Geschichte
Als Lametta über Cham vom Himmel fiel

Erinnerungen unseres Mitarbeiters Georg Fleischmann an ein Weihnachten im Krieg – und Bomber, die Schmuck brachten.

24.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:19 Uhr
Georg Fleischmann

Der Rangierbahnhof in Cham wurde durch die Bombardierung vom 18. April 1945 schwerwiegend beschädigt. Diese Luftaufnahme zeigt das ausgebombte Gelände. Foto: MZ-Archiv

Erinnerungen an ein Weihnachten im Krieg hat unser Mitarbeiter Georg Fleischmann zu Papier gebracht: Es gab einmal eine Zeit, es war während des 2. Weltkrieges, da fiel etwas vom Himmel, was es auf Erden schon lange nicht mehr zu kaufen gab. Es war Lametta, die feinen, silbrigen Fäden, die auf keinem Christbaum fehlen durften. Mit einem besonderen Gefühl wurden diese zarten Fäden von der Mutter immer über den kugelbehangenen Tannenbaum ausgebreitet, erst dann war es ein richtiger Christbaum. Während der Kriegjahre fehlte jedoch weitgehend dieser Schmuck und so mancher Christbaum stand nun fast schmucklos in der guten Stube. So war es auch damals, am 1. Weihnachtsfeiertag im Kriegsjahr 1943.

Ich war an die zwölf Jahre alt und bis heute erinnere ich mich alle Jahre an diesen Tag. Es war ein Wintertag, wie er schöner nicht hätte sein können. Eine dicke Schneedecke, soweit das Auge reichte, dazu tiefblauer, wolkenloser Himmel mit strahlendem Sonnenschein. So gesehen hätte Weihnachten gar nicht schöner sein können. Doch es war eben Krieg, wenn er auch noch fern war, allmählich bekam man diesen auch in der Heimat zu spüren. Auch an diesem Weihnachtstag.

Es war nicht das erste Mal in dieser Zeit, dass man aufhorchte, wenn man das oftmals noch ferne, aber schwere Brummen von Flugzeugen der feindlichen Bomberverbände hörte, die unser Gebiet überflogen. An diesem Weihnachtstag war es jedoch besonders schlimm. Es war kurz nach Mittag, als ein gar mächtiges Dröhnen von Flugzeugmotoren aufhorchen ließ.

Und was tat man als Kind in einem solchen Augenblick? Man lief auf die Straße und blickte hinauf zum blauen Himmel, wo in geringer Höhe bereits die ersten Flugzeuge zu sehen waren. Wie silbrige Vögel zogen sie, schwer beladen mit Bomben, von Süden kommend in Richtung Norden, schön geordnet in mehreren Pulks. Doch das war nicht alles. Vom blauen Himmel her näherte sich ein gar seltsames Rauschen, begleitet mit vielen glitzernden, kleinen Blitzen im Sonnenlicht. Es war Lametta, das die Flugzeuge abgeworfen hatten. Das damit verursachte Rauschen sollte die deutsche Luftabwehr stören. Es waren oft noch ganze Bündel, die auf der Schneedecke landeten.

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Und wie haben wir Kinder damals darauf reagiert? Wir sammelten natürlich dieses Lametta und hingen es an den „verschönerungsbedürftigen“ Christbaum in der warmen Stube. Und während wir uns angesichts dieses plötzlichen Weihnachtsgeschenkes erfreuten, fielen irgendwo die Tod bringenden Bomben, die Minuten zuvor noch mit dem weihnachtlich anmutenden Lametta unterwegs waren, auf Menschen, die ebenfalls Weihnachten feierten. So war es damals, als Krieg war. (cgf)