Medizin
Neue Köpfe für neue Ansprüche

Mit wenig Geld sollen Rehakliniken Operierte alltagsfit machen. Windischbergerdorf investiert

24.08.2016 | Stand 16.09.2023, 6:40 Uhr
Anna Weber
Die führenden Mediziner der Klinik Windischbergerdorf: MUDr. Pavol Rakický, Chefarzt Kardiologie, (v.l.) MUDr. Rastislav Hvizdak, Facharzt für Herzchirurgie, Dr. Hildegard Bollwein, Oberärztin Kardiologie; PD Dr. Reiner Caspari, Chefarzt Onkologie und Gastroenterologie. −Foto: Weber

Die Zeiten, in denen man „mal auf Kur“ ging, sind längst vorbei. Nahmen chronisch Kranke einst gern alle zwei Jahre einen Kuraufenthalt zur Linderung ihrer Beschwerden in Anspruch, zahlen Kassen heute eine Behandlung in einer Reha-Klinik oft nur nach schweren, akuten Krankheiten.

„Wir müssen uns neu ausrichten“, sagt deshalb Berthold Müller, Geschäftsführer der Bayerwald-Klinik in Windischbergerdorf. In mehreren Etappen entwickelt die Rehaklinik am Chamer Stadtrand neue Strukturen und Angebote. Die Ausrichtung auf Krebs-, Herz- und Magen-Darmerkrankungen bleibt. Dafür fand ein Wechsel bei den Köpfen statt.

Vor allem in der Sparte Kardiologie musste sich die Klinik neu aufstellen. Dr. Hildegard Bollwein übernahm zum 1. Juni in der Bayerwald-Klinik die Leitung als Oberärztin. Die Medizinerin hat am Deutschen Herzzentrum in München ihre kardiologische Ausbildung absolviert und in der Klinik Höhenried in Bernried gearbeitet.

Ein Chirurg in der Reha-Klinik

Sieben Jahre arbeitete die gebürtige Schwandorferin im Rehabilitationszentrum der Deutschen Rentenversicherung am Starnberger See. Ihrer Erfahrung: „Der Reha-Bereich ist durch die verkürzten Liegezeiten in den Krankenhäusern immer wichtiger geworden“, sagt sie.

Patienten seien oft verunsichert und müssten körperlich geschwächt wieder in ihren Alltag zurückkehren. Auch daher hat sich die Medizinerin für das Reha-Wesen weiterbilden lassen.

Ein weiterer Neuzugang in der Bayerwald-Klinik ist MUDr. Rastislav Hvizdak. Er ist Facharzt für Herzchirurgie. „Obwohl er Chirurg ist, operiert MuDr.Hvizdak bei uns nicht. Dafür bringt er ein gewisses Verständnis mit in die Reha“, sagt der Geschäftsführer. MUDr. Hvizdak hat 2010 seine Facharztprüfung bestanden. Von 2006 bis 2015 war er im Klinikum Vogtareuth im Chiemgau tätig.

Fachkräfte: „Der Markt ist leer“

Einverstärktes Augenmerk möchte die Bayerwald-Klinik auf die Behandlung und auf ihr „Inneres“ legen. „Dafür braucht es qualifizierte Mitarbeiter“, so Müller.

Doch auch gute Pflegekräfte und Physiotherapeuten sind wichtig. In der heutigen Zeit ist es aber schwierig, solche zu finden. „Der Markt ist leer, vor allem in der Oberpfalz“, sagt Müller. Angst vor betrieblichen Kündigungen braucht derzeit niemand zu haben. Der Mitarbeiterstand ist stabil und die Stellen sind an die Belegung der Patienten angepasst.

190 Zimmer hat die Reha-Klinik in Windischbergerdorf, ein Teil davon allerdings nicht saniert. Auch fehlt es dem Klinikum an einer schönen Fassade. Das Geld für eine neue Optik will sich Müller jedoch sparen.

„Bei einem Tagessatz von 115 Euro pro Patienten müssen neben Unterkunft, Verpflegung und Medikamenten auch das Personal und die Ärzte bezahlt werden. Für 115 Euro müssen sie in einem guten Hotel das Frühstück extra zahlen“, so Müller. Ihm und der Strategie-Expertin Doris Altmaier ist es daher lieber, das Geld in die positive Entwicklung des „Inneren“ fließen zu lassen. Neben dem Personal gehören dazu auch verschiedene Geräte. Soeben haben beide beispielsweise in neue Diagnostik- und Therapiegeräte investiert. Auch eine kleine „Intensivstation“, die Patienten in einem kritischen Zustand aufnehmen kann, wurde eingerichtet. Auf multiresistente Keime ist man ebenfalls vorbereitet. In begrenztem Umfang können Patienten aufgenommen werden.

Kein Geld für neue Fassade

Optisch zu verschönern versucht man die Reha-Klinik mit bescheideneren Mitteln, einem Kräutergarten beispielsweise, oder dem Ersatz alter, kaputter Möbel durch neue.

Auch die Untersuchungsbereiche sind verändert worden: „Früher mussten die Reha-Zimmer Hotelstandard haben, deshalb wurden überall Teppichböden verlegt“, so Müller. Das sei hygienisch hochgradig bedenklich. Deshalb wurden diese Teppichböden ersetzt.

Ein Problem aber bleibt: Die Reha hat sich verändert. Stand vor zehn, zwanzig Jahren der Erholungswert von chronisch-kranken Patienten bei einem Reha-Aufenthalt im Vordergrund, ist es heute die Wiedereingliederung akut-schwer krankerPatienten. Die Reha von heute ist eine gezielte Anschlussheilbehandlung. „Die Verweildauer in den Krankenhäusern ist nur noch halb so lang wie früher“, sagt Dr. Reiner Caspari, Chefarzt für Onkologie und Gastroenterologie. „Im kardiologischen Bereich ist der Krankenhausaufenthalt zum Teil auf unter vier Tage verkürzt worden“, ergänzt MUDr. Pavol Rakický, Chefarzt für Kardiologie. „Das sind Krankenhausminimalzeiten“.

Hilft das wirklich?

Im Ergebnis drängen medizinisch anspruchsvollere Patienten in die Rehabilitationskliniken. „Das ist eine Herausforderung für die Reha“, sagt Dr. Caspari. Aber die hohen Ansprüche könne man erfüllen, so der Chefarzt. Doch auch in den Rehabilitationskliniken werden die Aufenthaltsdauern gekürzt. Waren es früher in der Regel vier Wochen, so ist die Zeit heute oft auf drei Wochen verkürzt. Die fehlenden Tage müssen dann Physiotherapeuten oder Hausärzte hereinholen. Bertold Müller: „Ob das tatsächlich so gut ist und ob man dabei wirklich etwas spart, ist fraglich“.

Die Menschen in der Bayerwald-Klinik jedenfalls wissen zu schätzen, was die Ärzte und das Pflegepersonal für sie leisten. „Vor einiger Zeit habe ich mit dem Rollator nur 50 Meter zu Fuß geschafft. Jetzt geht es schon wieder ohne“, sagt die 86-Jährige Annemarie Heise. Anfang August hat sie eine Herz-Operation überstanden. Alleine zu Hause möchte sie jetzt aber noch nicht wohnen. „Das würde mich im Moment überfordern“, sagt sie. „Das Ziel der Reha ist es, sie auf diese Zeit wieder vorzubereiten“, so Altmaier.

Werbung durch Mundpropaganda

Sehr viele ältere Menschen sind in der Reha-Klinik untergebracht. „Das liegt auch an der Verschiebung der Altersstruktur und an der modernen Narkosemedizin, durch die es möglich ist, selbst Menschen in hohem Alter zu operieren“, sagt Müller.

Zufriedene Patienten wie Annemarie Heise sollen nach dem Willen der Klinikleitung öfter zu Worten kommen. „Ich habe das Gefühl, die Leute interessieren sich dafür, welche Menschen in der Bayerwald-Klinik untergebracht sind“, so Altmaier. Auch deshalb geht die Klinik in nächster Zeit häufiger in die Öffentlichkeit.