Landtag

Stamm, der liebe Gott und die Zukunft

Die CSU-Frau beweist als Landtagspräsidentin seit 2008 Stehvermögen. Ob sie in die Verlängerung geht, lässt sie vorerst offen

18.07.2017 | Stand 16.09.2023, 6:24 Uhr

Barbara Stamm kam mit ihrem Mann Ludwig zum traditionellen Sommerempfang des Landtags in Schloss Schleißheim. Foto: dpa

Der Sommerempfang des Landtags auf Schloss Schleißheim mit über 3000 Gästen zählt zu den großen Gesellschaftsereignissen im bayerischen Kalender. Es ist gleichzeitig der Termin im Jahr, der Landtagspräsidentin Barbara Stamm größte Standfestigkeit abverlangt: Ein großer Teil der Geladenen wählte auch am Dienstagabend beim Defilee nicht die (erlaubte) Abkürzung direkt hinaus zu den weißen Tischen im Schloss-Park, sondern reihte sich in die lange Schlange ein, um der CSU-Frau beim Mini-Smalltalk die Hand zu schütteln. Die 72-Jährige, die vergangenes Jahr mit langwierigen Fußproblemen zu kämpfen hatte, nahm sich gerne Zeit dafür. „Ich freue mich darauf“, hatte sie schon vorab gesagt.

Elegantes Ausweichmanöver

Beim Sommerempfang ist die Promi-Dichte gering – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Fürstin Gloria schaute vor zwei Jahren etwa mit US-Sänger Quincy Jones vorbei. In Schleißheim rücken stattdessen jedes Jahr Ehrenamtliche aus dem Freistaat ins Rampenlicht. Gut 2000 waren dieses Mal eingeladen. „Wenn ich über das Sommerfest in den Medien lese, dass hier auch immer viele ,ganz normale Leute’ zu Gast sind, dann kann ich das nur unterstreichen“, sagt Stamm. Die sogenannten normalen Leute seien genau genommen „ganz besondere Menschen“, mit großem Engagement im sozialen Bereich, in Umweltschutz, Kultur oder Sport.

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Dabei sein wollen in Schleißheim inzwischen tatsächlich immer mehr Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Der Andrang ist so groß, dass die Liste dieses Jahr locker um 1000 Namen hätte erweitert werden können, sagt Stamm. Bei der Organisation stößt das Landtagsamt deshalb langsam an Grenzen. Das Fest wird ohne Hilfe einer Event-Agentur gestemmt. „Sonst hätte es keine persönliche Handschrift mehr.“

Einen kurzen Rundumblick vom Landtagsempfang finden Sie in unserem 360-Grad-Video. Abspielbar im Browser mit einer aktuellen Version von Chrome, Opera, Firefox oder dem Internet Explorer. Auf dem Smartphone öffnen Sie das Video bitte in der YouTube-App. Das beste Seherlebnis haben Sie natürlich mit Virtual Reality Brillen.

Es ist dieses Jahr Stamms neuntes Sommerfest als Gastgeberin. Es ist auch ihr vorletztes, sofern sie 2018 nicht ein weiteres Mal für den Landtag kandidiert. Die Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen. Stamm hält sich bedeckt – sagt nichts zu, schließt gleichzeitig auch nichts aus. „Ich weiß mit Sicherheit: Wenn der da oben will, dann kann ich es im nächsten Jahr noch machen“, weicht sie elegant aus. „Alles andere wird man sehen.“

Es heißt, CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer hätte es gerne, wenn sie wie er in die Verlängerung geht. „Er wäre nicht irritiert, wenn ich wieder kandidieren würde“, sagt die Landtagspräsidentin. Stamm zählt wie Seehofer zu den Stimmenkönigen in der CSU, die zusätzliche Mandate für die Partei garantieren. Er erzielte bei der Landtagswahl 2013 auf der Liste für Oberbayern 701318 Stimmen, sie brachte es in Unterfranken auf 217 083 Stimmen. Stamm rangiert zudem seit Jahren in Umfragen in der Liste der beliebtesten bayerischen Politiker ganz oben.

Stamm und Seehofer verbindet, dass sie in ihrer Kindheit Armut erlebt haben und es trotzdem mit Zähigkeit zu Spitzenpositionen im Freistaat gebracht haben. Seehofers Vater arbeitete auf dem Bau, Stamm wuchs zeitweise in Kinderheimen auf. Die Erinnerung an harte Zeiten im Leben „kann man nie ganz abwerfen“, sagt sie. Menschen mit dieser Biografie seien wichtig für die Volkspartei CSU. „Es braucht sie bei uns unbedingt.“ Gerade in Zeiten, in denen sich bei Teilen der Wähler die Einschätzung verstärke, Politikern würde es an Bodenhaftung fehlen.

