Porträt

Die Philosophie des Fleischpapstes

Nach einer schweren Erkrankung ist Ludwig Maurer Profikoch, Wagyu-Züchter auf ökologischer Basis und Buchautor.

06.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Susanne Wolf

Ludwig Maurer Fotos: Thomas Pfeiffer/Volker Debus

Der „böhmische Wind“ pfeift durchs Tal. Ein Bach plätschert leise vor sich hin. Die Vögel gleiten durch die Luft und singen ihre Lieder. Auf einer Wiese grasen Schafe und Alpakas mit ihren Jungen. Hühner gackern, sie picken Gras und Körner. Rinder muhen. Eine graue Dogge kündigt kläffend die neuen Besucher des heutigen Koch-Events „Dry Aged Beef“ an. Auf diesem Hof in Schergengrub bei Rattenberg findet man ein unberührtes Stück Natur vor: Das Grundstück ist umgeben von Wiesen, Feldern und Wald, fernab von Schnellstraßen und dem Trubel der Großstadt. Circa eine Stunde von Regensburg entfernt liegt dieser restaurierte Hof. Auf dem Gebäude steht in großen Lettern „Stoi“. Daneben befindet sich ein Offenstall mit Wagyu-Rindern, nebenan sind Weiden. Im oberen Teil des Grundstücks steht ein großes, weißes Wohnhaus.

Hier ist Profikoch Ludwig „Lucki“ Maurer mit seiner Frau Stephanie zu Hause, der seine Gäste mit einem freundlichen „Servus“ und einem Handschlag am Eingang zum „Stoi“ empfängt. Bekannt ist Maurer den meisten wohl aus der Fernsehsendung „The Taste“, wo er bereits zweimal als Gastjuror die Kochkünste der Teilnehmer bewertet hat. Doch von seiner Bekanntheit lässt er sich nichts anmerken: Der rothaarige und -bärtige 36-Jährige trägt Jeans und ein Heavy-Metal-T-Shirt, er hat mehrere Piercings in beiden Ohren und einen Nasenring. Als er die Gäste in die Küche seiner erst 2016 fertiggestellten und eröffneten Eventlocation „Stoi“ führt, schallt Musik von Guns ’n’ Roses aus der Musikanlage. „Beim Kochen brauche ich gute Musik“, erzählt er. „Übrigens: Ich habe Karten für Guns ’n’ Roses in München ergattert“, freut er sich. Vor den Besuchern steht ein bodenständiger und zugleich lässiger Mann, der seine eigene kulinarische Philosophie lebt: Kochen mit rockiger Musik in den eigenen vier Wänden, die Zucht von Wagyu-Rindern auf ökologischer Basis für die Gourmet-Küche – und das alles in seiner Heimat. Mit dem „Stoi“ – der Name rührt daher, dass seine Frau früher immer gesagt habe, sie gehe runter in den „Stoi“ (bairisch für Stall) – und der Rinderzucht hat er sich seinen Traum erfüllt.

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„Das war Rock ’n’ Roll. Da waren zum Beispiel Caterings für die Toten Hosen und für Rammstein dabei.“Ludwig Maurer

Mit 15 Jahren tritt Maurer in die Fußstapfen seiner Eltern, die ein Gasthaus in Höllhöhe führen. Von 1996 bis 1999 lernt er Koch. „Damals war das noch so, dass man den Beruf seiner Eltern annimmt“, erzählt er. Es folgt eine Ausbildung zum Hotelfachmann, dann wird er staatlich geprüfter Küchenmeister. 2001 erkrankt er im Alter von 20 Jahren lebensgefährlich an Krebs. Ein Jahr später – nach acht Chemotherapien und mehreren Operationen – gilt er als fast geheilt und kommt zu Stefan Marquard, den er als seinen „kulinarischen Ziehvater“ bezeichnet. Erst hier entflammt die Liebe zu seinem Beruf. „Das war schon cool, mit Stefan Marquard Bands wie Metallica bei ihren Auftritten zu bekochen“, erzählt er. Mit Marquard ist er elf Jahre in ganz Deutschland sowie in der Schweiz, Dänemark, Ungarn, Griechenland, Schweden, der Türkei und Australien unterwegs, um das Event-Catering bei Großveranstaltungen zu übernehmen. „Das war Rock ’n’ Roll. Da waren zum Beispiel Caterings für die Toten Hosen und für Rammstein dabei.“ Diesen Lebensabschnitt beschreibt er als „eine sehr aufregende Zeit“, sagt aber auch, dass man „einiges wegstecken können“ müsse.

Im Video sehen Sie den Fleischpapst auf der weltweiten Suche nach dem perfekten Fleisch:

Irgendwann will Maurer sesshaft werden und „sein eigenes Ding machen“. Der Koch entschließt sich gemeinsam mit seiner Frau, mit der er schon seit 19 Jahren zusammen ist, dazu, den Hof seiner Großeltern mütterlicherseits zu übernehmen. „Sie hatten hier bis 1996 einen Milchviehbetrieb“, blickt er zurück. Danach wird der Hof als Weihnachtsbaumplantage bewirtschaftet, bis ihn Ludwig „Lucki“ Maurer erbt. Das Paar baut ein Wohnhaus. „Dann haben Steffi und ich gesagt: Jetzt müssen wir noch etwas mit dem Hof anfangen.“ 36 Hektar Grundfläche müssen schließlich bewirtschaftet werden.

