Bühne
Aufs Entschiedenste unentschieden

Konventionen und Tabubrüche: Ariane Erdelt segelt im Statt-Theater unter lila Flagge auf konservativem Kurs.

09.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr
Peter Geiger

Ariane Erdelt spielt im Statt-Theater höchst ironisch mit Konventionen und Tabubrüchen. Foto: Peter Geiger

Angesichts der Ankündigung einer „One Woman Show“, die noch dazu „Ganz Frau“ überschrieben ist, da erwartet der Besucher – und die Besucherin ganz bestimmt noch viel mehr! – doch eigentlich einen Lehrvortrag über das Wesen des Femininen in seiner intensivsten Ausprägung. Also einen im entschiedenen Dozentinnen-Ton vermittelten Frontbericht darüber, wie Frau sich erfolgreich behaupten kann und vermag, in einer noch immer ziemlich bösen, weil von Männern dominierten Welt.

Wenn Ariane Erdelt aber schüchtern wie ein Eichhörnchen ihr handtuchbemänteltes Köpfchen durch den Bühnenvorhang im Statt-Theater schiebt, um sogleich ganz unsicher ins Publikum hineinzufragen, ob sie zu spät sei? Und ob man ihr nicht etwa aushelfen könne, mit einem Diffuser-aufsatz für ihren Fön (natürlich kann man nicht!) – und sich dann auch noch wiederholt verhaspelt, bei der Kombinationskaskade von „desillusionierend“ und „Dessous“, dann ist schon klar: Da badet und suhlt eine Frau in den besten Jahren in genau jener Weibchen-Klischee-Soße, die von allen aufrechten Feministinnen dieser Welt als „bäh!“ und „igitt!“ verschmäht wird.

Ob das der Grund war, dass nach der Pause die Reihen ein wenig gelichtet waren? Da verweigerte sich doch tatsächlich jemand in ihrem Solo der Präsentation einer etwaigen Vielzahl von Männer-Skalpen. Ja, verliebt sei sie schon gewesen, in den 26 Ehejahren. Aber: Die Stimme der Vernunft („Die Kinder!“), sie sei stets lauter gewesen als die des Herzens. Und die der Vibrationen darunter liegender Regionen. Diese Morgenmantel tragende Lady, die bis zum Ende ihr flammend rotes Haar nicht aus dem Badetuch-Turban befreien wird (obwohl sie darin die Seele vermutet) und die sich mit ihrem mitgeschleppten Riesenkoffer aufs Entschiedenste zum Unentschieden-Sein bekennt, sie verfügt doch tatsächlich über die Chuzpe, unter der lila Flagge segelnd für konservative Werte zu schwärmen! Und für Gesichtsmasken.

Verteilt dementsprechend frohgemut im Publikum Packungen verschiedener Geschmacksrichtungen („Himbeer ist leider aus!“) und empfiehlt die Anwendung in Kombination mit frisch gehobelter Gurke! Aha. Wer jetzt glaubt, dieses zweifellos einem Souveränitätsmangel unterworfene Frauenzimmer, das uns Ariane Erdelt da – schauspielerisch übrigens höchst souverän und tänzerisch brillant – unterjubelt, sei nicht nur ihr Leitmotiv, sondern auch ihr Leitstern, der wiederum hat selbst schon die Hoheit über seine Sinne verloren. Und sich verführen lassen, in Richtung Holzweg.

Nein, was Ariane Erdelt da knapp zwei Stunden lang mit ihrem Solo „Ganz Frau“ vorführt, das ist ein alle Register bemühendes, ziemlich ehrliches und zugleich höchst ironisches Spiel mit Konventionen und Tabubrüchen, mit aufgebauschten Erwartungen und Maskeraden. Und subjektiven Erkenntnissen, die so nur im Lehrbuch der lebenslangen individuellen Glückssuche zu finden sind.

Noch bis einschließlich Samstag, 10. Februar, im Statt-Theater, Winklergasse