MZ-Serie
Der Bodenständige aus dem Allgäu

Über Gegensätze von Stadt und Land kann Maxi Schafroth skurrile Geschichten erzählen. Dabei verrät er viel über sich selbst.

25.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr

Der „Over the Lech“-Blues ist ein Herzstück von Maxi Schafroths Bühnenprogramm.Foto: Susie Knoll/www.susieknoll.de

Da wäre zum Beispiel die Sache mit den Katzen: Hier zwei gut genährte, verwöhnte Tiere in einem Münchner Psychoanalytiker-Haushalt – die eine gescheitelt, die andere mit neurotischem Blick. Dort das dreibeinige Mähmaschinenopfer, hager und namenlos, eine Katze, die sich an einer Tankstelle im Allgäu herumtreibt. Solche Alltagsgegensätze kann Maxi Schafroth auf der Bühne genüsslich ausbreiten. Als Allgäuer Bauernsohn, der inzwischen seit 13 Jahren in München lebt, kennt der Kabarettist die Befindlichkeiten von Großstädtern („Ihr seid näher dran an der Erbsünd’“) genauso wie die Eigenarten des Landlebens. „Ich will Geschichten erzählen, die mit mir zu tun haben“, sagt er im Gespräch mit der Mittelbayerischen. „Ich wüsste gar nicht, wie ich das alles erfinden könnte.“

Ein Landkind durch und durch

Aufgewachsen ist der 32-Jährige in Stephansried, einem kleinen Dorf bei Ottobeuren im Allgäu. Die Kindheit auf dem Bauernhof der Eltern hat ihn geprägt. Schon als Bub darf er Bulldog fahren und hilft im Stall bei den Milchkühen. Die Oma, die Mama, der Papa – Menschen, die in Schafroths Leben und auch in seinem Bühnenprogramm eine wichtige Rolle spielen, sind Teil dieser Welt. „Wenn ich heute in München ein anderes Landwirtskind treffe, geht mir das Herz auf“, schwärmt er. Da spüre er die gemeinsame Erfahrungswelt, das Zupackende. Die Menschen in der Großstadt erlebe er dagegen als betulich. „Wenn dir ein Jungrind durch ein Loch im Zaun entgegenspringt, musst du schnell entscheiden.“ Da sei keine Zeit zum Sitzkreisbilden. Der Großstädter neige zum Reflektieren, da werde erstmal gefragt: „Wie geht es dir damit?“

Auf der Bühne reibt sich Schafroth genau an solchen Unterschieden. „Faszination Bayern“ heißt sein aktuelles Programm(am 6. April 2018 tritt er zum Beispiel im Gutmann in Nürnberg auf), das sich nahtlos an sein Debüt „Faszination Allgäu“ anschließt. Starnberger Zahnarztkinder in Geländewagen und Bildungsbürger mit senfgelben Cordhosen spielen dabei eine Rolle. Von der Baywa in Ottobeuren bis zum Wurzelbürstenregal bei Manufactum am Münchner Marienhof spannt Schafroth den Bogen. Seine Beobachtungen sind scharfzüngig und hintersinnig.

Sehen Sie hier eine Kostprobe aus Maxi Schafroths Programm:

Die Geschichten, die er schnarrend-schwäbelnd zum Besten gibt, verpackt er mit viel Musik. Heraus kommt dabei zum Beispiel der rauchig-lässig gesungene „Over the Lech“-Blues, aber auch Gstanzl. Lieder sind ein fester Bestandteil seiner rund hundert Auftritte im Jahr. „Ich verändere sie immer wieder“, erzählt Schafroth, der auch die Heuernte, Kässpätzle oder das Sparen besingt. Der Erfolg gibt ihm recht: 2017 erhielt er den Bayerischen Kabarettpreis in der Sparte Musik. Begleitet wird Schafroth bei seinen Auftritten von Gitarrist Markus Schalk. Er stammt ebenfalls aus Stephansried –vom Nachbarhof gleich neben den Schafroths, „nur 120 Meter entfernt“.

Sozialkritische Themen

Bei seinen Auftritten versucht Schafroth, auf die jeweilige Region einzugehen. Auch zwischen der Oberpfalz und dem Allgäu macht er spontan am Telefon Gemeinsamkeiten aus: „Uns verbindet die Strukturschwäche“, sagt er lachend. Er improvisiert gern und versucht sich, auf sein Gegenüber einzustellen. Das klappt auch außerhalb Bayerns wunderbar, erzählt er. „Der Stadt-Land-Gegensatz funktioniert überall, je größer die Stadt, desto besser.“ Schafroth sieht sich nicht als politischen Kabarettisten, dennoch greift er gern sozialkritische Themen auf. „Ich will aber keine Fronten verhärten.“ Vielmehr wolle er die Zuhörer auf seine Seite ziehen, damit sie sich auf seine Sicht der Welt einlassen. Dabei versucht er, in einem ganz normalen Tonfall zu sprechen, so als säße er mit Freunden am Tisch beisammen. Unverstellt und ohne „Gestelztheit“ will Schafroth erzählen. „Dann hören die Leute auch zu.“

Vorleben in der Bank

Authentisch sind Schafroths Geschichten nicht nur, wenn er über das Leben auf dem Land spricht. Seine Lehre als Bankkaufmann plus mehrere Jahre als Kundenberater in München sieht Schafroth heute als solide Kabarettausbildung, die ihm „druckreife Pointen“ geliefert hat. Die ersten Schritte als Künstler hatte er zunächst parallel zu seiner Tätigkeit in der Bank gemacht – so gut, dass er für interne Firmenevents gebucht wurde. Der Übergang zum hauptberuflichen Künstlerdasein war „kein Sprung ins Ungewisse“, erzählt Schafroth. Als er als Kabarettist immer besser verdient habe, habe er als Banker aufgehört. Das wirtschaftliche Interesse sei nach wie vor da und „streng verhandeln“ könne er auch.

Conchita und Horst

Schafroth ist nicht nur Kabarettist und Musiker, sondern auch ausgebildeter Schauspieler und Drehbuchautor. 2015 gab er beim Starkbieranstich am Nockherberg im Singspiel Conchita Wurst, 2016 war er als „Über-Ich“ von Horst Seehofer mit von der Partie. In Kinofilmen von Regisseur Marcus H. Rosenmüller („Sommer der Gaukler“ und „Wer‘s glaubt, wird selig“) hat er mitgespielt und auch im Münchner Tatort. „Die Mischung ist ein Privileg.“ Das Kabarett mag er aber noch lieber als die Schauspielerei: „Da bin ich mein eigener Chef.“ So wie schon sein Vater auf dem Hof und sein Großvater, der Molkereidirektor. Zwar müsse man als Kabarettist einen ganzen Abend allein schultern, aber dafür rede ihm keiner drein. Beim Film seien viele Menschen beteiligt, die oft in zu unterschiedliche Richtungen denken würden. „Dann kommt Vorabendbatz raus“, sagt Schafroth.

Dass er den Hof der Eltern nicht übernommen hat, bereut der Künstler nicht. Seine Eltern hätten ihn deshalb nie einen Vorwurf spüren lassen, „auch wenn der Papa bestimmt traurig war“. Zum „Akkuaufladen“ fährt er aber regelmäßig heim – over the Lech.

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