Kriminalität
Hoher Preis für billige Hunde

Das illegale Geschäft mit Hundewelpen treibt große und schmutzige Blüten. Und es ist ähnlich organisiert wie Drogenhandel.

09.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:35 Uhr

Gerettete Welpen in einer Transportkiste im Tierheim Nürnberg. In der Nacht zum Sonntag hatte die Polizei auf der A3 in Mittelfranken einen illegalen Welpentransport mit 42 Hunden gestoppt. Foto: dpa

Sie liegen da wie aufeinandergestapelt. 42 Fellknäuel, die atmen, aneinandergedrängt in fünf schwarzen, dreckverkrusteten Plastikboxen, ohne Wasser, ohne Futter. Es ist Sonntagnacht, 3 Uhr, als Polizisten an der Autobahn A3 bei Erlangen dieses Bild sehen. Sie haben gerade ein Auto mit tschechischem Kennzeichen angehalten. Die Boxen mit den Hunden stehen auf dem Rücksitz und im Kofferraum. 42 Welpen, Labradore, Beagle, Möpse, Bordeaux-Doggen. Die jüngsten sind vier Wochen alt, sie müssten bei ihrer Mutter sein.

Der Fall hat am Wochenende Menschen in ganz Bayern bewegt. Und er hat ein Schlaglicht auf ein Geschäft geworfen, das sehr große und sehr schmutzige Blüten treibt: den illegalen Handel mit Hundewelpen. Allein in Bayern haben die Behörden zwischen Anfang 2015 und Ende 2016 600 illegal eingeführte Welpen registriert. Fünf Welpen pro Woche. Die Dunkelziffer, vermuten Experten, dürfte enorm sein. Die 42 bei Erlangen gefundenen Hunde kamen aus Tschechien. Das Auto, in dem sie eingepfercht waren, fuhr ein 59-jähriger Mann.

Welpen landen auch in der Region

Immer wieder landen Welpen in erbärmlichem Zustand in Tierheimen in der Region.So, wie am 10. Dezember 2015.Es ist halb fünf Uhr morgens, als bei Christine Hirschberger das Telefon klingelt. 47 Hundewelpen haben sie bei Bad Reichenhall gefunden, an der Grenze zu Österreich. Am Abend holt die Vize-Leiterin des Regensburger Tierheims zehn der Hunde ab. Die Tiere sind schwach, fiebrig, sie husten, haben Durchfall. Tierheim-Mitarbeiter halten die Hunde in Quaräntene, päppeln sie wochenlang auf.

Die Hunde, die am Sonntag bei Erlangen gerettet wurden, sind im Tierheim Nürnberg untergekommen. Zweien geht es so schlecht, dass sie in der Tierklinik sind. Fast alle, heißt es aus dem Tierheim, haben Durchfall, manche entzündete Ohren, Ausfluss aus Augen und Nasen, manche sind von Parasiten befallen. Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass Welpen aus einem illegalen Transport in Nürnberg landen. 2016 ist es acht Mal passiert.

Der illegale Handel mit den Welpen floriert. Wer auf Online-Portalen wie E-Bay oder Quoka nach Hundewelpen sucht, findet dutzende Angebote, auch Welpen für wenige hundert Euro. Klickt man auf ein Inserat, ploppt ein Warnhinweis auf, mit Tipps dazu, wie illegale Händler zu erkennen sind.

Aber das reicht ganz offensichtlich nicht, um das Geschäft zu stoppen. Laut der Tierschutzorganisation „Eurogroup for Animals“ ist krimineller Tierhandel mittlerweile die drittgrößte illegale Einnahmequelle in Europa, nach Drogen- und Waffenhandel. Birgitt Thiesmann recherchiert zu dem Thema seit acht Jahren. Die Expertin der Tierschutz-Organisation „Vier Pfoten“ war bei Polizeirazzien in Hundefarmen, bei einem Prozess gegen einen Welpenhändler hat sie der Angeklagte einmal angegriffen, erzählt sie. Ihr Fazit ist eindeutig: Wer illegal gehandelte Welpen kauft, unterstützt organisierte Kriminalität. Thiesmann spricht von „Welpen-Mafia“.

Das Business, sagt Thiesmann, funktioniert über mehrere Stationen: Erstens gibt es die Hundefarmen in Mittel- und Osteuropa. „Vermehrer“ nennt Thiesmann die Menschen, die in Rumänien, Ungarn oder Tschechien Hunde wie Gebärmaschinen halten. Hunde, die Welpen auf die Welt bringen wie Fabrikware. Zweitens sind da die Transporteure. Menschen wie der Tierarzt aus Tschechien, den sie am Wochenende bei Erlangen erwischt haben. Thiesmann sagt, sie kenne den Mann. Sie habe ihn an den Fotos der Polizei erkannt, obwohl er selbst nicht zu sehen war. Diese schwarzen, versifften Plastikkisten, das sei wie ein Markenzeichen. Der Mann habe längst seine Zulassung verloren, er lebe von dem Geschäft mit den Tieren.

Wer oben sitzt, wird reich

Der Mann war wohl nach Belgien unterwegs. In Belgien, sagt Thiesmann, können Impfpässe legal umgeschrieben werden, das Land sei daher ein beliebter Umschlagplatz für die Haustiere. Die Transporteure bringen die Hunde zu Zwischenhändlern, die die Hunde verkaufen. Beim Welpenhandel sei es wie bei Drogen: Wer die Lieferkette kontrolliert, verdient am meisten.

Was gegen das schmutzige Geschäft zu tun ist? Die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung haben Kampagnen gestartet, informieren Verbraucher über Websites und über Soziale Medien. „Hundewelpen sind keine Schnäppchen-Ware, die man auf einem Parkplatz kauft“, erklärt die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf gegenüber unserem Medienhaus. Sie fordert härtere Strafen für Verkäufer und Transporteure. Das Landwirtschaftsministerium in Berlin verspricht mehr Einsatz auf EU-Ebene gegen den Welpenhandel, hält die bestehenden Gesetze aber für hart genug.

Der Opposition in Bayern reicht das Engagement der Staatsregierung nicht. Die CSU-Regierung müsse sich in Berlin für härtere Strafen einsetzen, sagt Benno Zierer, umweltpolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag. Momentan kämen Welpenhändler mit ein „bissl Bußgeld“ davon. Das schrecke keinen ab. Und seine Kollegin Rosi Steinberger von den Grünen fordert einen Notfall-Fonds der Staatsregierung für Tierheime, die gestrandete kranke Welpen aufpäppeln.

Die Kosten für die Versorgung sind enorm. Für die Welpen, die sie am Sonntag in Erlangen gefunden haben, könnten es mehr als 100 000 Euro werden, schätzt die Nürnberger Tierheim-Leiterin Tanja Schnabel. Immerhin: Wenn die Tiere einmal gesund sind, dann finden sie meist schnell ein neues Zuhause, sagt sie. Die Frage ist, ob alle 42 Welpen so lange überleben.

Wie geht das Tierheim mit illegalen Tiertransporten um?Einen Text von Heinz Klein dazu finden Sie hier.

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