Kunst
Wenn die Natur zum Schauplatz wird

Die Regensburger Galerie Madesta zeigt Künstler, die versuchen, der Schöpfung auf die Spur zu kommen.

09.06.2016 | Stand 12.10.2023, 10:21 Uhr
Helmut Hein

Sudi Khonssari zeigt ihre Arbeit „Arvo Pärt. Foto: altrofoto.de

Themenausstellungen können riskant und heikel sein. Aber was Andrea Madesta in ihrer Galerie da unter dem Titel „Schauplatz Natur“ zusammengestellt hat, ist einfach nur großartig. Vier Künstler – zwei Männer, zwei Frauen –, die sich hervorragend ergänzen, gerade weil sie alle ihren eigenen Ansatz haben.

Man geht zuerst in den hinteren, rechten Raum – und ist begeistert. Die Bilder leuchten, die Frau, die sie gemacht hat, auch. Sudi Khonssari ist Perserin. Als Kind ist sie aus dem düsteren Reich der Ajatollahs geflohen, zu Fuß, durch die weite Wüste, nach Pakistan. Seit langem lebt sie jetzt schon in München, für sie die schönste Stadt. Die große Arbeit, vor der wir als erstes stehen, heißt „Arvo Pärt“. Wie der baltische Komponist, den sie hört, während sie malt. Dieses Bild ähnelt der Musik, die es in gewisser Weise hervorgebracht hat. Es ist intensiv und, ja, inbrünstig. Aber ohne allen Kitsch und Pomp, zugleich religiös und reduziert. Ihren Stil nennt sie selbst abstrakt-expressionistisch und post-minimalistisch. So kann man es sehen. Aber Bezeichnungen sind nicht so wichtig. Die Natur – vor allem die sich immer wiederholenden Sonnenauf- und untergänge, die weiten Horizonte – wird sichtbar, obwohl sie in der Erfahrung und Neu-Schöpfung der Künstlerin fast verschwindet.

Sudi Khonssari hat viele Jahre bei Sean Scully studiert

Das ist überhaupt ein stummes, manchmal auch schreiendes Thema dieser Ausstellung: die erste und die zweite Natur, der blasphemische Akt, die Hybris, wenn Künstler sich anmaßen, das Werk des Herrn mimetisch zu wiederholen und vielleicht sogar zu überbieten. Man kann, wenn man diese ästhetische Pracht sieht, verstehen, wie es zum Bilderverbot kam.

Sudi Khonssari hat viele Jahre bei Sean Scully studiert, Giuseppi Donnaloia ist der Schüler und Assistent von Markus Lüpertz. Er ist Atheist. Vielleicht, weil er im Dienst des Künstlerfürsten erfahren hat, was es bedeutet, einen Herrn zu haben. Wie bei Sudi Khonssari ist auch sein Zugang zur Natur abstrahierend. Aber wo man bei ihr noch in der Klarheit und Einfachheit der Formen die Sinnlichkeit spürt, ist Donnaloia analytisch streng. Die Sinne trügen, also sollte man vielleicht mehr den mathematischen Strukturen vertrauen.

Die Natur erscheint noch unruhiger

Verglichen mit solcher bewussten Zurückhaltung oder Andacht ist der Österreicher Markus Orsini-Rosenberg ein wilder Hund. Ein wenig kokett sagt er: „Weil ich nicht malen kann, muss ich soviel tun, damit man das nicht bemerkt.“ Dabei kann er malen. Und obendrein, wenn es nicht zu paradox ist, sogar noch mit der Spachtel zeichnen. Für ihn heißt Natur vor allem: Gestrüpp; etwas, was sich immer weiter verdichtet, bis man sich, wenn man nicht aufpasst, in ihm verfängt.

Eine Gestrüpp-Künstlerin ganz eigener Art ist auch Gisela Krohn, die man von ihrer Ausstellung bei ArtAffair kennt. Bei Madesta kann man jetzt Varianten ihrer blutenden Wälder sehen, nur dass die Natur jetzt noch unruhiger scheint.

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