Menschen
Kämpferin gegen den inneren Feind

Seit sie 15 ist, wehrt sich Daiana Kias gegen Myasthenie. Jetzt gründet sie eine Selbsthilfegruppe gegen die Muskelschwäche.

13.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr

Selten hat jemand so gut zum Hintergrundbild im Konferenzraum unserer Zeitung gepasst: Daiana Kias kämpft seit 13 Jahren erfolgreich gegen den Feind in ihrem eigenen Körper – gegen die Myasthenie, eine seltene und unheilbare Muskelschwäche. Jetzt gründet sie eine Selbsthilfegruppe.

Bei Daiana Kias gibt es keinen Schrank, der höher ist als ihre Hüfte. Sie weiß, dass sie morgen aufwachen kann und die Muskeln ihrer Arme ihr nicht mehr gehorchen. Wie schon so oft. Immer wenn sie einen Schub der „Myasthenia gravis“ hat, einer seltenen und unheilbaren Muskelschwäche, dann fährt ihr das in die Arme. Sie hat Schluckbeschwerden und Atemnot. Andere Patienten sitzen im Rollstuhl.

Deswegen nennen die Amerikaner dieses Leiden „Schneeflockenkrankheit“. Weil jede Schneeflocke anders ist und jeder Myasthenie-Patient die Auswirkungen anders erfährt. Auch deswegen ist die Leidenszeit bis zu einer richtigen Diagnose oft lang. Daran erinnert sich Daiana Kias (28) noch gut. Mit 15 Jahren hat es sie getroffen. Von heute auf Morgen. „Du siehst doppelt und dreifach, wie bei einem Vollrausch. Du kannst deine Arme nicht mehr heben und der Arzt sagt: Da ist nichts! Du denkst irgendwann selbst, du bist wahnsinnig.“

Das Heimtückische

Das ist das Heimtückische an dieser Krankheit. Man sieht sie nicht. Niemand, der die ehemalige Leistungsschwimmerin vor sich hat, würde eine Muskelschwäche bei ihr vermuten. Und bei vielen Untersuchungsmethoden ist tatsächlich nichts zu finden. Die Muskeln sind nämlich in Ordnung, aber die Übertragung der Nervenimpulse auf die Muskulatur ist gestört. Myasthenia gravis, wie die Wissenschaft die seltene Krankheit getauft hat, ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigene Gewebe. Das Immunsystem hällt irrtümlich eigene Gewebe für Fremdkörper und bekämpft es.

Die Auswirkungen sind gemein. „Ich habe Tage, an denen ich keine Kaffeetasse heben kann. Ich kann körperlich nichts arbeiten. Man macht sich hübsch und keiner merkt was. Oft nehmen dich die Leute als faul wahr“, erzählt Daiana Kias.

Die Vertriebsassistentin hat Glück im Unglück gehabt. In ihrer Arbeit begegnet man der Krankheit mit Verständnis. „Die glauben mir, wenn ich nach dem Treppensteigen plötzlich zehn Minuten Pause brauche. Das habe ich von anderen Patienten schon anders gehört“, sagt sie.

„Da bin ich glücklich!

Zwei Jahre hat es gedauert, bis bei ihr Myasthenie diagnostiziert wurde. Seit zwölf Jahren ist sie bei Prof. Berthold Schalke im Myasthenie-Zentrum des Bezirkskrankenhauses Regensburg in Behandlung. „Da bin ich glücklich. Der kennt sich absolut aus, schaut mich kurz an, ändert die Medikamentendosis, oder behält mich stationär“, erzählt Daiana Kias. Ein halbes Dutzend Mitpatienten hat sie dort kennengelernt. Jetzt will der Professor in Ruhestand gehen: „Nix da, haben wir gesagt. Wir wissen, wo sie wohnen und wir haben ihre Handynummer“, lacht die Chamerin. Aber ein wenig Ernst steckt doch dahinter: „Jeder, der Myasthenie hört, schickt dich zu Prof. Schalke!“

Doch Daiana Kias setzt auch auf Selbsthilfe, auf die Gründung einer Selbsthilfegruppe. Aktuell gibt es samt einer Logopädin bereits drei Mitglieder. Die Treffen sollen ab Herbst im Myasthenie-Zentrum des BKH Regensburg stattfinden. „Im Sommer leiden viele von uns unter der Hitze“, sagt Daiana Kias. Aber es hieße nicht Schneeflocken-Krankheit, wenn es bei ihr nicht anders wäre: „Mir geht es im Sommer immer gut. Ich bin ein Wärmekind. Dafür knicken mir bei Kälte im Winter die Beine weg“, erzählt sie. Die ehemalige Leistungsschwimmerin hat gelernt zu kämpfen. Bis zum, letzten Anschlag am Beckenrand. Sie schwimmt auch heute noch gerne. „Jeder muss seine eigenen Grenzen kennenlernen und auch bis dahin gehen“, sagt sie und verrät die goldene Regel: „Wenn es dir gut geht, dann braucht dich die Gruppe. Wenn es dir schlecht geht, brauchst du sie.“

Sie ärgert sich über Verallgemeinerungen wie „Gehen Sie nicht in die Sauna und zum Wellness ...“ – „Das ist Quatsch. Jeder muss selber wissen, was ihm gut tut. Sonst könnte man sich ja gleich daheim einschließen und warten, bis es wieder los geht.“ Sie hat Verständnis für all, die die Krankheit nicht verstehen: „Ich verstehe sie ja selber nicht. Wie sollte ich auch. Ich stehe morgens auf, habe dieselben Medikamente genommen und kann trotzdem die Arme nicht heben ...“ Auch für solche Momente wünscht sie sich die Selbsthilfegruppe.

Kontakt für die Selbsthilfegruppe:DaianaK@gmx.de

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