Infrastruktur
Der steinige Weg aus dem Ärzte-Mangel

Ein ägyptischer Arzt will die Landarzt-Praxis von Robert Altmann in Neukirchen übernehmen – doch die Hürden sind enorm.

15.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr
Alois Dachs

Mehr als ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte im Landkreis Cham sind nach Aussage von Landrat Franz Löffler zurzeit über 60 Jahre alt und halten Ausschau nach Nachfolgern für ihre Praxen. Foto: dpa

„Ich tue alles, um Alber nicht nur in die Praxisarbeit, sondern auch in die Gesellschaft einzuführen“, sagt Robert Altmann. Der gebürtige Neukirchener Hausarzt hatte vor 30 Jahren die Praxiszulassung von seinem Vorgänger übernommen, nun plant der Mittsechziger selbst eine Praxisübergabe – und sieht sich seit Monaten einem schwierigen „Hürdenlauf“ ausgesetzt. Hilfe brachte Robert Altmann, der den Tagesablauf seiner Praxis seit Jahren digital organisiert, vor einigen Monaten das Internet: Der in Kairo aufgewachsene und zum Arzt ausgebildete Alber Fakry Nashed (29) bekundete Interesse, die gut frequentierte Praxis am Neukirchener Marktplatz zu übernehmen.

Alber Fakry Nashed kam 2014 durch die Heirat mit einer Deutschen in die Bundesrepublik, sein Medizinstudium an einer englischsprachigen Universität in Kairo hatte er zu dieser Zeit bereits abgeschlossen. Seit drei Jahren lag sein Antrag auf Zulassung als Arzt in Deutschland „auf Halde“. „Lernen Sie doch erst Deutsch“, wurde ihm kundgetan. Obwohl er sich in der deutschen Sprache mittlerweile perfekt ausdrücken kann und auch eine entsprechende Prüfung schon vor längerer Zeit erfolgreich abgelegt hat, sollte er nun noch einmal auf seine Deutschkenntnisse geprüft werden, um in Neukirchen b. Hl. Blut als Arzt mit Robert Altmann arbeiten zu dürfen. „Das ist doch reine Schikane“, kritisiert Altmann.

Landschaft und Leute passen

Seit Dezember arbeitet Alber Fakry Nashed gemeinsam mit seinem Mentor Robert Altmann und dem qualifizierten Mitarbeiterteam in der Neukirchener Praxis. Um sie in einigen Jahren übernehmen zu können, muss er noch mindestens drei Jahre internistische Arbeit in einem Krankenhaus absolvieren, außerdem ein halbes Jahr in einer chirurgischen Abteilung arbeiten.

Von seinen bisherigen Erfahrungen in Neukirchen zeigt sich der Ägypter regelrecht begeistert. „Die schöne Landschaft hier – und die Leute sind sehr nett!“, sagt der junge Mediziner, der sich durchaus vorstellen kann, gemeinsam mit seiner Frau hier zu leben und die Hausarztpraxis von Robert Altmann weiter zu führen. Altmann nutzte am Mittwoch ein Gespräch mit Landrat Franz Löffler und Bürgermeister Markus Müller, um sich beim Landrat für seinen Einsatz zu bedanken, der dazu beitrug, einige Hürden für die Zulassung seines Kollegen zu überwinden.

„Qualifikation ist wichtig“

Für Landrat Franz Löffler ist es wichtig, die ärztliche Versorgung im ländlichen Bereich durch vielfältige Bemühungen sicher zu stellen. Dazu gehörten auch Überlegungen, die Zulassung zum Medizinstudium nicht starr an eine Abiturnote zu binden. Seiner Meinung nach könnten Zugeständnisse „von zwei bis drei Zehntelnoten“ an interessierte Abiturienten gemacht werden, die sich im Gegenzug verpflichten, nach Abschluss ihres Medizinstudiums als Hausärzte im ländlichen Bereich zu arbeiten. Auch seitens der Ärzte selbst seien Ideen erforderlich, machte der Landrat deutlich. So habe ein Mediziner in Kirchberg, im Nachbarlandkreis Regen, schon einige Medizinstudenten, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, bei einem Praktikum für die Arbeit als Landarzt begeistern können.

Die Chemie muss stimmen

Für Robert Altmann, der vor 30 Jahren in seinem Elternhaus am Neukirchener Marktplatz seine eigene Praxis eröffnet hatte, ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit mit einem möglichen Nachfolger optimal läuft. Er habe schon Interessenten gehabt, die eine solche Zusammenarbeit für ein Bruttogehalt von 6000 Euro im Monat anboten, „das gibt eine Arztpraxis einfach nicht her“, macht der erfahrene Arzt und Diabetologe deutlich.

Für Bürgermeister Markus Müller ist die Nachfolge in einer Arztpraxis in der 4000-Einwohner-Marktgemeinde Neukirchen b. Hl. Blut, die zusätzlich über 250 000 Übernachtungen pro Jahr verzeichnet, ganz wichtig. Neukirchen lebe nicht im Speckgürtel einer Stadt, die nächsten Krankenhäuser sind etliche Kilometer entfernt. Künftigen Landärzten müsse aber auch ein attraktives Umfeld mit akzeptablen Arbeitsbedingungen geboten werden, sagt Müller.

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