Genuss
Ein Gläschen in Regensburgs Weingärten

Guten Wein gibt es nicht nur bei den Griechen oder den großen Weinanbaugebieten in aller Welt – sondern auch in Regensburg.

20.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr
Kerstin Hafner

Je nach Sorte erfolgt der Austrieb des Weins Mitte/Ende April. Foto: dpa

Eine 400 Jahre alte Weinpresse ist das Herzstück des Baierwein-Museums in Bach an der Donau. Sie steht in einem über 600 Jahre alten Presshaus. Einen Maschinenpark gibt es nicht. Die 850 Rebstöcke im angrenzenden Weinberg, in dem das Museum seinen Hauswein erzeugt, der an Besucher ausgeschenkt wird, werden in mühevoller Handarbeit gepflegt. Verantwortlich dafür zeichnen Prof. Dieter Strauch, ein ehemaliger Professor für theoretische Physik, der seit zwölf Jahren im Ruhestand und seit fünf Jahren Vorsitzender des ‚Fördervereins Baierwein-Museum‘ ist und einige Mitglieder dieses Vereins. Ihre Arbeit steht stellvertretend für alle Weinbauern im kleinsten Weinanbaugebiet Bayerns mit der kürzesten Weinstraße Deutschlands, die von Regensburg-Winzer bis Wörth-Tiefenthal reicht. Auf knapp fünf Hektar Fläche erzeugen zwei Dutzend Hobby-Winzer und einige wenige Weingüter, die Handel treiben, ihre lokale Spezialität, den ‚Regensburger Landwein‘.

18 Jahrhunderte ununterbrochene Weinbautradition

„Häufig lohnt sich nicht einmal die Anschaffung eines Traktors, denn viele Winzer besitzen ähnlich große Flächen wie unser Baierwein-Museum, nur 0,2 Hektar“, verrät Strauch. „Ich glaube, nur drei von 30 Winzern haben einen Bulldog.“ Von Weinbergen kann man da eigentlich nicht sprechen, eher von Weingärten. Dabei blickt das Gebiet an der Donau auf stolze 18 Jahrhunderte ununterbrochene Weinbautradition zurück, auch wenn es am historischen Tiefpunkt nur noch über 0,5 Hektar Anbaufläche verfügte und der Wein damals so sauer war, dass er von Spöttern als Essig- oder gar Mörtelgrundlage verschrien wurde.

„Östlich der Tegernheimer Schlucht herrscht Granitgestein vor, in Franken Kalk- und Sandstein.“Prof. Dieter Strauch

Heute wird neben Müller-Thurgau (64 Prozent) eine Vielzahl Rebsorten angebaut. „Sortenreiner Ausbau ist charakteristisch für unsere Region“, erklärt Strauch. „In Frankreich machen sie gerne Cuvées, deutsche Weine zeichnen sich durch ihre Vielfältigkeit aus.“ Dabei sei der Baierwein „schlanker“ als seine Brüder aus Franken. Das liege am Terroir, der Prägung des Weins durch Lage und Grundlage des Weinbergs/Anbaugebiets. „Östlich der Tegernheimer Schlucht herrscht Granitgestein vor, in Franken Kalk- und Sandstein“, merkt der Professor an. „Poröse Gesteine sind durch Wurzeln leichter aufzuschließen als Granit, die Rebe transportiert mehr Mineralien in die Trauben, das macht den Wein wuchtiger.“ Strauch ist Weinliebhaber und nur über diese Vorliebe überhaupt zum Hobbywinzer geworden. „Während meiner Professur hatte ich dazu keine Zeit. Als ich in Pension ging, habe ich in der MZ gelesen, dass der Verein Baierwein-Museumshelfer sucht, und habe mich daraufhin gemeldet.“ Der agile 77-Jährige grinst: „Der damalige Vorstand hatte einen rechten Spaß daran, den Leuten zu erzählen, dass sich sein Verein einen Professor als Hilfsarbeiter leisten kann.“

Heute ist Strauch Chef einer kleinen Truppe, die sich während der Vegetationszeit in unterschiedlicher Besetzung fast jedes Wochenende zu Arbeiten im Weinberg trifft. Das Arbeitsjahr eines Winzers beginnt mit dem ersten Rebschnitt im März, im April steht Pflanzenschutz und Milbenbekämpfung an. Bioweinbauern wie die Dietls aus Tiefenthal spritzen ausschließlich Mittel wie Schwefel, Kupfer und Bittersalz gegen echten und falschen Mehltau sowie Stiellähme. Gegen Schädlinge werden mancherorts erfolgreich Raubmilben eingesetzt. Überwiegend wird Regensburger Landwein jedoch konventionell angebaut.

