Interview
„Deppen werden schlecht behandelt“

Redakteurin Heike Sigel sprach mit Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau über Gerechtigkeit und den Spaß am Set.

20.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:26 Uhr

Sonntagszeitungsredakteurin Heike Sigl traf Helmfried von Lüttichau (links) und Christian Tramitz in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Foto: Sigl

Christian Tramitz (61) und Helmfried von Lüttichau (60) wirken fast wie ein altes Ehepaar. Nicht nur, dass sich die beiden schon aus Schülertagen, also ewig, kennen, nein – beim Interviewtermin mit der Mittelbayerischen Sonntagszeitung in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft fallen sie sich auch noch ständig ins Wort. Fakt ist: Die beiden sind ein super Team, privat und als Polizisten-Tandem Hubert und Staller.

In der Serie „Hubert und Staller“ führen Sie das eine oder andere Mal doch recht hölzerne Männergespräche, in denen das wirkliche Anliegen oft gar nicht direkt aufs Tablett kommt. Sprechen Männer wirklich so miteinander?

Christian Tramitz: Ich glaube schon. Frauen sind viel direkter, Männer sind, wenn’s um richtige Gefühle und Beziehungen geht, ja eher schüchtern. Frauen hauen da viel mehr raus…

Helmfried von Lüttichau: Genau. Und deshalb führen wir in einer der neuen Folgen auch ein richtig schüchternes Männergespräch am See.

Christian Tramitz: Die können halt wahnsinnig gut streiten, ich meine jetzt natürlich Hubert und Staller, aber richtig ernste Gespräche führen, das können sie eigentlich nicht so. Sobald es um persönliche Dinge geht, gibt es eher Hemmungen…

Helmfried von Lüttichau: …sie würden gerne, zwischen den Zeilen, aber es kommt oft nicht so rüber.

Können Sie, vor allem bei den Dialogen, noch Einfluss auf Ihre Rolle nehmen?

Christian Tramitz: Natürlich…

Helmfried von Lüttichau: …also was die Dialoge anbelangt: auf jeden Fall. Aber auf die ganze Struktur der Folge können wir keinen Einfluss mehr nehmen. Da werden wir eigentlich gar nicht einbezogen.

Christian Tramitz: Es gibt Szenen, in die wir eingreifen, und dann setzen wir uns hin und ändern das noch direkt am Set.

Trotzdem, so wurde mir zum Beispiel schon von Hannes Ringlstetter, er spielt den Yazid, und Annett Fleischer, die die Rolle der Polizeimeisterin Sonja Wirth übernimmt, erzählt, dass die Stimmung am Set immer ganz großartig sein soll.

Helmfried von Lüttichau: Das sagen wir halt nach außen (lacht herzlich).

Christian Tramitz: Die Stimmung ist wirklich gut. Es gibt aber Streits ganz genauso, Gott sei Dank. Wenn’s die nicht gäbe, dann würde etwas nicht stimmen. Aber vor allem mit Hannes, mit dem wir beide sehr eng befreundet sind, gibt’s nie Stress, das würde sowieso keiner ernst nehmen.

Helmfried von Lüttichau: Wir haben tatsächlich einen großen Spaß beim Drehen. Ich denke mir während der Drehtage echt jeden Morgen, wenn ich ins Auto steige, dass ich große Lust habe, zum Set zu fahren. Ich freue mich richtig darauf.

Christian Tramitz: Manchmal gibt’s schon so Massenszenen mit zwanzig Komparsen oder so, wo man sich denkt: ,Muss das jetzt sein?‘ Aber mit Hannes zum Beispiel, wenn wir drei zusammen sind, das ist einfach schön…

Helmfried von Lüttichau: …und macht Spaß.

Manchmal fragt man sich ja gerade bei den Szenen mit „Yazid“, ob das noch gespielt ist, oder ob Ihr zusammen wirklich so schräg drauf seid.

