Menschen
Conrad: Patriarch mit großem Herzen

Unternehmer Klaus Conrad aus Hirschau feiert seinen 80. Geburtstag. Statt sich selbst zu beschenken, tut er anderen Gutes.

26.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr

Klaus Conrad feiert an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag. Sein Unternehmen gehört zu den größten Versandhändlern in Deutschland. Am seinem Erfolg lässt er viele Menschen teilhaben. Foto: Gabi Schönberger

Dieses Mal kann Klaus Conrad nicht entwischen. Die obligatorische Reise an seinem Geburtstag hat der Unternehmer aus Hirschau (Lkr. Amberg-Sulzbach) auf später verschoben. „Bei so vielen angemeldeten Gratulanten muss ich eine Ausnahme machen.“ 80 Jahre wird Conrad an diesem Samstag alt. Man sieht es ihm nicht an. Täglich sitzt er noch drei bis vier Stunden in seinem lichtdurchfluteten Büro in der Firmenzentrale in Hirschau. Seine Freizeit verbringt er auf dem Golfplatz in Schwanhof, den er 1989 errichten ließ. „Einer der schönsten Plätze in Deutschland“, schwärmt der Unternehmer. Conrads Handicap: 14,3. Damit liegt er vor seinem Freund Uli Hoeneß (Handicap 18), der derzeit zwangspausieren muss.

Der Unternehmer nimmt in der bunt gemusterten Sitzecke Platz, etwas abseits seines mit Arbeitsmappen bedeckten Schreibtisches und schenkt Tee und Kaffee ein. Seit 1945 lebt der gebürtige Berliner in der Oberpfalz, die Sprachfärbung dieses Landstrichs hat er nie angenommen, doch die Integration ist bestens geglückt. Der Unternehmer ist in Hirschau in vielen Verein aktiv, er ist ein großzügiger Gönner der Stadt und darüber hinaus ein Mäzen für die ganze Region.

„Ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt“, sagt Conrad. Eigentlich wollte er den Beruf des Konstrukteurs erlernen, doch sein Vater drängte ihn in eine kaufmännische Ausbildung. „Dafür müsste ich ihm bis heute jeden Tag auf Knien danken.“ 1954 trat der damals 18-Jährige in das Familienunternehmen ein. Zunächst war er verantwortlich für den Aufbau von technischen Kaufhäusern. Als Werner Conrad 1976 starb, übernahm der Sohn das Gesamtunternehmen. Er investierte in eine IT-gesteuerte Logistik und baute den Versandhandel aus. Das Unternehmen wuchs rasant von 120 Mitarbeitern und 23 Millionen Mark Jahresumsatz auf heute über 4000 Mitarbeiter weltweit und einen Gruppenumsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Conrad Electronic gilt mit 700 000 Artikeln aus den Bereichen PC-Technik, Telefonie, HiFi, Haustechnik, Bauelemente, Unterhaltungstechnik und Modellbau als einer der führenden Anbieter. Täglich verlassen bis zu 60 000 Pakete die Versandhallen. Geliefert wird in 150 Länder der Erde. Imvergangenen Jahr investierte das Unternehmen 56 Millionen Euro in ein neues Logistikzentrum in Wernberg-Köblitz. „Damit sind wir für die Zukunft gerüstet und können die Kapazitäten bis auf 100 000 Pakete am Tag ausbauen“, sagt Conrad.

Versandpartner des FC Bayern

Durchschnittlich 3000 Pakete gehen täglich im Auftrag des FC Bayern München in alle Welt. „Conrad hat das komplette Versandgeschäft des Fußballclubs übernommen.“ Selbst die Beflockung der Trikots findet im Logistikzentrum statt. Auch ansonsten sind die Kontakte zum Fußball-Rekordmeister eng. Mit Uli Hoeneß geht der Unternehmer regelmäßig Golfen. Auch in der Zeit, in der der ehemalige Präsident des FC Bayern seine Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung abgesessen hat, hielt Conrad Kontakt zur Familie. Ob Hoeneß am Samstag bei seiner Geburtstagsfeier auf der Burg Wernberg dabei sein wird, kann er nicht sagen. „Der Uli ist mir immer herzlich willkommen. Aber, ich weiß nicht, ob es diesmal klappt.“ Hoeneß’ Haft endet spätestens am Dienstag.

Auf dem Schreibtisch steht ein Familienfoto. Conrad hat fünf Kinder, Sohn Werner ist seit mehr als 20 Jahren Mitinhaber und inzwischen Vorsitzender des Verwaltungsrates. Klaus Conrad ist zuversichtlich, dass das Unternehmen auch in der übernächsten Generation in Familienhand bleibt und ein Enkel in die Verantwortung treten wird. „Übernahmeangebote von Konzernen gibt es ständig, aber wir sind der Meinung, dass wir als Familienunternehmen flexibler und schneller auf Marktveränderungen reagieren können. Außerdem ist es meinem Sohn und mir wichtig, allen Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze bieten zu können“, sagt Conrad über die Unternehmensphilosophie.