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„Auch Kochen ist eine Form von Kunst. Damit alles perfekt wird, läuft in meiner Küche immer Musik. Bei mir ist es halt Heavy Metal und Rock.“Ludwig Maurer

„Meine Frau als gelernte Bankkauffrau und ich als gelernter Koch hatten von der Landwirtschaft so viel Ahnung wie eine Kuh vom Eierlegen“, erzählt Maurer. Dann kommt ihnen die „Top-Idee“: Lämmer. „Ein richtig gutes Lamm, das sich in der Gourmet-Küche etabliert, wäre cool“, berichtet er, „dann haben wir das Schergengruber Lamm als Marke erfunden und unseren Schafbock gekauft. Aber ,Hansi‘ war zeugungsunfähig“, sagt er lachend. Doch die beiden setzen ihre Idee weiter um. Durch Maurers Netzwerk als Koch finden die Lämmer reißenden Absatz. 120 bis 130 Tiere werden pro Jahr verkauft. „Am Ende des Jahres hatten wir netto nach Steuer 600 Euro Gewinn. Also waren wir wieder bei der gleichen Frage, was wir mit den 36 Hektar machen sollen und haben mehrere Ideen durchgespielt: Golfplatz, Ponyhof, Swingerclub, Marihuana-Plantage – falls es irgendwann legal werden sollte –, Tabak, Bärwurz, Meerrettich und vieles mehr“, sind die Pläne. „Irgendwas muss ja machbar sein. Aber das eine wäre nur halblegal gewesen, vom anderen hatten wir keine Ahnung“, erklärt Maurer die anfängliche Misere.

Die zündende Idee

Bei einer Messe in München kommt ihm 2005 beim Verzehr eines Wagyu-Burgers, für den er stolze 12,50 Euro für 50 Gramm Fleisch bezahlt, die zündende Idee: Wagyu-Rinder züchten. Denn: „Wagyu-Beef war zu diesem Zeitpunkt der absolute Trend. So, wie es jetzt im Moment die Veganer sind.“ Daheim angekommen sagt er zu seiner Frau: „In München auf der Messe waren lauter Verrückte. Die zahlen für ein Kilo Rindfleisch 250 Euro. Rinder züchten wir jetzt auch.“ Gesagt, getan: Die Flächen sind da, bald holt sich das Ehepaar Maurer die ersten Wagyu-Rinder. Als erste Kuh wird Maurer eine ohne Hörner und Papiere von einem Holländer angeboten. Schon bald läuft die Zucht an. Heute sind es rund 60 Tiere, von denen jedes einen Namen hat. „Was uns besonders macht, ist, dass wir europaweit die erste Wagyu-Zucht auf ökologischer Basis betrieben haben“, erklärt er seine Geschäftsidee. Und diese hat sich bis heute bewährt: Die Kälber wachsen bei ihren Müttern auf und werden sechs bis acht Monate gesäugt. Jeden Tag, an dem Maurer zu Hause und nicht mit seinem Catering-Unternehmen „Meating Point“ oder bei Kochkursen und -Shows in ganz Deutschland unterwegs ist, kümmert er sich liebevoll um seine Tiere.

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Züchter mit spezieller Philosophie

Die dunkelbraunen Rinder mit ihren eindrucksvollen Hörnern werden im Offenstall und auf Weiden gehalten. Das Gras, das nach der Mahd zu Heu oder Stroh getrocknet wird, baut Maurer selbst an. So garantiert der 36-Jährige eine artgerechte Haltung auf ökologischer Basis. Und sein Wagyu-Fleisch ist gefragt: „Erst vor Kurzem hat Tim Mälzer Wagyu bei mir gekauft“, erzählt er. Geschlachtet werden die Rinder erst nach ein paar Jahren, „wenn sie etwas vom Leben hatten.“ Das wird direkt auf dem Hof gemacht, damit die Tiere nicht gestresst sind und das Fleisch von guter Qualität ist.

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„Ich bin fast Vegetarier. Ab und an esse ich gerne mal ein Stück Fleisch, aber wenn man den ganzen Tag damit beschäftigt ist, kann man das irgendwann nicht mehr.“Ludwig Maurer

Seinen Beinamen „Fleischpapst“ – Maurer hat zwei Bücher über die Verarbeitung von Fleisch geschrieben – trägt er nicht umsonst: Zu seiner Ideologie gehört die ganzheitliche Verwertung eines Tiers, was auch der Untertitel seines zweiten Buchs „Rind Complete“ verrät: „From Nose to Tail“. Und genau das vermittelt er seinen heutigen Besuchern: Nach einer Führung über das Gelände präsentiert er in der „Stoi“-Küche die verschiedenen Fleischstücke und -schnitte. Wenn man in die Runde sieht, blickt man oft in fragende Gesichter: Was ist Skirt? Schon mal was von Flank-Steak gehört? Wahrscheinlich nicht, denn in den meisten Metzgertheken bekommt man nur die „normalen“ Stücke wie Roastbeef, Filet, T-Bone und Co. Doch bei der Kostprobe der unbekannten Stücke wird schnell klar, dass der rothaarige und gepiercte Profikoch mit einem Hang zu Heavy-Metal-Musik zu Recht „Fleischpapst“ genannt wird. Zum Schluss verrät Ludwig Maurer: „Ich bin fast Vegetarier. Ab und an esse ich gerne mal ein Stück Fleisch, aber wenn man den ganzen Tag damit beschäftigt ist, kann man das irgendwann nicht mehr.“ Wünsche für die Zukunft? „Wenn ich Zeit habe, will ich wieder ein paar Auftritte mit meiner Band Seasons in Black machen.“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische am Wochenende erstmals exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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