Christian Tramitz:(grinst) Da fließen ganz viele Sachen von uns mit ein. Auch viele Geschichten vom Hannes, der ja oft auf Tour ist, dort viel erlebt hat und der das alles als Yazid einfach auch so wiedergibt. Ich liebe ja die Yazid-Figur und find’s schade, dass er – für meinen Geschmack jedenfalls – in der Serie viel zu wenig vertreten ist.

Apropos Nebenrollen. Polizeimeisterin Sonja Wirth ist ja auch immer so die Unterschätzte. Eine schlaue Frau, die im Job aber nicht so weit kommt, wie sie eigentlich sollte.

Christian Tramitz: Sonja ist der Normalo in der Serie. Sie ist die Cleverste. Ihre Rolle ist unglaublich wichtig.

Helmfried von Lüttichau: Naja, und wenn sie jetzt mehr könnte als wir, dann wären wir ja weg (lacht). Insofern haben natürlich schon die Männer das Sagen.

Christian Tramitz: Deshalb gibt man ihr ja relativ wenig, sonst würde ja auffallen, dass sie cleverer ist als wir alle zusammen…

Helmfried von Lüttichau: …dann würde sie die Fälle lösen und wir würden in der Zentrale sitzen…

Christian Tramitz: …vom Intellekt her ist sie uns – in der Rolle zumindest – auf jeden Fall überlegen.

Die Serie Hubert und Staller entwickelt sich inzwischen zum Vorabend-Dauerbrenner. Auch die Einschaltquoten werden immer besser. Wie erklären Sie sich das?

Christian Tramitz: Wenn ich das wüsste, dann würde ich sofort eine neue Serie schreiben und damit reich werden. Es sind einfach ganz viele Dinge, die bei der Serie zusammenkommen.

Helmfried von Lüttichau: Ich denke, dass man uns diese Rollen einfach glaubt. Dass man nicht das Gefühl hat, dass sich da irgendwelche Leute vom Fernsehen was ausgedacht haben, und die gecasteten Schauspieler spielen das dann eigentlich ganz gut, sondern man identifiziert uns auch damit. Das ist vielleicht etwas, das es im normalen deutschen Fernsehen nicht so oft gibt.

Christian Tramitz: Hubert und Staller sind Figuren, die nicht am Reißbrett entstanden sind.

Der Produzent und Hauptautor der Serie, Oliver Mielke, hat mir erzählt, dass er Ihnen die Rolle quasi auf den Leib geschrieben hat, als er Sie beide einmal in einem Sketch zusammen spielen sah und total begeistert war.

Christian Tramitz: Genau. Und so was hast du halt normalerweise nicht. Normalerweise gibt es ein Casting. Da schreiben mehrere Autoren eine Szene und dann wird getestet, wer am besten draufpasst und der wird dann genommen. Bei uns war’s umgekehrt. Die haben uns irgendwann zusammen am Set gesehen und gesagt: ,Eigentlich müsste man für die beiden eine eigene Serie schreiben.’ Und so war’s dann auch. Das ist sozusagen der umgekehrte Weg…

Helmfried von Lüttichau: …und auf diesen Weg hatten wir auch sehr viel Einfluss. Die Serie ist in Zusammenarbeit mit uns über viele Jahre entstanden. Und wurde dann einfach zu etwas, das letztendlich wirklich glaubwürdig ist. Und dann ist da natürlich unsere Art, unvorhersehbare Dialoge abzuliefern. Kein Zuschauer kann vorher erahnen, was wir in der jeweiligen Situation reden. Wir versuchen Standards möglichst zu vermeiden und in einem Gespräch lieber auch einmal zu einem Thema abzudriften, das nicht unbedingt zum Krimi gehört. Ganz normale Alltagsgespräche eigentlich.

Ist es für einen Schauspieler vom Image her eher positiv oder negativ, Star einer Vorabendserie zu sein?

