Geschichte
Das Unvorstellbare in Bilder fassen

Waldmünchener Konfirmanden besuchten die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Zur Nazi-Zeit lebten noch nicht mal deren Großeltern.

20.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:22 Uhr

So schwer ist schon ein kleiner Brocken Granit. Unvorstellbar, wie hart die Zwangsarbeit in den Steinbrüchen rund um das Konzentrationslager gewesen sein muss. Pfarrer Herbert Sörgel (rechts), der die Waldmünchener Konfirmanden seines Kollegen Ernst Schwemmer durch die Ausstellung und das Gelände führte, bemühte besondere Vergleiche, um das schwere Thema zu vermitteln. Foto: Schoplocher

„Grauenhaft“. Immer wieder entfleucht Pfarrer Ernst Schwemmer dieses Wort. Ihm fällt das Kommentieren leichtern, seinen sieben Konfirmanden, die an diesem tristen Tag erstmals die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Flossenbürg betreten, bleibt oftmals nur der entsetzte Blick. Auf Bilder, aber auch zu dem, was Pfarrer Herbert Sörgel der Gruppe aus Waldmünchen erzählt. In der Ausstellung, dem Tal des Todes oder auf den Gefängnisgrundmauern.

Sörgel, je zur Hälfte evangelischer Geistlicher der kleinen Flossenbürger Gemeinde und der Gedenkstätte, fiel offenkundig eine schwierige Aufgabe zu. Ohne Gegenwartsbezug sei es schon für heutige Erwachsene schwierig, in die Zeit des Nationalsozialismus einzudringen, erklärt er später. Aber für Elf- bis 14-Jährige, von denen ein Teil weder den Namen Hitler kennt noch weiß, was SS bedeutet: „Puh“. Aber der Pfarrer, der ohnehin nur ausgewählte, meist seinem Spezialgebiet Dietrich Bonhoeffer folgende, Führungen anbietet, findet immer wieder Worte und Bilder, das Unvorstellbare in Umrissen darzustellen.

Bewusstsein schaffen

Herbert Sörgel bemüht einen gewagten Vergleich, um das Verhalten der Menschen im Dritten Reich zu erklären. Ob sie denn, fragt er die Konfirmanden, auf ihr Handy verzichten würden, wenn sie wüssten, dass es in Afrika unter menschenunwürdigsten Dingen zusammengebaut wurde? Er spannt den Bogen zum gedankenlosen Preisgeben von Daten („da braucht bloß das Regime wieder wechseln“) und deutet an, dass der Begriff „Biodeutscher“ durchaus an die rassenideologische Ideen erinnern könnte – natürlich anders erzählt.

Zwischendurch gönnt der Flossenbürger Pfarrer sich und den Erwachsenen – neben zwei Vätern, die sich aus Interesse gerne als Fahrer zur Verfügung gestellt haben, eine Pilgerin auf dem Jakobsweg – komplexere Erläuterungen. Die Konfirmanden, statt wegzuhören aber, verfolgen auch diese Sätze aufmerksam.

Flossenbürgs Granitvorkommen machten den Ort als Lagerstandort interessant, erklärt Sörgel. Die Jugendlichen dürfen einen Stein hoch heben und erkennen anhand dessen Gewicht, welche Plackerei die Häftlinge aushalten mussten – und dabei kaum zu essen bekamen. Der Pfarrer rechnet vor, dass sich drei Menschen eine Pritsche teilen mussten, beschreibt, wie es gestunken haben muss, wie sich Krankheiten ausbreiteten. „Irgendwann sind sie gestorben wie die Fliegen.“ Für die Erwachsenen fügt er den Satz mancher Flossenbürger Häftlinge an, die sich „lieber im Gas in Auschwitz“ sähen.

Lang betrachten alle die Liste mit den Nummern, mit denen Menschen die Würde genommen wurde. Sörgel mahnt, dass hinter jeder Nummer ein Name und ein Schicksal stehe. „Sieh’ mal die Haufen Kreuze in den Häftlingsbüchern“ – auch ohne diesen spontanerschrockenen Hinweis von Ernst Schwemmer macht sich – wieder einmal – Betroffenheit breit.

Aufmerksame Zuhörer

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