Menschen
Der Willi und die weibliche Psyche

Den Staubsauger-Willi kennt jede Chamer Hausfrau. Und viele öffnen ihm ihre Seelen. So wurde er zum psychologischen Berater.

06.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:29 Uhr
Ernst Fischer

So kennt ganz Cham den „Staubsauger-Willi“. In seinem Laden steht auch ein „Wunschbaum“. Da können Kunden etwas reinschreiben, was nicht mit Staubsaugern zu tun hat. Er selbst hat jetzt eine neue Ader in sich entdeckt – den psychologischen Berater. Fotos: Fischer

Der Mann möchte am liebsten „jeden Tag tausend Frauen glücklich machen“. Nein, nicht was Sie jetzt denken! Willi Kirchner scherzt gerne – auch mit ernsten Dingen. Diesen Mann kennt so ziemlich jede(r?), aber nicht unter seinem richtigen Namen. Willi Kirchner ist „der Staubsauger-Willi“. So einer kennt sich aus bei Hempels unterm Sofa, bei der weiblichen Spezies im Speziellen. Staubsauger sind wie Waschmaschinen: Bauknecht weiß, was Frauen wünschen.

Willi Kirchner sagt: „Ich beschäftige mich gerne mit der Psyche der Weiblichkeit.“ Das hat er gelernt im halben Leben seiner heute 62 Jahre – als Staubsauger-Mann. Und das währt nun schon gut drei Jahrzehnte.

Eigentlich hat er ja Bäcker gelernt, daheim in seiner Heimatstadt Aachen. Der Junge Willi war „ein Ungestüm“. „Ich wollte immer mit dem Kopf durch die Wand“, erzählt er. Und: „Nie einzwängen oder von etwas fesseln lassen! – Immer wenn mir etwas nicht gefallen hat, dann bin ich sofort gegangen.“

Humor öffnet jede Tür

So ist er 1999 nach Cham gekommen. Warum der Bayerwald? „Ich habe mich an die schönen Urlaube mit meinen Eltern hier in Sattelbogen erinnert“, erzählt er. „Die Menschen hier waren so freundlich.“

1999 hat er hier in der Chamer Fuhrmannstraße seinen ersten Staubsauger-Reparaturladen aufgemacht, vor acht Jahren ist er nach Brunnendorf umgezogen. „Und es läuft gut.“ In den eineinhalb Stunden, die wir hinten in der Werkstatt sitzen, läutet sechs Mal das Telefon. Kunden sind dran. Zwei haben ein Staubsauger-Problem. Und vier wollen „das Andere“. „Das Andere“ – deshalb sind wir eigentlich hier. Willi Kirchner hat uns wissen lassen, dass er sich längst nicht nur mit Haushaltsgeräten beschäftigt. Denn: Hinter jedem Staubsauger steht ein Mensch. Und meistens ist es eine Frau. So ist der Staubsauger-Willi zum psychologischen Berater geworden. Was er in seinem Laden aber auch so alles von seinen Kunden hört! „Da kommt man miteinander ins Reden. Und wenn sie von ihrem Leben erzählen, dann kommt irgendwann ein tiefer Seufzer, ein Stöhnen oder eine kleine Träne.“

„Frauen opfern sich immer auf“

Die ist schon eingerichtet – an der Wand ein großes Regal mit vielen Fächern. „Da stehen lauter alte Sachen drin: ein Globus, ein Wecker und und und…“ Wenn der Willi sich mit einem „Kunden“ dort trifft, dann lässt er ihn zuerst alle Fächer durchschauen. „Und wo der erste Seufzer kommt, da frage ich dann nach.“ Darum geht‘s: „Altes entstauben, Neues entdecken“. Übrigens: Zum Schluss unserer Sitzung hat der Willi mit mir eine kurze Trance gemacht. Ich sollte meinen Vornamen in Hypnose vergessen. So viel dazu ganz kurz: Ich heiße Ernst. Aber den linken Fuß hat er mir kurz am Boden festgeklebt…

Karlheinz Schröder ist Diplompsychologe mit psychotherapeutischer Praxis in Bad Kötzting. Was sagt er?

Das kann gefährlich sein

Herr Schröder, was halten Sie von einem Staubsauger-Vertreter, der zum psychologischen Berater wird?

Willi Kirchner sagt, dass er in Gesprächen mit seinen Kunden zu seiner neuen Berufung gekommen ist, weil immer mehr Menschen unter psychischen Problemen leiden. Ist das wirklich so?

Stimmt. Deshalb müsste die Zahl der Psychologen deutlich erhöht werden. Im Landkreis sind aktuell 28 Psychotherapeuten tätig – mindestens zehn mehr bräuchten wir.

Wie lange muss man heute auf einen Termin beim Therapeuten warten?

Ein Dreiviertel- bis ein Jahr.

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