Bühne
Das Theater befragt die Superreichen

Gesine Schmidt hat für das Theater Regensburg Millionäre interviewt. Ihr Stück „Vermögend“ hat am 18. Februar Uraufführung.

09.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr

Viel Geld, viel Herz: Der Düsseldorfer Millionär Roger Klüh, nach dem Weltrekord auf seinem Speedboot. Er ist einer der fünf Superreichen, die die Folie für ein neues Theaterstück in Regensburg liefern. Foto: Alejandro Ernesto/dpa

Roger Klüh ist reich, schwerreich. Hinter dem 52-Jährigen steht ein richtig großes Vermögen: die Klüh Service Management mit 50 000 Mitarbeitern. Der Vater baute den kleinen Reinigungsbetrieb der Familie zum weltweit agierenden Konzern aus, mit einem Umsatz von 770 Millionen Euro (2016). Das geschätzte Vermögen von Senior Josef Klüh (76) liegt irgendwo bei 300 Millionen Euro.

Roger Klüh hat also finanziell alle Möglichkeiten – aber eine richtige Aufgabe im Familienkonzern, die hat er nicht. Er will nicht in den Fußstapfen des Vaters marschieren, sondern eigene Wege gehen. Vielleicht fährt er auch deshalb Speedboot-Rennen. In seinem ferrariroten Apache Star gelang ihm 2015 die Strecke von Miami nach Kuba in 1:45 Stunden – Weltrekord! Gewidmet war der Rekord der Völkerverständigung. Sogar US-Präsident Barack Obama gratulierte.

In Saus und Braus

Der Millionär vom Rhein passt perfekt ins Klischee. Gesine Schmidt hat im Auftrag des Theaters Regensburg hinter die glitzernde Oberfläche seines rasanten Lebens geschaut. Ihr Befund: Roger Klüh hat nicht nur viel Geld, sondern auch viel Herz. In Gesprächen mit dem Sunnyboy, der stets schöne Frauen an seiner Seite hat, lernte sie einen Menschen kennen, dem Familie über alles geht.

Roger Klüh (gespielt von Stefan Schießleder) ist einer von fünf Superreichen, denen die Theaterautorin auf die Pelle rückte. In ihren ausführlichen Interviews kam sie den Wohlhabenden sehr nahe. Die Aussagen montierte sie zu Textflächen, den Stoff verwob sie zu einem Theaterstück. „Vermögend“ hat am 18. Februar im Theater am Haidplatz seine Uraufführung, inszeniert von Mia Constantine.

„Wir stellen uns die Reichen, auch vermittelt durch die Medien, als Menschen vor, die ein Leben in Saus und Braus führen, unter Palmen, an einem Pool“, sagt Stephanie Junge, Schauspielleiterin am Theater Regensburg. „Aber darum geht’s in dem Stück überhaupt nicht.“ Gesine Schmidt wollte vielmehr wissen, was Wohlhabende antreibt, was sie vom Leben möchten, welche Verantwortung sie spüren und welchen Beitrag für die Gesellschaft sie leisten. Die Autorin stieß auf überraschende Geschichten.

„Arrogante Pinsel“

Da ist Helga Breuninger (gespielt von Franziska Sörensen). Die promovierte Psychologin und Unternehmensberaterin hat mit dem Geld aus dem Stuttgarter Warenhauskonzern Stiftungen gegründet, im Fokus: Bildung und Existenzgründer fördern, bei Unternehmensnachfolge beraten.

Da ist Peter Pohlmann (gespielt von Michael Heuberger). Der Gründer der Poco-Möbelhäuser, 2017 vom Manager Magazin auf Platz 253 der reichsten Deutschen gesetzt, ist vielfach sozial tätig. Der Macher aus Ahlen sagte dem Handelsjournal im Interview: „Unternehmen ist eine Aufgabe. Kein Besitz.“ Seine Erfahrung: „Menschen, die sich ihren Reichtum verdient haben, sind meist sehr nette, sympathische Leute. Aber die, die alles nur geerbt haben, sind manchmal arrogante Pinsel.“

Da ist Rainer Voss (gespielt von Michael Haake). Der „Master of the Universe“ aus Frankfurt war Hauptfigur in der gleichnamigen preisgekrönten Kino-Doku von 2013. Der frühere Investmentbanker erzählte im Film, wie man in den Kathedralen des Kapitals Geld gewinnt – und sein Leben verliert.

Und da ist eine Erbin, die im Regensburger Stück ohne Klarname bleibt (gespielt von Silke Heise). Das viele Geld, das ihr als 18-Jährige in den Schoß fällt, lähmt sie zunächst. Es macht ihr Angst. Sie findet es ungerecht, ohne eigene Leistung so reich zu sein.

Über Geld spricht man nicht. Ein Vorstoß, reiche Regensburger für das Stück zu interviewen, versackte. Die Autorin telefonierte sich durch eine längere Liste interessanter Namen und holte sich Körbe. Dann schaute sie sich bundesweit nach Gesprächspartnern um. „Inzwischen sind wir froh über diese Entwicklung“, sagt Stephanie Junge, die die Idee zum Stück mit Schmidt entwickelt hatte. Die Zuschauer bleiben nicht an der Frage kleben, welche Regensburger Millionäre hier verkörpert werden, und können sich auf die Inhalte konzentrieren.

Unter dem Lack des Luxus

So unterschiedlich das Herkommen und die Hintergründe der fünf Superreichen sind: „Alle fünf vermitteln Dynamik und Energie“, sagt Regisseurin Mia Constantine. „Vermögend“ kratzt am Lack vom luxuriösen Leben und findet viele Fragen. Ist es in Ordnung, dass einige Wohlhabende entscheiden, was gut für die Gesellschaft ist? Oder braucht es mehr Mitbestimmung über die Verwendung großer Vermögen? Und: Wie sinnvoll gehe ich selbst mit meinen begrenzen Mitteln um?

Mia Constantine bringt die Protagonisten an einem Ort zusammen, der an eine BayWa-Halle erinnert (Bühne und Kostüme: Monika Frenz). In dem Transitraum, an dem Hilfsgüter verteilt werden, lässt sie die Fünf arbeiten und ihre filigranen Geschichten erzählen. „Haben und Tun“, „Wie man aus dieser Nummer aussteigt“ oder „Geld stinkt nicht“ sind einzelne Bilder übertitelt.

Geld bringt Publicity: Mit Roger Klüh schaffte es das Theater Regensburg im Januar sogar in die „Bild“-Zeitung. Der Düsseldorfer Speedboot-Pilot als Theaterfigur war dem Blatt eine Titelzeile wert: „Wer hätte das gedacht?“

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