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Nüchterner Blick auf Kaisers Liebchen

Marita A. Panzer befreit Barbara Blombergs Leben von romantisierenden Ausschmückungen – und bettet es in Zeitgeschichte ein.

05.04.2017 | Stand 16.09.2023, 6:39 Uhr
Gerhard Dietel Dr.Dr.

Hat Barbara Blomberg (um 1527-1597) so ausgesehen? Wir wissen es nicht. Das Porträt aus Schloss Ambras in Innsbruck wird meist Philippine Welser (1527-1580) zugeschrieben. Historikerin Maike Vogt-Lüerssen will die Frau aber als Barbara Blomberg identifiziert haben. Foto: MZ-Archiv

Eine weibliche Schönheit nach dem Ideal des 16. Jahrhunderts ziert das Titelbild: Goldblonde Flechten umrahmen ein edles, halb sinnendes, halb sinnliches Antlitz, das Kleid in Blau- und Brauntönen ist mit Rüschen gesäumt und zeigt ein verführerisches Dekolleté. So könnte man sich Barbara Blomberg vorstellen, um die es in dieser soeben erschienenen, von der Historikerin Marita A. Panzer verfassten Monographie im Rahmen der bei Pustet veröffentlichten Reihe „Kleine bayerische Biografien“ geht. Doch es ist eine anonyme Frauengestalt, die den Betrachter anzublicken scheint: Von der historischen Figur Barbara Blombergs hat sich kein eindeutig zuordenbares Gemälde erhalten.

Wir besitzen also kein unumstritten authentisches Porträt, und auch ein genaues Geburtsjahr – 1526 oder 1527? – fehlt uns. Blomberg, Blombergh (wie sie selbst später unterzeichnete), Plumberger oder Blumberger: auch die Schreibweise des Familiennamens ist schwankend. Wie denn die historische Überlieferung über Barbara mehr Lücken als gesichertes Wissen aufweist. Wie kam es dazu, dass die Regensburger Gürtlerstochter von der Öffentlichkeit unbemerkt zur Geliebten von Kaiser Karl V. werden konnte, als dieser sich im Jahre 1546 auf dem Regensburger Reichstag aufhielt? Und wo wurde der diesem Verhältnis entstammende Don Juan d’Austria, der spätere Held der Seeschlacht von Lepanto, eigentlich geboren?

Was hat man nicht alles erdichtet!

Der Fragen ist kein Ende, Antworten bleiben trotz intensiver Forschungen spärlich. Darum ist das Leben der „Bürgerstochter, Kaisergeliebten und Heldenmutter“, wie es im Untertitel der Neuveröffentlichung prägnant heißt, in der Vergangenheit immer wieder mit frei erfundenen Details und Charakterzügen ausgestattet worden. Eine Biographie, die ohnehin märchenhafte Züge aufwies, reizte zu weiterer Ausschmückung. Die Belletristik hat sich mehrfach des Stoffs angenommen, angefangen bei Christiane Benedikte Naubert, die 1790 in Leipzig eine romanhafte Biografie Barbaras verfasste.

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Was hat man nicht alles erdichtet! Barbara Blomberg verwandelte sich in eine „überaus schöne Zuckerbäckerin und Limonadehändlerin“, erhielt eine vornehme Abstammung oder einen Offizier als Vater zugeschrieben. Freie Fantasie ersann die Mär, es habe sie als früh mutterlos gewordenes Kind in ein kastilisches Kloster verschlagen, von wo sie erst auf abenteuerlichen Fahrten nach Regensburg gelangt sei. Andernorts wird die Geschichte ausgesponnen, die bereits schwangere Barbara Blomberg sei ihrem Liebhaber ins Heerlager gefolgt, habe sich dort in Männerkleidung eingeschlichen und hätte den am Fieber darniederliegenden Kaiser höchstpersönlich gepflegt.

Marita A. Panzer, bekannt als Autorin zahlreicher historischer Biografien, zumal von Frauen wie Agnes Bernauer, Lena Christ und Lola Montez, steht solcher Legendenbildung fern. Sie zitiert genüsslich die Mären der anderen, wirft selbst jedoch den nüchternen Blick auf ein auch ohne romantisierende Hinzutaten ungewöhnliches Frauenleben. Die offensichtlichen biographischen Lücken geht sie mit Zurückhaltung an, manche Alternative vorsichtig erwägend, Wahrscheinlichkeiten überprüfend, aber im Zweifelsfalle doch immer mit dem klaren Bekenntnis „Wir wissen es nicht“.

Der Charakter entzieht sich

Alles, was die bisherige Quellenforschung ermittelt hat, kommt in Marita Panzers Barbara-Blomberg-Porträt zur Sprache. Und das heißt, dass wir vor allem in geschäftlichen, rechtlichen und finanziellen Aspekten gut informiert sind. Bis ins absurde Detail genau führt die Autorin etwa das Nachlass-Inventar von Barbara Blomberg auf, die seit 1577 auf Drängen von Karls Sohn Philipp in Spanien lebte und dort 1597 starb.

Aber der Charakter der dahinterstehenden Person entzieht sich unserem Zugriff. Wie ging die Mutter Barbara Blomberg damit um, dass man ihr den Knaben Hieronymus („Juan“) wegnahm, um ihn bei Pflegeeltern erziehen zu lassen? Wie gerne oder wie gezwungen ließ sie sich mit dem kaiserlichen Beamten Hieronymus Kegel verheiraten, mit dem sie drei weitere Kinder hatte? Wie kam sie damit zurecht, dass diese Kinder noch vor ihr starben, und auch ihr „Heldensohn“ Don Juan, dem sie später nur noch ein einziges Mal begegnen sollte?

Wir wissen es nicht, denn Tagebücher zu führen und Erlebnisse oder gar Gefühle festzuhalten, war noch nicht Brauch. Verdienstvoll ist es aber, dass in diesem Blomberg-Band der Hintergrund deutlich wird, vor dem sich dieses Einzelschicksal abspielte. Vom Haupttext abgesetzt, erfährt der Leser in eigenen, grau unterlegten Kästen Wissenswertes zur Zeitgeschichte sowie den Lebensbedingungen, Sitten und Bräuchen des 16. Jahrhunderts. Gerade dies verleiht Barbara Blombergs Porträt Konturen und macht die Lektüre dieser „Kleinen bayerischen Biografie“ besonders lohnend.

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