Menschen

Fünf Frauen nehmen Regensburg mit Humor

Gemüsebäuerin Sabine Hauner spricht über ihren Mädelsbetrieb, schwierige Kunden, drei Heiratsanträge und Herbst-Erschöpfung.

14.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Die Frauen der Familie helfen am Kornmarkt-Stand zusammen: Chefin Sabine Hauner (Mitte) mit Mutter Josefa, Tochter Sara-Marie und den Schwestern Martina und Stefanie −Foto: altrofoto.de

In Gummistiefeln, mit altem Sweatshirt und Wintermütze kommt Sabine Hauner aus dem Tomaten-Gewächshaus. Mischlingshund Tomaso begleitet sie wie ein Schatten und knurrt jeden Besucher erst einmal an. Wegen der robusten Kleidung sieht man erst auf den zweiten Blick, wie zart die Gemüsebäuerin ist. Ihre Fingernägel sind dunkelrot lackiert. „Wir hatten am Samstag Besuch“, erklärt die 42-Jährige. „Unter dem Rot sieht man den Dreck nicht so. Den kriegen Sie nämlich mit Waschen nicht ab.“

Frau Hauner, heute Nacht gab es zum ersten Mal Frost. Sie räumen die Gewächshäuser auf. Freuen Sie sich auf den Winter?

Ja, sehr. Auch wenn es nur zwei ruhige Monate sind – Dezember und Januar. Im Frühjahr bin ich voll motiviert, ab Mitte des Jahres kann ich nicht mehr, jetzt im Herbst ist der Körper von der harten Feldarbeit ausgelaugt. Ich bin heute um 5.30 Uhr aufgestanden und gehe zwischen 23 und 1 Uhr ins Bett. Ich kann kein Gemüse mehr sehen. Und am Markt sollst du den ganzen Tag lachen. Es gibt aber Tage, an denen ich auch keine Leute mehr sehen kann.

Wann hatten Sie den letzten Urlaub?

Am ersten Oktober-Wochenende. Mein Mann und ich waren drei Tage in Kötzting. Ich habe den ganzen Tag auf der Liege gelegen und gelesen. Das ging nur, weil Samstag, der 3. Oktober, ein Feiertag war. An Mariä Himmelfahrt haben wir mit den Töchtern Urlaub in einem Baumhaus bei Augsburg gemacht. Da fiel der Markttag auch auf einen Feiertag. Aber nächstes Jahr sieht es nicht gut aus. Da ist kein Samstag ein Feiertag.

Früher sind Sie im Winter oft nach Australien geflogen, wo Verwandte leben.

Mein Onkel lebt in Australien. Ich war zwölfmal dort, zuletzt vor vier Jahren, mit Mann und Kindern. Das ist eine ganz andere Herzlichkeit dort. Sie lieben die Deutschen, weil die hart und zuverlässig arbeiten. Mein Mann Thomas und ich haben 2002 in Adelaide geheiratet. Nach seinem dritten Heiratsantrag und der Erfüllung meiner Bedingungen – die künftigen Kinder bekommen meinen Nachnamen, Hochzeit in Australien und anschließend nach Neuseeland – konnte ich nicht mehr aus (lacht). Ich hatte Angst davor, weil sich Bekannte nach der Hochzeit schnell getrennt hatten.

Sind Sie Hauptverdiener oder ihr Mann?

Mein Mann, er ist leitender Angestellter bei T-Systems, einem Tochterunternehmen der Telekom. Mein Steuerberater sagt immer zu mir: Sie machen sich mehr Arbeit als das Ganze wert ist. Unsere Gärtnerei ist ein reiner Frauenbetrieb. Ich bin die Organisatorin, Kummerkasten, Hausmeister (lacht). Ich arbeite den ganzen Tag im Betrieb, Mama unterstützt mich. Sie schwirrt immer mit herum und sagt, sie würde nie aufhören. Meine Schwestern Martina und Stefanie sind in anderen Berufen tätig, helfen aber. Meine Tochter Sara-Marie unterstützt uns auch.

Sie waren im Büro tätig. Warum haben Sie die Gärtnerei übernommen?

Ich will fortführen, was mein Vater aufgebaut hat. Ich gebe ihm das Gefühl, dass es weitergeht. Durch den Schlaganfall meines Vaters vor zehn Jahren musste die Entscheidung quasi über Nacht fallen. Es hieß: Vogel friss oder stirb. Ich bin zufriedener, wenn ich im Garten gearbeitet habe, weil ich sehe, was ich geschaffen und geschafft habe, zum Beispiel im Frühjahr Reihe für Reihe Tomatenpflanzen im Gewächshaus (zeigt am Smartphone Fotos vom Tomatenhaus und von selbstgezüchteten schwarzen Sorten). Von der Arbeit im Büro ist mir der Perfektionismus geblieben.

Sie verkaufen auf drei Märkten: am Kornmarkt, in Stadtamhof und in Regenstauf. Unterscheiden sich die Kunden?

