Kochschule
Das Huhn Marengo und seine Krönung

Der Gockel, den Thomas Kellermann zubereitet, tritt bäuerlich und elegant zugleich auf. Ohne seine delikaten Garnituren wäre er lang nicht so beliebt.

29.11.2014 | Stand 12.10.2023, 10:03 Uhr
Angelika Sauerer
Das Schmorhuhn Marengo geht auf Napoléon zurück und schmeckt einerseits handfest, mediterran und tomatig. Andererseits schmückt es sich mit den noblen Aromen von Garnelen und Wachteleiern. −Foto: Sabine Franzl

Eine berühmte Schlacht, ein Pferd und ein Hühnereintopf sind nach einem kleinen Ort im italienischen Piemont benannt: Marengo ist ein Ortsteil von Alessandria und liegt zwischen Mailand, Turin und Genua. Dort kämpften am 14. Juni 1800 die Franzosen unter Napoléon Bonaparte gegen die Österreicher. Frankreich gewann die Schlacht und der kleine General bekam einen Bärenhunger. Eine Version der Legende besagt, dass ihm die Wirtin des ortsansässigen Gasthauses aus den gerade vorhandenen Zutaten – Huhn, Brühe, Brot und Eier – einen Eintopf zubereitete. Nach einer anderen Version war es Napoléons Koch, der mit einem Sammelsurium an zufälligen Zutaten, wahrscheinlich waren auch Schwammerl dabei, seinen Chef bekochte. In Siegerlaune taufte der stolze Korse das Gericht Huhn Marengo und beehrte gleich auch noch sein Pferd mit diesem Namen.

Typisch für die französische Küche ist das Verfeinern: Bald umschmeichelten Tomaten und Wein die Hühnerteile. Und als Krönung adelten Krebsfleisch und Garnelen den ansonsten recht einfachen Eintopf. Der legendäre Meisterkoch Georges Auguste Escoffier (1846-1935) empfahl sogar Trüffel als Beigabe.

Küchenschlacht Marengo

„Trüffel kann ich mir sehr gut zum Huhn Marengo vorstellen“, sagt auch Thomas Kellermann. Der Küchenchef auf der Burg Wernberg hat übrigens als Lehrling auch einen Kampf unter der Überschrift „Marengo“ ausgefochten – eine richtige, kleine Küchenschlacht: Er sollte den Klassiker im zweiten Lehrjahr in einer Prüfung zubereiten. „Das ging nicht gut aus. Ich sollte in einer Stunde fertig sein.“ Sportliche Vorgabe für ein Gericht, das allein schon eine Stunde im Ofen schmoren sollte.

Kellermann hatte also noch ein Hühnchen mit dem französischen Klassiker zu rupfen. Und diesmal gelang der Gockel bestens. „Ich bin richtig überrascht, wie gut das geworden ist“, sagt der Sternekoch, der ja eigentlich kein Eintopf-Fan ist. „Es schmeckt frisch, mediterran, schön nach Tomaten.“ Sogar am zweiten Tag verliert das Schmorhuhn Marengo seine Klasse nicht, im Gegenteil: „Es wird fast noch besser.“ Auf frische Garnelen sollte man aber auf keinen Fall verzichten. Sie sorgen für den feinen Schliff.

Das Schmorhuhn

Bevor das Huhn zerteilt wird, muss man sich entscheiden: Wer sich mit der einfachen und bequemen Variante begnügt, lässt die Knochen an den Hähnchenteilen. Man entfernt sie dann erst beim Essen. Für die gehobenere Version werden die Keulen und Brüste noch roh ausgelöst. Die Knochen und Gerippe wandern aber auf keinen Fall in den Müll, sondern schmoren mit, denn sie verleihen der Sauce das volle Aroma.

Nun in einem Schmortopf 150 g Butter zerlassen und die mit Salz und weißem Pfeffer gewürzten Hähnchenteile in Butter und Sonnenblumenöl von allen Seiten bräunen. Herausnehmen und 250 g gewürfelte Schalotten und 50 g angedrückten Knoblauch dazugeben und ebenfalls bräunen. 25 g Tomatenmark einrühren und leicht anrösten. Dann mit 35 g Mehl stäuben und Farbe annehmen lassen. Mit 100 g Cognac ablöschen. Bis auf die beiden Brüste alle Hühnerteile (und die Knochen, falls sie ausgelöst wurden) in den Topf geben und mit 300 g Weißwein und einem Liter Hühnerfond, ersatzweise Wasser, auffüllen. Aufkochen und mit Backpapier abgedeckt im Ofen bei 160 Grad Celsius 20 Minuten schmoren lassen.

In der Zwischenzeit die Champignons putzen und halbieren. Ein Kilo Tomaten überbrühen, häuten, entkernen und grob würfeln. Champignons und Tomatenstücke sowie die beiden Hühnerbrüste in den Schmortopf geben und weitere 40 Minuten im Backofen schmoren lassen. Die Hühnerknochen, sofern sie extra mitgekocht wurden, nun herausnehmen. Brust, Keule und Flügel gegebenenfalls teilen und warm halten.

Die Garnitur mit Garnelen

Der Clou an dem ansonsten recht unkomplizierten Schmorgericht ist die Garnitur. Klassischerweise sind das Flusskrebse. Thomas Kellermann hat es mit Garnelen ausprobiert und findet: „Das ist super. Die Garnelen geben dem Huhn einen richtigen Kick.“ Dafür lässt man Öl heiß werden, gibt eine angedrückte Knoblauchzehe, einen Rosmarinzweig und 200-300 g mit Salz und weißem Pfeffer gewürzte Garnelen dazu. Sie braten kurz und scharf an, bevor man sie aus der Pfanne nimmt. Jetzt etwas Olivenöl nachgeben und darin die Weißbrotwürfel goldgelb ausbacken. Man kann das Weißbrot dafür in einfache Würfel schneiden, aber auch in Rauten, Dreiecke oder andere Formen. Alles mit Blattpetersilie bestreuen und über das fertig geschmorte Huhn geben.

Garnitur mit Eiern

In Öl frittierte Eier schmücken als zweite Garnitur das Schmorhuhn Marengo. Thomas Kellermann verwendet dafür Wachteleier. Sie werden ganz vorsichtig in eine Tasse geschlagen. Das Eiweiß muss dabei unbedingt unversehrt bleiben. Dann lässt man die Eier einzeln zum kurzen Frittieren ins heiße Öl gleiten. Mit Salz und Pfeffer gewürzt bilden sie den krönenden Abschluss auf dem herzhaften Eintopf.