Gesundheit
Staudingers Ziel rückt in Sichtweite

Mit dem AOK-Modellprojekt stehen dem Bad Kötztinger Lebensstilprogramm die Fördertöpfe offen. Doch noch wartet viel Arbeit.

10.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:36 Uhr
Roman Hiendlmaier
Meilenstein erreicht, nun wird weitergearbeitet: TCM-Klinikchef Anton Staudinger im Sinocur, Heimat des Modellprojekts Lebensstilprogramm −Foto: rh

„Wende“, „Meilenstein“, „neue Dimension“ – an Superlativen mangelte es nicht bei der Unterzeichnung des Modellprojekts von AOK und TCM-Klinik am 5. Oktober im Sinocur. Damals lächelte auch Klinik-Chef Anton Staudinger in die Kameras – zwei Wochen später herrscht in seinem Büro wieder Arbeitsatmosphäre. „Meilenstein“, den Begriff würde Staudinger aber stehen lassen.

Es geht um eine halbe Million

Vor allem im Bezug auf die Arbeit, die vor dem Klicken der Kulis und Kameras notwendig war: „Wir haben der AOK Bayern nicht nur ein völlig neues Konzept vorgestellt, wir haben es gemeinsam mit der AOK Bayern auch in kurzer Zeit zur Vertragsreife entwickelt.“ Die AOK als exklusiven Partner zu gewinnen, darauf könne man schon stolz sein. Noch dazu, als dass sich die Kasse für die Kötztinger ein wenig aus dem Fenster gelehnt hat und in eine neue, innovative Präventionsleistung investiert. Natürlich sei eine halbe Million Euro erwartete Projektkosten für die AOK ein überschaubares Risiko. Größer sei das Signal, das von der Unterzeichnung ausgeht: Da gibt es ein Konzept, von dem auch die AOK glaubt, dass es Potenzial bis zur Kassenleistung hat.

Dass es solche Meilensteine brauche, ist nach Ansicht Staudingers unabdingbar. „Ohne Evaluation gibt es keine Möglichkeit zur Kostenübernahme,“ sagt Staudinger. Was die Kassen und damit der Gesetzgeber will, sind harte Fakten, die dokumentieren: Das Programm bringt was. Doch um die Fortschritte sinnvoll überprüfen zu können, dokumentieren die Teilnehmer während der gesamten Laufzeit des Lebensstil-Programmes in das Gesundheitsportal. Teilnehmer werden – natürlich anonym – nach Körpergewicht und Bauchumfang ebenso gefragt wie nach dem „Drei-Ebenen-Stresstest motorisch“, oder ob sie regelmäßig Tanzen gehen?

„Das Programm holt jeden einzelnen bei seinem Ist-Zustand ab, und macht ihm Vorschläge, wie er länger gesünder leben kann.“ Bei einem Burn-out-Gefährdeten seien das ganz andere Maßnahmen, als wenn jemand Diabetes drohe. Nebenbei lassen Umfang und Grad der Detaillierung auch erkennen, warum man so großen Wert auf die Ausbildung der Coaches lege. Aktuell bildet ein Zertifikatslehrgang Mitarbeiter in Gesundheitsberufen zum IGM-GesundheitsCoach weiter. Die Teilnehmer sind Versicherte der AOK Bayern. Teilnehmen können alle diejenigen, die die Zugangs-Kriterien für dieses Modellvorhaben erfüllen. Ihre Zahl wird auf einige Hundert in den nächsten vier Jahren beschränkt bleiben, wobei eine Gruppe aus nur 15 Personen besteht. „Das sind in etwa zehn Gruppen pro Jahr“, rechnet Staudinger. Mehr sei in dieser Phase personell nicht zu leisten. Zudem werde es für spezielle Risiko-Gruppen wie Prä-Diabetes oder Prä-Burnout gesonderte Gruppen, die an randomisiert kontrollierten Studien teilnehmen, geben.

Und die AOK will auch was

Spannend werde es, wenn die ersten Ergebnisse publiziert werden, möglicherweise bei Halbzeit des Modellprojekts. Dann werde sich zeigen, ob diese Evaluation ähnlich gut wie die bisherigen ausfalle. Anton Staudinger: „Die ersten Ergebnisse aus den vom Gesundheits-Ministerium evaluierten, bereits durchgeführten Studien, liegen schon vor und werden in Kürze veröffentlicht. Daher kann ich nur soviel sagen: Wir sind sehr zufrieden.“ Spricht also vieles für neue Superlative beim nächsten Pressetermin.

Programm muss sich beweisen

Die Teilnahme von Sabine Steinlechner am individuellen Präventionsprogramm war aufschlussreich, sicher aber nicht ausschlaggebend, warum die AOK Bayern das Modellprojekt abgeschlossen hat.

„Wer, wenn nicht wir?“, lautet die Gegenfrage der „Bereichsleiterin für Besondere ambulante Versorgung“ , wie die AOK ihre Sparte nennt, bei der neue Behandlungskonzepte aufschlagen. Die größte Kasse in Bayern nennt sich „die Gesundheitskasse“ – das spiegle sich auch in Projekten wie dem Lebensstilprogramm wider.

Wie andere Kassen auch, halte die AOK ständig Ausschau nach neuen Therapiekonzepten und -ansätzen, sagt Sabine Steinlechner. Der Grund ist klar: Gesündere Mitglieder sind zufriedenere. Und auch der Finanzvorstand freut sich, wenn die Ausgaben der AOK wenn schon nicht weniger werden, dann zumindest langsamer steigen. Aus Sicht einer Kasse mit Milliarden-Etat sei das Kötztinger Modellprojekt „ein kleines, aber feines“, sagt Steinlechner. Eine halbe Million Euro lässt sich die AOK die vierjährige Modellphase kosten, um zu schauen, ob die Prävention hält, was sich die Macher von ihr versprechen.

Denn auch bei kleinen, feinen Projekten habe man hohe Ansprüche: So umfasst der Vertrag von AOK und TCM satte 14 Seiten, in denen haarklein aufgelistet ist, was in Kötzting zu tun und zu lassen ist, um die Erstattung aus München zu erhalten. Ein halbes Jahr haben Mediziner, Juristen und AOK-Experten an dem Werk gesessen, schließlich gab es bisher nichts vergleichbares. „Wir erwarten in erster Linie Qualität,“ lautet die Kurzfassung. Konkret werden voraussichtlich 300 bis 400 TCM-Patienten mit AOK-Versicherung angeschrieben, ob sie nach dem Klinik-Aufenthalt nicht das Lebensstilprogramm mitmachen wollen. Bei Diabetes- und Burn-out-gefährdeten Patienten verspreche eine Lebensstil-Änderung besonders positive Auswirkungen. „Am Ende werden wir schauen, ob sich die Gesundheit der Teilnehmer gegenüber einer Vergleichsgruppe verbessert hat.“ Ob dann die ersehnte Regelleistung stehen wird, mag Steinlechner nicht orakeln: „Das kleine, feine Programm muss sich nun beweisen.“

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