Stamm legt auch mit 72 Jahren beim Arbeitstempo eine hohe Taktzahl vor. Diese Woche ist randvoll mit Terminen. Im Landtag gehen die letzten drei Plenartage vor der Sommerpause über die Bühne: Die Opposition konstituiert einen Untersuchungsausschuss zur Bayern-Ei-Affäre, ein CSU-Gesetz zur schärferen Überwachung von Gefährdern geht in die entscheidende zweite Lesung, Finanzminister Markus Söder hält eine Regierungserklärung zur inzwischen entspannten Lage der bayerischen Landesbank. Stamm leitet Plenarsitzungen, empfängt nebenher Kinder aus dem Krisengebiet in der Ostukraine, diskutiert mit Volontären der Mittelbayerischen Zeitung, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Am Donnerstag steht der nächste Empfang in Schloss Schleißheim auf der Agenda – für die 1500 bayerischen Polizisten, die beim G20-Gipfel in Hamburg im Einsatz waren.

Wochenstart mit Bayernplan

In die arbeitsreiche Woche gestartet war Stamm am Montagvormittag mit der CSU-Vorstandsklausur in der Münchner Parteizentrale. Bei der Sitzung wurde an letzten Details des Bayernplans gearbeitet – den weiß-blauen Fußnoten zum Unions-Wahlprogramm, mit Punkten, die gegenüber der Schwesterpartei CDU nicht durchzusetzen waren. Als CSU-Vize mischte Stamm bei den Beratungen kräftig mit. Die Familienpolitik sei ihr besonders wichtig, sagt sie. Sie denkt dabei an die Gleichstellung bei der Mütterrente, aber auch an die Einsetzung einer Rentenkommission, die die künftigen Belastungen für junge Menschen im Blick behält.

In der Zuwanderungspolitik zählt Stamm nicht zu den Hardlinern in der CSU. Prägend waren für sie die Erfahrungen ihres Schwagers, der als Entwicklungshelfer unter anderem in Afghanistan gearbeitet und von dort vor vielen Jahren einen Adoptivsohn mit nach Deutschland gebracht hat. „Für unsere Familie eine große Bereicherung“, sagt Stamm.

Sie hat sich dafür stark gemacht, dass Abschiebungen in afghanische Krisengebiete neu bewertet werden. Sie hält auch nichts davon, dass gut integrierte Afghanen nach vielen Jahren in Deutschland in ihre Heimat zurückgeschickt werden. „Ich sehe keinen Sinn dahinter.“ Schuldzuweisungen an die CSU lässt sie aber nicht gelten. „Die Verantwortung liegt beim Bund. Es ist ein großer Irrtum, dass wir das in Bayern entscheiden können.“

Eigenständiger Kopf in CSU

Über Zuwanderungspolitik möchte Stamm gerne grundlegend und umfassend diskutieren: „Wer kann in Zukunft bleiben? Und wer kann kommen?“, sind dabei für sie zentrale Fragen – nicht der Streit um Obergrenzen von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, die im CSU-Bayernplan festgeschrieben sind. „Für mich ist das momentan eine sehr theoretische Diskussion“, sagt sie mit Verweis darauf, dass die Zahl von 200 000 Flüchtlingen in diesem Jahr wohl deutlich unterschritten wird. Auf eine Begrenzung pocht Stamm allerdings sehr wohl – sie sei nötig, um die Integrationsaufgaben zu bewältigen.

„Dass es im Vorstand nicht weniger Frauen werden dürfen, ist klar.“CSU-Vize Barbara Stamm über den Frauenanteil an der Parteispitze

Mit Stamm hatte CSU-Chef Seehofer von Anfang an eine sehr eigenständige Parteivize an seiner Seite. Beim Parteitag im November tritt sie jedoch definitiv von diesem Posten ab. Das hat sie bereits öffentlich angekündigt – um Platz für Jüngere zu machen. Eine Frau wäre ihre Wunschnachfolgerin, am liebsten aus Franken, sagt sie. „Dass es im Vorstand nicht weniger Frauen werden dürfen, ist klar.“ Details würden aber intern abgeklärt, „im Team mit dem Parteivorsitzenden“. Sie klingt dabei sehr energisch. Sehr viel energischer als bei der Antwort auf die Frage, ob für sie 2018 im Landtag nun wirklich Schluss sein wird.

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