Interview
Bruno Ganz ist der neue Alm-Öhi

Charakterkopf Ganz ist der ruppig-liebe Opa im neuen „Heidi“-Film. Für den Schweizer Mythos hat er sogar Ziegen gemolken.

07.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:58 Uhr
Bruno Ganz ist kaum wiederzuerkennen hinter seinem weißen Rauschebart. In der Neuverfilmung des Johanna-Spyri-Klassikers „Heidi“ spielt er den Alm-Öhi. −Foto: Walter Wehner/ studiocanal

Bruno Ganz und „Heidi“, eine ganz besondere Liebe, so scheint es. Im Kinofilm von Alain Gsponer spielt der 74-Jährige den mürrischen, alten Großvater des elternlosen Mädchens. Wie er zunächst mit kompletter Abweisung auf das Kind reagiert, nur um Heidi im Laufe von wenigen Tagen dann doch in sein Herz zu schließen, ist unbedingt sehenswert. Für Ganz war es gar keine Frage, ob er in dem Film mitspielen sollte. „Ich bin Schweizer, und ich muss das machen“, sagte dervielfach preisgekrönte Schauspielerim Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Sie sind ein Alm-Öhi wie man ihn sich besser kaum wünschen könnte. Woran liegt es, dass Sie sich in Ihrer Rolle so wohlgefühlt haben?

Das ist eine Schweizer Sache, wir sind so. Das war nicht so schwer. Wahrscheinlich, weil ich auch von Kind an diese Sache kenne. Ich habe das Gefühl, jeder Schweizer meiner Generation hat irgendwie zwischen 10 und 20 irgendwas mit Heidi zu tun gehabt. (...) Der Name Heidi ist überall. Wenn man nach Chur fährt mit dem Zug, da ist Bad Ragaz links, da weiß man, da ist Mayenfeld, und da ist Heidi-Land. Und das ist auch die Werbung der Schweizer Tourismus-Industrie. Man hat immer mit Heidi zu tun, man kommt einfach nicht drumherum. Erstaunlich ist nur, dass das bei Jüngeren offensichtlich auch noch der Fall ist.

Sie haben auf 2000 Metern Höhe gedreht. Sie mussten melken, mit der Sense mähen und Holz hacken. War das anstrengend?

Das macht Spaß, dieses Handwerkszeug. Es ist ja schon der Weg. Da fährt man 800 Höhenmeter mit dem Jeep. Dann zu Fuß ein Pfad. (...) Da kapiert man schon so langsam, in welche Welt man da gerät. Und dann kommt man oben an, und wenn es geregnet hat, ertrinkt man im Matsch. Kaum tritt man vor die Hütte und macht fünf Schritte: Steilhang. (...) Man versteht sehr schnell, dass das anstrengend wird!

Sie melken in einer Szene eine Ziege, das sieht sehr professionell aus. Mussten Sie das lernen?

Ich hatte da nicht so große Probleme, weil ich halbwegs auf dem Land aufgewachsen bin und in meinem Ferien von meinen Eltern immer dorthin geschickt wurde, da die Verwandten Bauern waren. Als Stadtkind wird man zum Arbeiten angehalten dort und das ist nicht nur Kirschen pflücken. Dazu gehören auch Melken und diese Sachen. Ich konnte das.

Heidi wurde schon viele Male verfilmt, es gibt Mangas und Animationsserien fürs Fernsehen. Warum haben Sie sich entschlossen, die Rolle anzunehmen?

Der Hauptantrieb war der Fakt, dass ich Schweizer bin. Ich kann zu so etwas nicht „Nein“ sagen, das geht einfach nicht. Das ist ein nationaler Mythos, egal wie verformt. Das ist egal. (...) Ich bin Schweizer, und ich muss das machen.

Johanna Spyri hat die „Heidi“-Romane Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben, seitdem werden die Geschichten immer wieder erzählt. Was ist daran so zeitlos?

Das ist etwas, was nicht so stark an eine Generation gebunden ist: Einen Ort suchen im Leben, wo man wirklich gerne ist, wo man aufgehoben ist, wo man gern hingeht und wo man sich wohlfühlt.

Heidi genießt in den Bergen ein ungebundenes Leben. Gibt es das heute auch noch?

Das ist eine Freiheit, die nicht mehr viele Kinder auch nur von Ferne sehen können, mit diesen Ziegen, in diesen Bergen und mit diesem Jungen. Das ist eine romantische Art von Freiheitsgefühl, aber es ist ein Freiheitsgefühl. Ich glaube, das sind alles so Momente, die so schnell nicht vergehen werden. Das wird Menschen immer anziehen und interessieren.

Heidi schafft es durch ihre liebe Art und ihre kindliche Fröhlichkeit, den mürrischen Alm-Öhi für sich zu begeistern. Wie war es für Sie, das zu spielen?

Das ist eine schöne Geschichte, wie das Herz schmilzt von dem Alten. Aber auch wie Heidi das macht (...). Sie ist einfach immer gleichbleibend freundlich. Sagt immer „Großvater“ und guckt ihn an. Wenn er nicht will, gut dann nicht. Sie ist ohne Berechnung. Aber wie sie darauf wartet, was passiert, das ist herzzerreißend.

Der Trailer zur Neuverfilmung von „Heidi“, die am 10. Dezember in den Kinos startet: