Erinnerungen
Eine vergessene, sinnlose Schlacht

Ende April 1945 gab es schwere Gefechte in der Region. Der Altphilologe Markus Gruber aus Waldmünchen hat unbekannte Details dazu recherchiert.

27.04.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr

Diese alte Farbaufnahme zeigt Fichtenbach, das „vergessene Tal“, in der Vorkriegszeit. Foto: Gruber

Ende April 1945 spielten sich in unserer Grenzregion noch heftige Kämpfe zwischen der amerikanischen Armee und der deutschen Wehrmacht ab. Waldmünchen wurde am 26. April erobert, am 30. April tobte jenseits der Grenze bei Sophienthal (Cerna Reka) eine Schlacht. Insgesamt starben bei Waldmünchen mindestens 22 deutsche und 14 amerikanische Soldaten sowie neun Zivilpersonen. Aber auch entlang der Grenze hinter Furth im Wald leistete die 11. Panzerdivision eine Woche lang erbitterten Widerstand.

Todesangst in Kriegswirren

Heute kaum noch bekannt ist, dass es auch in Fichtenbach (Bystrice, Fuchshütten) zu einem schweren, zweitägigen Kampf kam. Intensive Nachforschungen im Archiv der amerikanischen 90. Infanteriedivision ergeben nun folgendes Bild. Am 28. April bekam das 359. Regiment den Befehl, Fichtenbach einzunehmen, um die wichtige linke Flanke zu sichern. Das Kriegstagebuch sagt dazu: „Das Regiment fuhr damit fort, starke Kampfpatrouillen in der Gegend durchzuführen. Eine Reihe heftiger Gefechte wurde mit feindlicher Infanterie und der Hitlerjugend geführt. Das 1. Bataillon eroberte Fichtenbach nach einem Kampf, der 50 Gefangene einbrachte. Eine Patrouille der A-Kompanie traf nördlich des Dorfes auf weitere 40 feindliche Infanteristen in den Wäldern, von denen die meisten getötet oder gefangen genommen wurden, ehe die Patrouille nach Fichtenbach zurückkehrte.“

Trotzdem unternahm die Wehrmacht in der darauf folgenden Nacht zum 29. April einen starken Gegenangriff aus Richtung Böhmisch Kubitzen. Hierzu der Bericht der Amerikaner: „Um 4.30 Uhr beschossen die Deutschen Fichtenbach mit Nebelwerfern und Artillerie. Dann kamen ungefähr 90 Mann in einem Gegenangriff, wie sie damals immer seltener geworden waren, und griffen mit leichten Waffen und Panzerfaust an, wobei sie von einem Panzer unterstützt wurden. Das 1. Bataillon war aber bereit und schlug den Angriff zurück, und Fichtenbach blieb in der Hand der A-Kompanie.“ Ein US-Soldat erhielt eine Belobigung für „heldenhafte Leistungen in der Umgebung von Fichtenbach“. Am nächsten Tag begann dann der Großangriff der Amerikaner mit Stoßrichtung Taus. In den nüchternen Kampfberichten geht das Leid der Zivilbevölkerung völlig unter. Erst jüngst hat Friedrich Ditmar seine Todesangst geschildert, die er als Siebenjähriger damals durchmachen musste. Beinahe wäre er im Keller von der Handgranate eines Amerikaners zerfetzt worden, hätte nicht seine Mutter ihr weißes Kopftuch als Friedenssignal hochgehalten. Konrad Eder, damals acht Jahre alt, versteckte sich mit seiner Familie im Wald. Für seine kleine Schwester nahm die Mutter noch schnell Ziegenmilch vom Herd mit. Mit einem nassen Kommissbrot, das sie im Wald zufällig fanden und trockneten, konnte der Hunger notdürftig gestillt werden.

Als die Familie nach Tagen wieder ins Dorf zurückkehrte, lag auf der Straße ein toter Soldat, auf dem schon die Fliegen saßen. Die Frauen des Dorfes bestatteten ihn an der Schule. Friedrich Ditmar wiederum berichtet, dass sein Vater damals in den Kampfpausen sieben tote Deutsche hinter der Kapelle beerdigt habe, darunter auch sehr junge von der Hitlerjugend. Die Amerikaner hatten zwar keine Toten zu verzeichnen, meldeten aber vier Mann als vermisst, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Aus deutschen Quellen ist noch bekannt, dass rund um den Cerchov eine zusammengewürfelte Kampfgruppe mit dem Namen „Regiment Gruse“ eingesetzt war.

Umkämpft war der Gutshof

Die vergessene Schlacht um Fichtenbach vor 69 Jahren war blutig und sinnlos. Umkämpft war damals vor allem der Gutshof: Genau dort, wo sich damals die Soldaten bis aufs Blut bekämpften, wurde letztes Jahr der Christbaum für den Petersplatz in Rom gefällt. Es kann wohl kein besseres, grenzüberschreitendes Symbol des Friedens geben, mit dem auch der Opfer von damals gedacht werden sollte.

Ein Bericht über die letzten Kriegstage im „Vergessenen Tal“, so der Titel eines in Fichtenbach spielenden Romans von Jan Vrba (1926), wird im diesjährigen Waldmünchner Heimatboten veröffentlicht werden.