Kino
Unabhängige Frau ohne Fehl und Tadel

Ein Porträt über die „Mutter des Buddhismus“ läuft im Regina-Kino. Auch in Regensburg hat Hannah Nydahl missioniert.

23.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr
Michael Scheiner

Hannah Nydahl Foto: hannah.wfilm.de

Über das Erbe der 68er wird viel diskutiert und zum Teil heftig gestritten. Heuer werden Rückblicke, Bestandsaufnahmen, Verklärungen und mehr oder weniger ernste Auseinandersetzungen sicher deutlich zunehmen. Ein Aspekt, der sich schnurgerade bis zu den Hippies, zur Apo und den Sinnsuchenden im Drogenrausch zurückverfolgen lässt, ist jetzt mit dem Biopic über Hannah Nydahl in die Kinos gekommen. Der Film „Hannah – ein buddhistischer Weg zur Freiheit“ läuft bis 29. Januar im Regina-Kino.

Die „Mutter des Buddhismus“, wie die Dänin auch genannt wird, hat als Übersetzerin und Lehrende maßgeblich zur Entwicklung und Verbreitung des tibetischen Buddhismus in der westlichen Welt beigetragen. Mit ihrem Mann Ole Nydahl ist sie dem damals berühmten Hippie-Trail über den Iran, das noch weltoffenere Afghanistan und Indien bis ins ferne Nepal gefolgt. Im Unterschied zu anderen, die krank, enttäuscht oder drogenabhängig zurückkamen, ist das Paar auf der Suche nach geistiger Freiheit geblieben.

Eine Begegnung mit dem 16. Karmapa, dem Oberhaupt der tibetischen Buddhisten in seinem Exil in Sikkim, wird zum Ausgangspunkt einer jahrzehntelangen, erfolgreichen Missionsgeschichte. Hannah und Ole werden die ersten westlichen Schüler des Karmapa und von ihm nach Jahren des Lernens losgeschickt, im Westen buddhistische Zentren zu gründen. Das tun sie erst in den Niederlanden, Deutschland und Österreich. Es folgen Polen, immer mehr westliche Länder, Südamerika, wo sie einmal von Rebellen entführt werden und nur knapp dem Tod entgehen, Osteuropa und Australien. Mehr als 500 Zentren gründen die Nydahls weltweit, eines 1979 in Regensburg. 1980 wird es von Ole Nydahl eingeweiht. In den Folgejahren kommen die Nydahls häufig nach Regensburg, um Vorträge und Lectures zu halten. Geworben wird mit dem Konterfei und dem Namen des Mannes, von Hannah ist nie die Rede.

Der in fünfjähriger Produktionszeit entstandene Dokumentarfilm zeichnet anhand von Archivmaterial, Fotos und Off-Kommentaren den aufreibenden Weg des Paars durch die Welt und zu sich selbst nach. Zahlreiche Interviews von Freunden, Schülern und Lehrern lassen das Bild einer unermüdlich aktiven, dabei gelassenen und immer freundlichen Frau entstehenden, die nie an ihrer Aufgabe zweifelte. Neben der tiefen Liebe zu ihrem Mann, widmet sie dieser Aufgabe ihr ganzes Leben bis zu ihrem Krebstod 2007.

Im Film, wie in der anschließenden Diskussion im Regina-Kino mit Regisseurin Marta György-Kessler, ist das am häufigsten verwendete Attribut, um Hannah zu charakterisieren, die Bezeichnung „unabhängig“. Auf Nachfragen von Zuschauern, was sie denn unter „unabhängig“ verstehe, unterstreicht die Filmemacherin die „völlige geistige Freiheit“ dieser „starken Frau“.

Entstanden ist das berührende Porträt einer Frau, die Großartiges geleistet hat und sich dabei vollkommen zurückgenommen zu haben scheint. Am Ende dieser gut erzählten Lebensgeschichte, die gleichzeitig eine Paargeschichte und die Geschichte des westlichen Buddhismus ist, wirkt Hannah wie eine Heilige, ohne Fehl und Tadel. Das ist vielleicht die einzige Schwäche des Films: Dass er nicht dem Umstand nachgegangen ist, warum sie als Frau eine Lamini, also ein weiblicher Lama, werden konnte, aber zu Lebzeiten nie als tragende Persönlichkeit der Nach-68er öffentlich aufgetaucht ist.

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