Geschichte
Tausende haben ihre Heimat verloren

Vor 65 Jahren, im Oktober 1951, mussten 3202 Menschen 85 Orte für die Errichtung des US-Übungsplatzes Hohenfels verlassen.

09.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr
Paul Böhm
Bis 1963 waren die Holzbrücke in Emhof und die Furt durch die Vils die wichtigste Zufahrt für den Truppenverkehr zwischen Grafenwöhr und Hohenfels (Aufnahme vom Mai 1962). −Foto: Repro: abp

„Wird Hohenfels wieder militärisch genutzt“? Vor 65 Jahren beschäftigte diese Frage die Menschen in der Region. Im Brennpunkt der schwelenden Korea-Krise und angesichts stetig steigender Spannungen mit der ehemaligen Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten forderte die US-Militärregierung für ihre im süddeutschen Raum stationierten Verbände der 7. US Army neue Übungseinrichtungen.

Bereits im März 1951 waren Zivilbeamte der US-Militärregierung im Rathaus des Marktes Hohenfels gewesen. Sie interessierten sich für die wirtschaftliche Lage des ehemalige Wehrmachtsübungsplatzes. Es entstand der Eindruck, dass der Besuch eher einer allgemeinen Information diene, die womöglich aber auch im Zusammenhang mit einer US-Wirtschaftshilfe oder Förderung stehen könnte.

Doch sehr bald wurde darüber gesprochen, dass die Besatzungsmacht sich allgemein über das Hohenfelser Land und die westlich davon gelegenen Gemeinden Geroldsee, Griffenwang, Lutzmannstein, Pielenhofen, aber auch Gemeindeteile von Hörmannsdorf, Schmidmühlen und Hohenburg sowie der damaligen Gemeinden Adertshausen, Allersburg, Ransbach und Utzenhofen informieren wollte, um selbst prüfen zu können, ob ihr möglicher Anspruch auf einen Truppenübungsplatz vertretbar und erfolgversprechend sei. Doch an die Verwirklichung solch eines immensen Vorhabens glaubte niemand ernsthaft, weil es eben keiner wahrhaben wollte.

Am 9. Mai 1951 fand in Hohenburg eine Protestversammlung von sieben Anliegergemeinden statt, die sich für die Rückgabe ihrer Grundstücke einsetzten, die sie 1938 an den Übungsplatz für die Deutsche Wehrmacht abtreten mussten. Die damaligen Entschädigungen hatten sie durch den Krieg und die nachfolgende Währungsreform verloren.

Bundesregierung im Zugzwang

Im Juni 1951 berichteten die regionalen Zeitungen wiederholt über die beim Land und Bund vorgebrachten Anträge, die Kreise Parsberg und Neumarkt zu Notstandgebieten zu erklären. Siedler wollten Klarheit über die Eigentumsverhältnisse des ehemaligen Wehrmachtsübungsplatzes, der mit Nainhof die flächenmäßig größte Gemeinde hatte.

„Wird Hohenfels wieder Truppenübungsplatz?“ Diesen ersten Hinweis fand man am 9. Juli 1951: Im Juni 1951 hatten die US-Amerikaner eindringlich für ihre in Süddeutschland stationierten Truppen der 7. US Army von der Bundesrepublik Deutschland die Abtretung eines Truppenübungsplatzes gefordert. In ersten Gesprächen wurden sowohl Hammelburg als auch Hohenfels abgelehnt. Unter dem Handlungsdruck des aufziehenden Ost-West-Konfliktes, des „Kalten Krieges“, erwarteten die US-Amerikaner aber nun eine rasche Entscheidung der Bundesregierung.

Die Bundesregierung konnte sich angesichts des bereits in dieser Zeit im Gespräch befindlichen Truppenvertrages und des möglichen deutschen Verteidigungsbeitrages den amerikanischen Forderungen nicht mehr verschließen. Trotz der ersten Ablehnung durch die US-Amerikaner und trotz ihrer Forderung nach einer Übungsmöglichkeit, die den Umfang des Wehrmachtsübungsplatzes weit überstieg, rückte Hohenfels vor Hammelburg bei den zuständigen Regierungsstellen immer mehr in den Vordergrund. Historischen Betrachtungen nach scheint es nicht ausgeschlossen, dass das damalige Bundeskanzleramt nicht nur die zukünftige politische Entscheidung zu berücksichtigen hatte, sondern auch die ihm sicher bekannte, schwierige und kostenintensive wirtschaftliche Entwicklung des Gebietes.