Sie sind sehr unterschiedlich. Stadtamhof ist wie eine kleine Familie, genauso Regenstauf. Der Kornmarkt ist schwierig. Da sind mehr Laufkundschaften dabei. Ich kenne nicht alle.

Wie sind sie?

Es ist nicht einfach, es jedem recht zu machen. Mitgebrachte Stimmung, Stress und Wetter beeinflussen das. Im Herbst und Winter klagen sie, dass der Salat zu klein ist. Im Frühjahr wollen sie wissen, warum wir keine eigenen Auberginen haben. Der größte Teil der Kunden ist ganz lieb, aber einige sind sehr anstrengend. Sie verlangen zum Beispiel „krause Petersilie mit nicht so viel Krause“.

Haben Sie sich an den Standort Kornmarkt gewöhnt?

Ich war diejenige, die sich am meisten aufgeregt hat, als wir den Donaumarkt verlassen mussten. Heute sind wir sehr zufrieden, aber es kommen ganz andere Leute als am Donaumarkt. Sie kaufen kleiner ein: Einen halben Sellerie, drei Zwiebeln, ein Viertel Weißkraut, ein Pfund Kartoffeln. Deshalb habe ich das Sortiment umgestellt. Am Donaumarkt habe ich kistenweise Radi verkauft. Aber die Leute hier lieben Ausgefallenes. Die Stadtmenschen sind offener, sie probieren mehr aus. Meine vielen Tomatensorten, meine Wildkräuter, orangefarbenen Blumenkohl und lila Paprika.

Der Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung kommt Ihnen entgegen.

Ja, auch die jüngeren Leute kommen wieder zurück zum Gemüse, können wieder viel damit anfangen. Alte Produkte wie Steckrüben, weiße Rüben, Grünkohl sind zurück. Aber es stirbt auch etwas aus: Die Leute kaufen nicht so viel Kraut und Wirsing.

Sie bieten saisonale, regionale Ware, aber keine Bioprodukte.

Um biozertifiziert zu sein, müssen viele Kriterien eingehalten werden, die in einem kleinen Familienbetrieb nur schwer umzusetzen sind. Die anfallenden Kosten müssen auf die Produkte umgelegt werden. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir unsere Produkte auch ohne Bio-Zertifizierung mit großer Sorgfalt behandeln, schließlich verzehren wir sie auch selbst. Unsere Kinder essen unser Gemüse oft direkt vom Feld weg.

Die Kunden wünschen Eigenanbau, doch alles können Sie nicht selbst herstellen.

Zehn bis höchstens 20 Prozent kaufe ich zu. Den Rest erzeugen wir selbst.

Ihr Spezialgebiet?

Die 46 Tomatensorten, die ich anbaue, die Asia-Salate, das sind kleine Schnittsalate, und Wildkräuter. Ich spezialisiere mich, um mich etwas aus der Masse hervorzuheben.

Mischling Tomaso ist immer an Ihrer Seite. Was gibt er Ihnen?

Liebe und Dankbarkeit. A Viech ist ned hinterfotzig. Die merken, wenn es einem schlecht geht. Ich habe seit meinem vierten Lebensjahr Hunde und bin ein Tiernarr. Tomaso ist rumänisch. Wir haben ihn bei „Pflegepfoten“ im Internet gesehen. Die haben ihn gebracht und ich habe sämtliche Kosten für Impfung etc. übernommen. Wegen unserer drei Hunde haben wir auch keinen Hofladen, sondern verkaufen nur auf den Märkten. Hofkunden hätten Angst vor den Hunden.

Was ist Ihre Leidenschaft?

Wenn ich weg bin von daheim, setze ich mich in eine Ecke und lese. Zu Hause sehe ich überall Arbeit. Zurzeit stehe ich auf Charlotte Link. „Das Haus der Schwestern“ habe ich an unserem Urlaubswochenende im Oktober angefangen. 250 Seiten habe ich geschafft. Vorher habe ich Dean Koontz gelesen. Bei ihm hat mir das Mystische imponiert.

Wie kommen Sie sonst zur Ruhe?

Das Gute an körperlicher Arbeit und Schlafmangel: Ich kann überall und sofort schlafen, sogar beim Zwiebelstecken in der Sonne. Auch in der Disco bin ich vor Jahren eingenickt. Beim Autofahren muss ich aufpassen.

Sie wirken sehr schmal. Haben Sie überhaupt Muße zum Essen, wenn Sie von fünf Uhr früh bis 13 Uhr am Kornmarkt stehen?

Auf dem Markt esse ich den ganzen Vormittag nichts. Das wäre Stress. Du hast den Mund voll und schon kommt der nächste Kunde. Wenn Mama oder meine Schwestern nicht kochen würden, wäre ich zufrieden mit einem Stück Brot und Butter. Auf Süßes wie Nutella oder Cola kann ich auf keinen Fall verzichten. Das hat sich in all den Jahren nicht verändert.

URL: https://www.mittelbayerische.de/archiv/1/fuenf-frauen-nehmen-regensburg-mit-humor-11348060
© 2024 Mittelbayerische.de