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Ihre Kunst geht unter die Haut

Vom Totenkopf zum Trash-Polka: In ihrem neuen Tattoo-Studio in Cham schafft Sabrina Lechner Kunst für die Ewigkeit.

23.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr
Michael Gruber

Schön sein kann weh tun: „Back to Tattoo“ heißt das neue Studio in der Judenstraße, mit dem sich Sabrina Lechner einen Traum erfüllt. Fotos: Gruber

Es gibt Momente im Leben, die hinterlassen eine Narbe und die von Sabrina Lechner sitzt über dem linken Knöchel: ein Smiley. Der Kopf hat ein paar Kanten und auch das Lächeln ist nicht perfekt. Aber das war der 31-Jährigen auch nicht wichtig, als sie Anfang des Jahres ihr erstes Tattoo im Selbstversuch stach. Ein schwerer Autounfall hatte ihren Lebensgefährten im Februar in den Tod gerissen und die gebürtige Biberbacherin beschloss, seiner Berufung zu folgen. Denn wer den Körper als Leinwand für Kunst sieht, weiß, dass Schmerzen auch gute Seiten haben können.

„Wer einmal damit angefangen hat, kann nicht mehr aufhören“, sagt die Tattoo-Liebhaberin. „Entweder Du liebst es, oder Du hasst es – man muss ein Faible für den Körperkult haben.“ Konzentriert sitzt sie über ihrem Zeichentisch und fährt die Linien eines Raben nach, der vor einem Ziffernblatt den Schnabel aufreißt. Das Motiv soll den nächsten Kunden glücklich machen, der auf ihrem Lederstuhl in der Judenstraße 4 Platz nimmt.

Zur Tätowiererin in Eigenregie

„Back to Tattoo“ heißt das Studio, mit dem die Biberbacherin vor wenigen Wochen unter die Chamer Firmengründer gegangen ist und nach 13 Jahren in Ulm, Nürnberg und Kassel einen Neuanfang im Landkreis wagt. Worauf es beim Tätowieren ankommt und welche Technik es beim Stechen der Motive braucht, hat sich die gelernte Bankkaufrau nach dem Unfall ihres Lebensgefährten in Eigenregie beigebracht, zunächst am eigenen Körper und dann bei Freunden und Bekannten.

Die Ergebnisse präsentiert sie auf ihrer Facebookseite -– und den Chamer Tattoo-Fans gefällt’s. Mit der bisherigen Resonanz zeigt sich die Firmengründerin zufrieden, und auch mit den Betreibern der anderen Tattoo-Studios im Landkreis sucht sie einen freundschaftlichen Draht.

Ein 360-Grad-Blick ins Tattoo-Studio

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„Ich habe großen Respekt vor der langjährigen Erfahrung der Kollegen“, sagt Lechner. „Jeder hat seinen eigenen Stil und Motive, die er am besten beherrscht, und es gibt auch Dinge, an die ich mich jetzt noch nicht heranwage.“ Porträts zum Beispiel gehören für die Quereinsteigerin zur Königsdisziplin der Körperkunst, die selbst eingefleischte Profis ins Schwitzen bringen. In ihrem Studio setzt Lechner stattdessen auf eine Stilrichtung, die sie selbst gerne auf der Haut hat: Trash-Polka heißt die Machart von Motiven, die in der Szene derzeit hohe Wellen schlägt. Kontraste in Schwarz- und Rottönen und Überlappungen von zahlreichen Details prägen diese Stilform, mit der auch Lechners nächster Kunde seinen Unterarm aufpeppen will.

Neuanstrich für Jugendsünde

„Der Rabe auf dem Totenkopf nervt mich schon lange“, sagt Christoph Hädicke, der mit seiner Freundin Stefanie aus Rötz angereist ist, um einen Geburtstagsgruß auf dem Unterarm aufzuhübschen. Zu seinem 18. Geburtstag legte sich der Zerspanungsmechaniker für sein erstes Tattoo unter die Nadel eines Bekannten. Das Motiv mit dem Laser zu entfernen und damit das Risiko von Pigmentstörungen einzugehen, kommt für den 23-Jährigen aber nicht in Frage.

Stattdessen soll der alte Rabe neue Gesellschaft bekommen – von einem Ziffernblatt, das fünf vor Zwölf zeigt und den Schriftzug „Life’s too short“. Lechner tunkt ins Tintenfass und die Nadel sticht im Dauerfeuer das Trash-Polka-Motiv unter Christophs Haut. „Fühlt sich ungefähr so an, als würde dein Handy vibrieren“, sagt er und blickt gelassen zu seiner Freundin. Die hat sich vor wenigen Tagen ein Mandala unter das Dekolleté stechen lassen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Ein Unterarm als Leinwand

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