Ausdehnung nach Norden vom Tisch

Am 25. Juli 1951 sprach der damalige Regensburger Bundestagsabgeordnete Karl Kahn bei einer Unterredung in Parsberg erstmals offen die Anforderungen nach einem modernen Übungsplatz für schwere Artillerie und Panzerwaffen aus. Eine Ausweitung auf 20 bis 25 Kilometer Länge und zehn bis 15 Kilometer Breite würde unbedingt notwendig sein.

Daraufhin nahmen die Landräte von Parsberg und Neumarkt in einer Denkschrift zu dem Vorhaben ausführlich Stellung, dass diese Beschlagnahme und Ausweitung des Übungsplatzes Hohenfels vermieden werden könne. Doch zu diesem Zeitpunkt stand die Abtretung bei der Dienststelle Blank so gut wie fest.

Damit war auch gleichzeitig der Forderung nach einer Westausdehnung des Übungsplatzes entsprochen worden. Die US-Amerikaner hatten den weniger Opfer verursachenden deutschen Vorschlag für die eine Ausdehnung nach Norden auf das Staatswaldgebiet des Hirschwaldes bis vor die Tore von Amberg abgelehnt.

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171 Anwesen waren betroffen

Am 7. August 1951 konnten sich Vertreter der 7. US Army des US-Standortes Nürnberg, Vertreter der Bundesregierung und des Landes Bayern sowie der Resident-Officer aus Parsberg bei einer Besprechung in Amberg auf eine verminderte Westausdehnung einigen: Die Gesamtabtretung von ursprünglich 185 wurde auf etwa 160 Quadratkilometer reduziert. Die Zahl der auszusiedelnden landwirtschaftlichen Anwesen im Erweiterungsgebiet verringerte sich von 265 auf 171.

Am 13. August 1951 beschloss der Bayerische Ministerrat, den US-Amerikanern Hohenfels abzutreten. Der ungefähre Grenzverlauf wurde am 17. August 1951 in Parsberg von Vertretern der US-Militärbehörden und deutschen Dienststellen festgelegt. Die US-amerikanische Zustimmung zu dem Grenzverlauf wurde am 24. August 1951 bestätigt.

Hetzbriefe und Agitation

Zweideutig war ein Telegramm des Bayerischen Staatsministers Dr. Schlögl vom 16. August 1951 an die Gemeinde Nainhof-Hohenfels gewesen, dass die Gerüchte über die Wiedererrichtung des Übungsplatzes unrichtig seien. Er regte dazu an, die Feldarbeiten fortzusetzen und Entschädigungsverfahren aus dem Übungsplatz der Wehrmacht weiter zu betreiben.

In den nachfolgenden Wochen nutzten Rundfunksendungen aus der DDR die politische Situation aus. Landräten und Bürgermeister gingen per Post Flugblätter und handgeschriebene Hetzbriefe zu. Kommunistische Parolen wurden nachts an Scheunen gemalt. Auch eine in diesem Gebiet bisher unbekannte Agitation der KPD und anderer extremistischer Gruppen, unter denen sich auch einige Siedler befanden, versuchte, politische Emotionen anzuheizen.

Bischof Buchberger sprach Trost zu

Ende Oktober 1951 waren dann mehr als 200 Lkw im Einsatz bei der Umsiedlung. Über die Hälfte der Altbauern hatte schon Höfe gefunden, viele waren aber noch auf der Suche nach einer neuen Heimat. Am 28. Oktober 1951 kam der Regensburger Erzbischof Dr. Michael Buchberger noch zu einem kurzen Besuch nach Pielenhofen, um den Menschen Trost zuzusprechen. Insgesamt wurden mehr als 16 000 Hektar Grund und Boden, Gehöfte, ganze Kirchdörfer und Gemeinden, Jahrhunderte alte Ansiedlungen, unter ihnen die Hofmark Lutzmannstein, ausgesiedelt. Und viele Randgemeinden mussten Flächen aufgeben.

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