Brauchtum
Palmgerten sind heute selten geworden

Für Kinder war die Prozession in Bad Kötzting mit den langen Gerten etwas besonders und verlangte viel Geschick.

28.03.2015 | Stand 16.09.2023, 7:10 Uhr
Isabell Dachs
Palmsonntag in den 50er Jahren. Bei der Prozession von der Veitskirche zur Pfarrkirche sind noch unzählig viele lange Palmgerten zu sehen. −Foto: Arbeitskreis Heimatforschung, Repro: kid

„Mogst Du heuer wieder a Boimgadt?“ Das ist Mitte der Fastenzeit die obligatorische Frage unserer Oma an ihre Enkel. Denn sollte die Frage bejaht werden, so gilt es, rechtzeitig die passenden Haselnussstecken dafür auszusuchen, damit die Palmgerte bis zum Palmsonntag fertig verziert bereit steht. Nicht zu dick darf er sein, damit er für die Kinder nicht zu schwer wird. Aber trotzdem muss er noch stabil sein und darf sich nicht verbiegen. Vor allem aber muss er die passende Anzahl an Zweigen aufweisen, eben soviele, wie in der Familie Palmbuschen benötigt werden.

Krepppapier und Buschen

Der Stecken wird komplett mit buntem, vorzugsweise aber mit weißem oder gelbem Krepppapier umwickelt. Auf jeden einzelnen Zweig wird ein Buschen aus Buchsbaum, Sadebaum (bayrisch Zejglbaam oder Segnbaam), und Palm- bzw. Weidenkätzchen gebunden und anschließend mit bunten Seidenpapierstreifen und einer Stoff- oder Seidenschleife schön verziert. Aufgrund der immer wärmer werdenden Witterung, müssen die Weidenkätzchen früher geschnitten werden, sonst sind sie kurz vor dem Fest bereits verblüht und nicht mehr zu gebrauchen.

Für uns Kinder war das gemeinsame Palmbuschenbinden in der Familie immer ein schönes Erlebnis. Allein das Schneiden des Seidenpapiers mit der großen schweren Zickzackschere, die nur einmal im Jahr zu diesem Zweck zum Einsatz kam, war schon etwas Besonderes. Dabei wurde von den Erwachsenen streng auf besondere Sorgfalt beim Arbeiten geachtet.

Schließlich wollten wir am Palmsonntag bei der Palmweihe und -prozession damit auch etwas Eindruck schinden. Am Sonntag vor Ostern, dem Palmsonntag, feiern Katholiken den Einzug Jesu Christi in Jerusalem. Nach der Überlieferung habe ihm das Volk dabei mit Palmwedeln und dem Ruf „Hosianna dem Sohne Davids!“ gehuldigt. Die bunten Palmbuschen sollen das symbolisieren. Der Palmsonntag läutet die letzte Woche der Fastenzeit, die Karwoche ein.

Spannender Gang mit der Gerte

Bei meinen beiden Neffen, sechs und zehn Jahre alt, war heuer die Freude über das Angebot der langen Stange eher verhalten, sie begnügen sich in diesem Jahr lieber mit einem kleinen Palmbuschen. Wie bei diesen beiden, so ist es mittlerweile bei vielen Kindern und Jugendlichen. War es zu meiner Kinderzeit in den 80er Jahren noch eine Art Wettbewerb, wer die längste „Boimgadt“, sprich den längsten Palmstecken hat, werden diese jetzt immer seltener.

Dabei war es immer spannend, ob denn der Träger seinem langen Stecken überhaupt „Herr wird“. Ein heftiger Windstoß brachte die langen „Boimgadten“ oft in Schieflage und ohne den Zugriff der Erwachsenen konnte die Senkrechte manchmal nicht eingehalten werden. Gefährlich war auch das gegenseitige Verhaken der Zweige mit denen des Nachbarn, riskierten wir dabei doch, die bunten Seidenpapierstreifen der einzelnen Buschen abzureißen.

Hatten es die „Boimgadtträger“ bei der Prozession vom Veitsplatz bis zur Stadtpfarrkirche geschafft, ihre Palmgerte unbeschadet dorthin zu bringen, so kamen die nächsten Herausforderungen in Form von Torbogen und Kirchenportal auf einen zu. Bei so manchem Prozessionsteilnehmer landeten beim Einfädeln der sperrigen Stangen die Buschen vom anderen Ende unsanft auf dem Kopf.

In der Kirche war es für uns Kindern dann eine besondere Freude, wenn die „Boimgadt“ wenigstens so lang war, dass wir damit die Pendelleuchten im Kirchenschiff erreichten und daran „herumstriegeln“ konnten.

Heute begnügen sich die meisten mit einem kleinen Buschen, wie sie auch eine Woche vor dem Palmsonntag vor und nach den Gottesdiensten zum Kauf angeboten werden. Insgesamt zwölf Frauen der Kötztinger Seniorenbastelgruppe unter der Leitung von Anneliese Schedlbauer fertigen jährlich zwischen 500 und 600 solcher Büschel und bieten sie denen an, die nicht selbst basteln wollen oder können.

Am Palmsonntag werden die Buschen und Palmgerten bereits vor der Prozession vom Geistlichen gesegnet. Zuhause werden beim Palmstecken die einzelnen Buschen abgeschnitten und bekommen dann einen Platz in der Stube, vorzugsweise im Herrgottswinkel in der Nähe des Kreuzes, wo sie für Segen uns Schutz sorgen sollen. Die Stange kommt in den Stadel, ihr wird die Gabe zugeschrieben, den Hof vor Blitzschlag zu bewahren. Einzelne geweihte Palmkätzchen zu essen, bzw. den Tieren unters Futter zu mischen, soll nach dem Volksglauben ebenfalls Schutz vor Krankheiten bieten.