Spiele
Gemeinsam siegen und verlieren

Miteinander statt gegeneinander – das ist das Konzept von kooperativen Brettspielen. Langweilig wird es dabei sicher nicht.

23.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Louisa Knobloch

In „Die Legenden von Andor“ kämpfen die Spieler gegen böse Kreaturen wie Gors, Skrale und den Drachen Tarok. dpa

Die Situation ist ernst: In Lagos hat es einen Ausbruch gegeben. Die in der Region grassierende Seuche hat sich nun auch nach Khartum, Kinshasa und bis nach São Paulo ausgebreitet. Während der Arzt vor Ort verzweifelt darum kämpft, die Epidemie einzudämmen, bringt der Logistiker den Wissenschaftler nach Kairo. Hier gibt ihm die Forscherin die letzte Information weiter, die er benötigt, um ein Gegenmittel für die Krankheit zu finden. Nun muss der Wissenschaftler schnell weiter nach Atlanta, denn nur im dortigen Forschungszentrum kann das Heilmittel entwickelt werden…

Nicht weniger als die Rettung der Menschheit vor vier tödlichen Seuchen ist das Ziel beim Brettspiel „Pandemie“. Und das geht nur im Team: Die Spieler schlüpfen in die Rolle eines von fünf Spezialisten, deren verschiedene Fähigkeiten geschickt eingesetzt werden müssen. Gelingt es, Heilmittel für alle vier Seuchen zu finden, gewinnen die Spieler gemeinsam – kommt es dagegen im Spielverlauf zu mehr als acht Ausbrüchen oder breitet sich eine einzelne Seuche so stark aus, dass der Vorrat an Markern dieser Farbe zur Neige geht, haben die Spieler ebenfalls gemeinsam verloren.

„Scotland Yard“ als „Mutter aller kooperativen Spiele“

Seit Herbst 2015 ist „T.I.M.E. Stories“ auf dem Markt, für das Asmodee in Nürnberg ein neues Szenario vorstellt. Die Spieler reisen hier als Agenten der T.I.M.E. Agency in die Vergangenheit, um gemeinsam Gefahren für die Zeitlinie zu beseitigen. Bei „Mysterium“ schlüpfen die Spieler in die Rolle von Teilnehmern einer Séance und müssen einem Geist bei der Suche nach seinem Mörder helfen. „Mysterium kann man als Mischung aus dem Erzählspiel Dixit und dem Klassiker Cluedo beschreiben“, sagt Clemens Schnitzler von Asmodee.

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Ein ganz neues Phänomen sind die kooperativen Brettspiele aber nicht. „Der Trend ist schon länger zu beobachten und hält an“, sagtBernhard Löhlein, Sprecher der „Spiel des Jahres“-Jury. Als „Mutter aller kooperativen Spiele“ bezeichnet der Journalist „Scotland Yard“: Die Jagd auf Mister X mit U-Bahn, Bus und Taxi quer durch London war das Spiel des Jahres 1983 und ist bis heute beliebt. Streng genommen handle es sich um ein Zweier-Spiel, schränkt Löhlein ein. Denn die Ermittler agieren zwar gemeinsam im Team, spielen aber gegen den von einem weiteren Mitspieler verkörperten Mister X. Im Kinderspiel-Bereich habe zudem der Herder-Verlag in den 1970er und 1980er Jahren mehrere kooperative Spiele auf den Markt gebracht, von denen einige wie „Sauerbaum“ oder „Corsaro“ mit Preisen ausgezeichnet wurden.

Kooperative Spiele galten als nicht spannend genug

Allerdings gab es Vorbehalte gegen die kooperativen Spiele: Diese hätten zu wenig Spannung und seien nur etwas für jüngere Kinder, die nicht verlieren könnten. Tatsächlich sei es für Kinder oft angenehmer, gemeinsam zu verlieren oder zu gewinnen als alleine, sagt Löhlein. Bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass Koop-Spiele auch für Ältere spannend sein können, sollte es noch einige Jahre dauern.

Wil Wheaton und seine Gäste in der YouTube-Serie TableTop spielen „Schatten über Camelot“:

Der „Alpha-Player“ als Gefahr für den Spielspaß

„Schatten über Camelot“ wird inzwischen nicht mehr aufgelegt, hat aber zahlreiche Nachfolger gefunden – etwa„Die Legenden von Andor“, 2013 als Kennerspiel des Jahres ausgezeichnet. Nur durch gute Absprachen und Taktik gelingt es, das Legendenziel zu erreichen, bevor die knapp bemessene Zeit abgelaufen ist. „Hat man es dann geschafft, jubelt die ganze Gruppe – egal, wer den letzten Schritt dazu beigetragen hat“, sagt Bernhard Löhlein. „Das ist wie bei einem Fußballspiel.“

Eine mögliche Gefahr für das gemeinsame Spielvergnügen sieht der Journalist nur in „Alpha-Playern“, die das Spiel an sich reißen und den anderen sagen, was sie machen sollen. Das ließe sich aber durch einen cleveren Spielmechanismus umgehen, etwa bei „T.I.M.E. Stories“: „Da entscheidet jede Runde ein anderer, wo es hingeht.“

Promis spielen Brettspiele auf YouTube

Wil Wheaton und seine Gäste in der YouTube-Serie TableTop spielen „Pandemie“:

Insgesamt habe die Qualität, aber auch die Komplexität der Koop-Spiele über die Jahre deutlich zugenommen, findet Freese. Sie richteten sich an eine neue Generation, die bereits mit Autoren-Spielen aufgewachsen sei. Auch die Nerds aus der Serie „The Big Bang Theory“ spielen gerne Brettspiele. Und Gaststar Wil Wheaton (Wesley Crusher aus „Raumschiff Enterprise“) hat mit „TableTop“ sogar eine eigene YouTube-Serie, in der er Brettspiele vorstellt. Über „Pandemie“ sagt Wheaton darin, es sei intensiv, spannend und unglaublich schwierig. „Aber ich hatte mehr Spaß dabei, dieses Spiel zu verlieren, als viele andere zu gewinnen.“

Hier geht es zu weiterenGeschichten aus unserem Wochenend-Magazin „nr. sieben“.