Wenn es uns erwischt, hoffen wir einfach, dass die Beiaugenneben den erfrorenen Trieben austreiben, dann verzögert sich die Ernte halt um einen Monat.“Prof. Dieter Strauch

Je nach Sorte erfolgt der Austrieb Mitte/Ende April. Strauch beobachtet, dass sich diese Phase generell nach vorne verlagert, weil es – bedingt durch den Klimawandel – nun oft schon früh im Jahr sehr warm ist. Deswegen sind späte Fröste jetzt umso gefährlicher. Allerdings verneint Strauch die Frage, ob sich hiesige Winzer zunehmend gegen Spätfröste versichern. Winzer anderer deutscher Gebiete treibt es nämlich verstärkt zu den Versicherern. „Das lohnt sich nur bei großen Betrieben. Die Prämien können sich kleine Weinbauern nicht leisten. Und auch nicht die Gegenmaßnahmen, die sonst noch ergriffen werden: Helikopterflüge, Windräder, Frostschutzberegnung oder Heizvorrichtungen. Ich weiß von ein paar Leuten, die Paraffinkerzen aufstellen. Wenn es uns erwischt, hoffen wir einfach, dass die Beiaugen(Nebentriebe, Anm. d. Red.)neben den erfrorenen Trieben austreiben, dann verzögert sich die Ernte halt um einen Monat.“

Im Mai beginnt man mit der Triebkorrektur, die Triebe werden aufrecht gebunden. „Die müssen wie die Soldaten nebeneinander stehen.“ Laubarbeiten bestimmen den Juni und Juli. „Wir schneiden die Trauben an der Ostseite von Blättern frei, damit sie möglichst früh Sonne bekommen und der nächtliche Tau schneller abtrocknet. Nässe begünstigt Mehltau. Auf der Westseite lassen wir das Blattwerk stehen, damit die heiße Nachmittagssonne die Beeren nicht verbrennt. Außerdem gewöhnen wir die Trauben möglichst früh im Jahr an direkte Sonneneinstrahlung, denn die Beeren können sich genau wie Menschen einen Sonnenbrand holen.“

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Werden Trauben durch Hagel beschädigt, durch Wespen angenagt oder von Vögeln angepickt, bluten sie aus und faulen. Der Saft verklebt die anderen Beeren, deswegen müssen die Trauben geputzt werden. „Wir pflücken die kaputten Beeren mit pinzettenähnlichen Haken aus den Trauben. Das ist ein Heidenaufwand, aber es lohnt sich, wenn man gute Qualität ernten will.“ Im Baierwein-Museum dürfen Besucher sowohl im Weinberg als auch beim Pressen der Trauben mithelfen, gerade Kinder haben dabei ihren Spaß. Die erste Lese (für den Federweißen) findet Mitte September statt, die Hauptlese je nach Reifegrad, Säuregrad oder Wetter bis Ende Oktober. Danach werden die Trauben gerebelt, die Maische gepresst, der Most mit Hefe vermischt und in Fässer gefüllt. Im Gärkeller wird der Wein mehrmals umgefüllt, um den Trub abzutrennen. Zu Ostern ist er fertig.

Helfer, die eine besondere Leidenschaft für den Wein haben

Strauchs Helfer kommen bis aus München, ganz einfach, weil es ihnen Spaß macht. Josefine Urban, deren Großvater das Areal einst gehörte, sagt: „Ich bekomme bei dieser Arbeit einfach den Kopf frei.“ Maria Hansen aus Köfering erklärt, sie würde niemals einen Supermarkt-Wein für 2,50 Euro kaufen. Wenn man weiß, welche Arbeit in so einer Flasche drinsteckt, schätzt man Wein einfach mehr.“ Reinhard Eberl hat nebenbei auch noch 30 eigene Rebstöcke zu versorgen. Er mag den Zusammenhalt zwischen den Hobbywinzern. „Da teilen sich 15 Leute ein Pfund Hefe und kaufen auch den Schwefel gemeinsam, weil niemand die Mengen alleine aufbraucht, die im Handel angeboten werden.“

Viele Weinstuben haben ihren eigenen kleinen Weingarten und die meisten Hobbywinzer eine eingeschworene Stammkundschaft. „Weil Gäste der Stadt die lokale Spezialität gerne kosten, würden einige Hotels diesen Hobbywinzern ihre ganze Ernte abkaufen, aber das macht eigentlich keiner, dafür hängt man zu sehr an diesem arbeitsintensiven Produkt.“ Der Ertrag ist je nach Rebsorte sehr unterschiedlich. Während zum Beispiel der Dornfelder riesige, dicht mit Beeren gepackte Trauben ausbildet, ist die Rieslingtraube nur halb so groß, lockerer und die Beeren kleiner. Im Schnitt rechnet ein Winzer mit einem knappen oder guten Kilo Trauben pro Rebstock. Das Baierwein-Museum kommt in normalen Jahren mit seinen 850 Rebstöcken an Keltertrauben auf knapp 1000 Liter Wein.

„Je nach Sorte reichen zwei bis drei Stunden unter -2°C, um Triebe absterben zu lassen.“Prof. Dieter Strauch

Und damit sind wir beim Stichwort: Während 2015 unter der Kategorie ‚normal‘ verbucht wurde, galt 2014 als bester Regensburger Jahrgang in letzter Zeit. Und für 2017 sieht es auch nicht schlecht aus. Nach dem zu warmen und zu feuchten Jahr 2016, das die Verbreitung von Mehltau begünstigte, sind die Winzer heuer mit der Witterung zufrieden. Obwohl einige Lagen durch die späten Fröste im April zehn bis 20 Prozent Einbußen verkraften müssen und zuletzt auch Hagel Trauben beschädigt hat (zum Beispiel in Tiefenthal), rechnen viele Weinbauern mit einer sehr guten Ernte – immer vorausgesetzt, das Wetter spielt weiter mit. Ende April zeigte das Thermometer mancherorts -8°C des Nachts. „Je nach Sorte reichen zwei bis drei Stunden unter -2°C, um Triebe absterben zu lassen“, weiß Strauch. Aber unsere Winzer hat es diesmal nicht so böse erwischt wie die Pfälzer und Rheinhessen.“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.