüchte auf, wonach in Wackersdorf eine WAA errichtet werden solle. Am 9. Oktober gründet sich in Schwandorf die erste Bürgerinitiative gegen das Projekt.

Der Wackersdorfer Gemeinderat sagt Ja zur WAA

Über 15 000 Teilnehmer protestieren 1982 gegen das Raumordnungsverfahren für die WAA.Im Juni stimmt der Wackersdorfer Gemeinderat unter bestimmten Auflagen für eine Errichtung im Gemeindegebiet.

Der Widerstand formiert sich – weit über die Region hinaus

Der erste Erörterungstermin mit über 53 000 Einwendungen findet im Februar 1984 in Neunburg vorm Wald statt. Nach drei Tagen verlassen die WAA-Gegner unter Protest den Saal. Das Umweltministerium erteilt die erste Teilerrichtungsgenehmigung. Am 4. Februar 1985 entscheidet sich die DWK endgültig für den Standort Wackersdorf. Nur zwei Wochen später kommen knapp 40 000 Menschen zur bis dahin größten Umweltdemonstration der Bundesrepublik auf den Schwandorfer Marktplatz. Am 11. Dezember rücken die ersten Bagger im Taxöldener Forst an.

In unserer Bildergalerie zeigen wir Eindrücke des Widerstandes:

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Das erste Hüttendorf entsteht auf dem WAA-Gelände

Im Dezember 1985 errichten Demonstranten ein Hüttendorf auf dem WAA-Gelände. Etwa 1000 Menschen übernachten bei klirrender Kälte. Zwei Tage später wird beim bis dahin größten Polizeieinsatz Bayerns das Gelände von 3700 Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamten geräumt. 300 Personen werden vorübergehend festgenommen. Bereits am 21. Dezember steht das zweite Hüttendorf. Die Bewohner rufen die „Freie Republik Wackerland“ aus.

„Die Geschichte der WAA ist Teil der Identität des Landkreises Schwandorf“, kommentiert MZ-Redakteur Roland Thäder:

Auf Tschernobyl folgen die Pfingstkrawalle in Wackersdorf

Am 26. April 1986 sorgen Meldungen vom Atom-GAU im sowjetischen Reaktor von Tschernobyl für Angst und Schrecken. Ein breiter Widerstand gegen die WAA entsteht. An Pfingsten demonstrieren 50 000 Menschen am Bauzaun. Bei den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Atomkraftgegnern gibt es 400 Verletzte.

So berichteten wir in einem Rückblick 2006 über die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Wackersdorf.

Das WAAhnsinns-Festival sprengt Rekorde

Herbert Grönemeyer, Wolf Maahn, Rio Reiser, BAP, Udo Lindenberg, Die Toten Hosen: Das „5. Anti-WAAhnsinns-Festival“ lockt am 26./27. Juni 1986 rund 100 000 Menschen nach Burglengenfeld. Das „zweite Woodstock“ geht als eines der größten Open-Airs der Bundesrepublik in die Geschichte ein.

Das erste Todesopfer am Bauzaun

Am 7. September fordern die Auseinandersetzungen um die WAA das erste Todesopfer. Ein Polizist stirbt, als ein Triebwagen mit einem auf den Schienen gelandeten Hubschrauber kollidiert.

Wie die Proteste die Oberpfalz verändert haben, lesen Sie hier.

Der Verwaltungsgerichtshof beschäftigt sich mit der WAA

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hebt 1987 die erste Teilgenehmigung auf. Der WAA-Bau geht dennoch weiter. Im Januar 1988 erklärt der VGH den Bebauungsplan des Landratsamtes für nichtig. Aufgrund von Einzelbaugenehmigungen wird weitergebaut. Der zweite Erörterungstermin im Juli 1988 wird nach wenigen Stunden abgebrochen.

In unserer Bildergalerie zeigen wir Impressionen der Ausstellung „WAA - drei Buchstaben, zwei Meinungen“ im Schwandorfer Rathaus:

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Das überraschende Aus für die WAA Wackersdorf

Am 12. Mai 1989 gibt die DWK bekannt: „Die Erfolgsaussichten für die WAA sind gering.“ Am 31. Mai stoppen die Motoren der Baustellenmaschinen, die DWK lässt das große Eisentor am Haupteingang der WAA symbolisch schließen. Das rund zehn Millionen Mark teure Projekt ist endgültig gestoppt. Am 6. Juni unterzeichnen Deutschland und Frankreich die Verträge über eine gemeinsame Wiederaufbereitungsanlage in La Hague/Normandie.

Die Entwicklungen um die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf sehen Sie hier in der Chronologie:

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