Christian Tramitz: Da darf man sich nicht täuschen. Eigentlich ist der Vorabend die wichtigste Zeit, denn da wird die Werbung verkauft. Um 20.15 Uhr kann alles funktionieren, das ist ja keine Kunst…

Helmfried von Lüttichau: … um 20.15 Uhr lief Hubert und Staller auch schon und hat funktioniert. Die Folgen sind sehr gut gelaufen. Außerdem: Wer schaut heute noch lineares Fernsehen? Man kann sich ja heute alles in der Mediathek anschauen, wann immer man will.

In der Serie, und explizit bei Hubert und Staller, herrscht ein ganz eigentümlicher Gerechtigkeitsbegriff vor. Oft werden die eher kleinen Fische ja geschont. Deckt sich diese ganz eigene Auffassung von Gerechtigkeit auch mit Ihrer persönlichen Meinung?

Christian Tramitz: Diese Anarchie ist latent ja bei beiden, Franz Hubert und Johannes Staller, vorhanden. Dass man sagt: Die hat’s verdient – und der ist ein Arsch, den behandeln wir schlecht. Das ist auch ein ,Hubert-und-Staller-Phänomen’, diese Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, je nach Sichtweise.

Helmfried von Lüttichau: Das persönliche Gerechtigkeitsempfinden spielt da eine große Rolle und geht in der polizeimäßigen Routine nicht unter. Da entscheiden wir in der Rolle schon, was wir jetzt als gerecht oder ungerecht empfinden…

Christian Tramitz: Deppen werden schlecht behandelt, sagen wir’s mal so. Frauen werden immer gut behandelt von ihm (deutet auf Helmfried von Lüttichau, Anm.d.Red.), immer! Egal, ob sie jemanden umgebracht haben oder nicht. Aber das ist genau richtig, dass Hubert und Staller da ihre eigenen Grundsätze haben…

Helmfried von Lüttichau: …und wenn das für die Zuschauer nachvollziehbar ist, dann ist das natürlich super. Und ja, meistens deckt sich das auch mit unserer privaten Einstellung. Selbst wenn’s anders im Drehbuch steht und uns das nicht gefällt, dann sagen wir: ,Ne, des machma anders.’

Herr Tramitz, Sie haben vier, teileweise schon erwachsene, Kinder…

Christian Tramitz: …ja, und die kommen auch immer wieder gerne zu Besuch.

…würden Sie denen zum Schauspielerberuf raten?

Christian Tramitz: Nein. Denn wenn Sie mal ausrechnen, wie viel Prozent der deutschen Schauspieler von dem Beruf leben können, dann sind das unglaublich wenige.

Helmfried von Lüttichau: Von daher haben wir mit ,Hubert und Staller’ tatsächlich den sprichwörtlichen Sechser im Lotto gezogen.

Christian Tramitz: Auf dem freien Markt als Schauspieler zu überleben, nur mit Drehen, ist sehr schwierig.

Die siebte Staffel wird ja gerade gedreht. Bereits in der ab jetzt gezeigten sechsten Staffel kehrt Monika Gruber in die Serie zurück. Verraten Sie uns, wie sich ihre Rolle entwickelt?

Christian Tramitz: In den ersten Staffeln spielte sie ja die Lokaljournalistin im Revier. In der sechsten Staffel kommt sie zurück und übernimmt, so viel kann ich verraten, das Café und die Bäckerei Rattlinger…

Helmfried von Lüttichau: …der Journalistenberuf an sich gibt ja nicht so viel her (lacht) …

Christian Tramitz: …filmisch, meint er, filmisch. Das Handfestere, was die Moni jetzt macht, Brotbacken…

Helmfried von Lüttichau: …Kaffee kochen…

Christian Tramitz: …das macht die Moni auch super.

Und sie bleibt auch?

Christian Tramitz: Ich hoffe, sie bleibt.

Helmfried von Lüttichau: Bis jetzt haben wir noch keine gegenteilige Nachricht. Aber über die siebte Staffel wissen wir ja noch gar nichts (setzt sein treuherziges Staller-Lächeln auf, Anm.d.Red.) …

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat.Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Sie in unserem Aboshop.