Beschenkt werden die Mitarbeiter

Er investierte auch früh in die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter. „Wir mussten etwas bieten, um unseren Standort in Hirschau attraktiv zu machen.“Conrad baute ein Sportzentrummit Tennisplätzen, Fitnesscenter, Kegelbahn, Saunalandschaft und Vereinsheim. Auch die Gesundheitsförderung ist ein Teil der Unternehmenskultur. Es gibt verschiedene Kursprogramme und sogar Massagen werden in der Firma angeboten. Das jüngste Projekt ist die Kindertagesstätte am Standort Hirschau. Die langen Öffnungszeiten zwischen 7 und 19 Uhr sind im ländlichen Raum ein Novum. Für die Beschäftigten bieten sie größtmögliche Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeiten. „Der Zuspruch hat uns überrascht“, sagt Conrad.

Statt sich selbst zu beschenken denkt der Unternehmer auch an seinem 80. Geburtstag an die Mitarbeiter. Es werde eine Sonderausschüttung in Höhe von 5 Millionen Euro geben. Ein weiteres Geburtstagsgeschenk macht Conrad der Stadt Hirschau. Mit weiteren 1,5 Millionen Euro unterstützt er den Erweiterungsbau für ein Betreutes-Wohnen-Projekt.

Eines der größten Projekte, die Conrad außerhalb des Unternehmens verwirklichte, steht in Wernberg. Mitte der 1990er Jahre erwarb er die heruntergekommene Burg, nachdem sich zunächst seine Frau Gertrud in das verfallene Gebäude verliebt hatte. „Ich fand eigentlich, dass jede Mark für das Projekt zu viel sei.“ Doch Conrad wagte die Herausforderung. Er investierte 27 Millionen Mark. Heute beherbergt die mittelalterliche Anlage das weithin bekannte Zwei-Sterne-Restaurant „Kastell“, in dem Thomas Kellermann kocht sowie ein kleines Hotel samt Tagungszentrum, außerdem ein Standesamt. Im vergangenen Jahr wurden in diesem schönen Ambiente rund 100 Hochzeiten gefeiert, freut sich Conrad.

Überhaupt kommt der 80-Jährige ins Schwärmen, wenn es um die zahllosen Projekte geht, die er mit Spenden unterstützt oder auf den Weg gebracht hat. Ein Hilfsprojekt in Eritrea brauchte Esel, um notleidenden Familien zu helfen. Conrad informierte sich, organisierte ein Tier aus dem Zirkus, schaffte es in den Golfclub. Binnen zehn Minuten hatte er mit seinen Golffreunden 100 Esel finanziert. „Einfach und unkompliziert“, nennt er seine Vorgehensweise. In Neuguinea sind es Straßenkinder, die mit Geld aus der Oberpfalz eine Perspektive erhalten sollen, in Sri Lanka wird ein Waisenhaus mit Blindenwerkstatt samt Zimt- und Teeplantage finanziert. „Eine nachhaltige Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe sind mir besonders wichtig“, fasst Conrad sein Engagement zusammen. Für den Bau der Kinderuniklinik (KUNO) Ostbayern in Regensburg gab Conrad eine Million Euro. Er unterstützte den Bau des ersten Hospizes in der Oberpfalz sowie den Ausbau des Klinikums Amberg.

Hilfe für Flüchtlinge

In seiner Heimat liegt das Hauptaugenmerk derzeit in der Unterstützung von Flüchtlingsprojekten. In Weiden hat Conrad ein Haus gekauft, in dem neun minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge leben. In Wernberg möchte er ein Flüchtlingshaus für 54 Frauen bauen lassen. Er zahlt Flüchtlingen die Fahrtkosten zu Deutschkursen und hilft dem Verein „Amberg hilft Menschen“, bei der Suche nach Wohnungen.

Im Unternehmen selbst bereite man sich auf die Integration von Flüchtlingen vor, sagt Conrad. „Wir sind dabei, ein entsprechendes Förderprogramm zu entwickeln.“ Das größte Problem sieht der Unternehmer in den mangelhaften Deutschkenntnissen. „Das ist aber das Wichtigste, damit Integration gelingen kann.“ Auch die Bearbeitung der Asylanträge müsse seiner Meinung nach dringend beschleunigt werden. „Wir brauchen die Leute auf dem Arbeitsmarkt. Wenn wir ihnen hier eine gute Ausbildung geben, dann profitieren sie später auch bei einer Rückkehr in die Heimat davon.“

Die Klaus und Gertrud Conrad-Stiftung hat in 15 Jahren über 2000 Projekte begleitet und dabei rund 6 Millionen Euro ausgeschüttet. Es mache ihn betroffen, sagt der Unternehmer, wenn er höre, dass es in Hirschau Rentner gebe, die sich nur jeden zweiten Tag ein Essen auf Rädern leisten könnten. „Wenn ich so etwas erfahre, dann ist das gleich erledigt. Aber die Menschen schämen sich, sie bitten nicht um Hilfe.“ Etwa 10 bis 15 Anfragen sind es täglich, die die Stiftung überprüft. „Manche Schicksale treiben meinen Mitarbeitern die Tränen in die Augen“, sagt Conrad.

Er selbst habe eigentlich keine großen Wünsche mehr. „Wenn es einem gutgeht, dann muss man auch dafür sorgen, dass es anderen gutgeht.“ Doch dann fällt ihm doch noch etwas ein, was er sich für sein Leben wünschen würde: „Wenn es der Herrgott will, dann wäre es schön, wenn ich beim 100-jährigen Firmenjubiläum 2023 dabei sein könnte.“

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