Soziales
Schrumpfkur für den Trödel

Mit dem Umzug wird es eng für das Chamer Sozialkaufhaus. Für einige Mitarbeiter steht nun ein Traum auf dem Spiel.

14.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:14 Uhr
Michael Gruber

Aufbruchsstimmung in der Gartenstraße: Bis Ende Januar müssen die Waren unters neue Dach des Werkhofs nach Altenstadt. Foto: Gruber

Die Porzellanpuppen sind schon ausgezogen, die großen Schrankwände kommen auf den Hubwagen. Auch in der Kleiderabteilung lichten sich die Stangen: Gebrauchte Lederjacken, schrille Hüte und dutzende Jeanshosen aus den 90ern müssen heute noch in die Umzugskiste und für Petra Fisch steckt da auch ein Stückchen Hoffnung mit drin. „Ich habe immer daran geglaubt, dass es mit unserem Laden nicht zu Ende geht“, sagt die 58-jährige Mitarbeiterin des Werkhofes in der Gartenstraße.

Im Oktober erreichte das Sozialkaufhaus die schlechte Nachricht: Der Eigentümer der Halle weigerte sich, den Pachtvertrag nach Ablauf der dreijährigen Befristung zu denselben Konditionen zu verlängern. Mit dem drohende Aus des Kaufhauses stand für Mitarbeiterinnen wie Petra Fisch auch ein Traum auf dem Spiel: Die Rückkehr aus der Arbeitslosigkeit in einen geregelten Alltag.

Kein Rennen um Rendite

„Es ist einfach schön, wieder eine Aufgabe zu haben und das Arbeitsklima hier ist einfach toll“, sagt die gelernte Schneiderin aus Schorndorf. Drei Jahre lange verschickte sie erfolglos Bewerbungen, bis ihr die Arbeitsagentur eine Stelle in einem Kaufhaus vermittelte, wo das große Rennen um Rendite eine Pause einlegt. 2011 eröffnete die Diakonie Weiden die Chamer Zweigstelle des sozialen Beschäftigungsprojekts, das Langzeitarbeitslosen, älteren oder behinderten Menschen wieder eine Perspektive geben soll. Genauso bekommen gebrauchte Möbel, Kleidung, alte Bilder oder andere Habseligkeiten hier eine neue Chance: Bis zu drei Mal am Tag rücken die Mitarbeiter mit dem Lieferwagen aus, entrümpeln alte Wohnungen oder holen auf Kundenanfrage Schrankwände, Küchenzeilen oder Sofas ab, die sonst auf dem Müll landen würden. Über den Tresen gehen die Waren zu 20 Prozent des Neupreises. Das Unternehmensziel ist eine schwarze Null: Die Erlöse sollen die laufenden Kosten decken.

Sozial Bedürftige sollen damit eine Chance bekommen, sich zu Hause einzurichten - aber auch unter Schnäppchenjäger und Flohmarktfans ist der Werkhof längst zur Beliebten Einkaufsadresse geworden: „Vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Doktor ist bei uns alles dabei. Gelegentlich stöbert auch die Bürgermeisterin durch unseren Fundus“, sagt Teamleiterin Roswitha Mertens. Für sie und ihre Mitarbeiter löste sich das Bangen kurz vor Weihnachten auf: Die Geschäftsführung wurde in der Altenstadter Straße 19 in einer Halle der Familie Heller fündig. Ab Mitte Februar soll es direkt neben dem Sonderpostenmarkt Philipps weitergehen. Zur Erleichterung über das neue Dach über dem Kopf macht sich im Team aber auch Skepsis breit. Von knapp 1100 Quadratmeter in der Gartenstraße wird die Verkaufsfläche nun auf rund 600 Quadratmeter schrumpfen. „Wir müssen gerade schauen, wie wir die überschüssigen Waren losbringen“, sagt Mertens, die angesichts der kurzfristigen Entscheidung den Umzug während des laufenden Betriebs managen muss.

Arbeitsplätze auf der Kippe

Bis Ende Januar wollen sie Kunden zum Räumungsverkauf mit Waren zum halben Preis locken – dazu geht jeder zweite preisgünstigere Artikel umsonst über den Tresen. Weniger Platz für Second-Hand-Waren heißt für den Betrieb möglicherweise aber auch: weniger Umsatz. Und für Mitarbeiterinnen wie Petra Fisch, deren Vertrag bis April 2018 auf ein Jahr befristet ist, könnte damit auch der liebgewonnene Arbeitsplatz auf dem Spiel stehen. „Unser Umsatz hatte sich in der Gartenstraße über die Jahre hinweg deutlich erhöht. Ein Rückgang könnte sich natürlich auch auf die Personalplanung auswirken“, sagt Teamleiterin Roswitha Mertens.

Die Nachfrage nach preisgünstigen Möbeln, Kleidung und Einrichtungsgegenständen sei über die letzten Jahre nicht nur unter Schnäppchenjägern gewachsen. Dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter auseinander klafft, macht sich auch in der Kreisstadt bemerkbar, erklärt Mertens: „Die Zahl der Bedürftigen, die sich bei uns mit günstigen Möbeln oder gebrauchten Klamotten eindecken, hat definitiv zugenommen.“ Oft seien es aber auch diejenigen mit den dicken Geldbeuteln, die trotz Ramschpreisen um Heller und Pfennig feilschen. „Viele drücken bei Couchen oder Schränke den Preis noch nach unten, und dann steigen sie draußen in ihren BMW X5 oder den Mercedes SLK“, erzählt Mitarbeiter Alex Gruber. Mit dem Wechsel der Nachbarschaft sieht der stellvertretende Teamleiter auch neue Herausforderungen auf den Werkhof zukommen. Neben dem Sonderpostenmarkt Philipps wohnt die Diakonie nun Tür an Tür mit einem Mitbewerber im Niedrigpreissektor.

Hier lesen Sie weitere Meldungen aus dem Landkreis Cham.

Erhalten Sie täglich die aktuellsten Nachrichten bequem via WhatsApp auf Ihr Smartphone.Alle Infos dazu finden Sie hier.