Tradition
Zeit von Heiligen und Schreckgestalten

Im Bayerischen Wald sind viele Heiligen-Tage vor Weihnachten mit Mythen verbunden – oft sind die sehr dunkel.

03.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:18 Uhr

Zahlreiche Heilige – vom Ambrosius über den Nikolaus bis zur Lucis und zum Thomas – haben ihre Gedenktage im Advent. Die sind stets mit Bräuchen verbunden.Zeichnung: Isabell Dachs

Mit dem ersten Sonntag nach dem 26. November beginnt der Advent, die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn. Heute übliche Adventsbräuche wie Adventskranz und -kalender sind nicht mal 200 Jahre alt. Bei anderen Bräuchen liegt der Ursprung oft viel weiter zurück. In der Vorstellung unserer Urahnen waren die Tage im Advent bedroht vom Walten böser Geister, die sich bei ihnen zu Schreckgestalten verkörperten. Das hat sich teilweise bis heute gehalten. So finden wir bei uns im Brauchtum die Verehrung der Heiligen im Advent direkt vermischt mit heidnischem Glauben.

Bereits mit dem Martinstag (11. November) wurde oftmals schon die erste Vorbereitung auf Weihnachten eingeläutet. Nach diesem Tag begann eine vierzigtägige Fastenzeit. Die Menschen nutzten den Gedenktag des Heiligen Martin als letzte Gelegenheit, mit einer Gans ein ausgiebiges fettes Essen zu sich zu nehmen. Die Legende, dass Gänse mit ihrem Geschnatter den im Stall versteckten Martin verrieten und er so Bischof von Tours wurde, entstand erst später. Am 25. November ist der Gedenktag der heiligen Katharina, die 306 gerädert und enthauptet wurde. Dieser Tag war der letzte vor Weihnachten für Feier- und Tanzveranstaltungen. Der Spruch „Kathrein stellt den Tanz ein“ ist heute noch vielen bekannt.

Die Nacht vor Sankt Andreas (30. November) hat dann im Bayerwald die Losnächte eingeleitet. Nach altem Volksglauben sind darin vom Abendläuten bis zur Hahnenkraht Geister los, der Bann ist von ihnen genommen. Diese Nächte sind besonders dazu geeignet, mithilfe der entfesselten Geister den künftigen Ehepartner herauszufinden oder den Gewünschten an sich zu binden. Die Bräuche variieren je nach Region: Man schaut ins Feuer und sagt ein Sprüchlein oder Gebet auf und im Feuer oder Spiegel soll dann der Zukünftige erscheinen. Oder man aß eine Semmel in drei Bissen und wer einem dann als Erster begegnet, sollte es sein.

Ein anderer Brauch ist das Pantoffelwerfen, bei dem ein unverheiratetes Mädchen seinen linken Pantoffel über die Schulter zur Tür wirft. Wenn der Pantoffel mit der Spitze zur Tür fällt, bedeutet das, dass sie noch im selben Jahr heiraten wird. Um den Zukünftigen im Traum zu sehen, ist in unserem Bereich folgender Spruch bekannt: „Bettstod, i tritt di, heiliger Andreas (Thomas), i bitt di, laß mir erscheinenden Herzallerliebsten meinen!“ Der Heilige Andreas war ebenso wie sein Bruder Simon Petrus einer der Jünger Jesu. Auch er wurde gekreuzigt und soll noch zwei Tage vom Kreuz herab gepredigt haben. Die Kreuzigung geschah der Legende nach an einem Kreuz mit schrägen Balken, dem sogenannten Andreaskreuz.

Blüten künden vom Eheglück

Ihm folgt am 4. Dezember die Heilige Barbara. Barbara von Nikomedien war eine Märtyrin und Heilige des 3. Jahrhunderts, die durch ihren Vater enthauptet wurde. Einer Legende nach blieb Barbara auf dem Weg ins Gefängnis mit ihrem Gewand an einem Zweig hängen. Sie stellte den abgebrochenen Zweig in ein Gefäß mit Wasser, und er blühte genau an dem Tag, an dem sie zum Tode verurteilt wurde. Daher auch der Brauch der Barbarazweige, die von einem Obstbaum geschnitten und in der Wohnung ins Wasser gestellt werden. Sie sollen bis zum Heiligen Abend blühen. Die Nacht zu St. Barbara ist die zweite Losnacht. Um den Namen des Bräutigams zu erfahren, hängten junge Mädchen Zettel mit den Namen heiratsfähiger Burschen an verschiedene der Barbarazweige. Wessen Zweig am ehesten Blüten trug, der sollte das Mädchen heiraten.

Die Verehrung des Heiligen Nikolaus (Gedenktag 6. Dezember), der in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts Bischof von Myra war, bürgerte sich im deutschen Sprachraum im zehnten Jahrhundert ein. Im Laufe der Zeit wurde er zur bekanntesten Heiligengestalt im Altbayerischen. Er trägt in der Regel Messgewand, Rauchmantel, Mitra und Bischofsstab. Der lange weiße Bart und das goldene Buch dürfen nicht fehlen. Lange Zeit galt die Nikolauseinkehr als eigentliche Weihnachtsbescherung. Der Brauch, dass das Christkind die Geschenke bringt, ist relativ jung.

Leider wurde die Erscheinung des Heiligen Nikolaus immer mehr vom amerikanischen Weihnachtsmann verdrängt, der als dicker und lustiger alter Mann mit langem weißem Rauschbart und roter mit weißem Pelz besetzter Kutte und Zipfelmütze auftritt. Coca-Cola nutzte diese Darstellung ab 1931 alljährlich zur Weihnachtszeit für Werbung und machte sie so weltweit bekannt. Mit dem Hl. Nikolaus hat diese Figur allerdings nichts zu tun. Brauch ist es nachwievor, dass der Heilige Nikolaus mit seinem Gefolge, dem Knecht Ruprecht, dem Krampus, dem Klaubauf oder mit der Habergeiß am Vorabend seines Festtages von Tür zu Tür geht und die Kinder tadelt oder lobt und kleine Geschenke verteilt. Nikolaus und sein finsterer Begleiter gelten als die Personifizierung von „Gut und Böse“. Die Nacht vor dem Gedenktag des Heiligen Ambrosius (7. Dezember) ist dann die vierte Losnacht, wobei dieser Heilige meist nur Imkern bekannt ist, deren Schutzheiliger er ist. Einer Überlieferung zufolge, soll sich in der Kindheit des Heiligen ein Bienenschwarm auf seinem Gesicht niedergelassen haben. Ambrosius wurde nicht gestochen. Die Bienen krochen in den Kinds-Mund und nährten es mit Honig.

Besser bekannt ist dann wieder die Heilige Lucia (13. Dezember). Lucia, auf Syrakus in Sizilien geboren, erlitt um das Jahr 304 den Märtyrertod. Ehe Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 den Gregorianischen Kalender einführte, galt der Lucientag als der kürzeste des Jahres, dem die längste Nacht folgte. ln dieser Nacht entfalteten die Dämonen ihre größte Macht. Nach alter Vorstellung war eine weibliche Schreckensgestalt die Herrscherin dieses Tags. Deshalb stand auch das Brauchtum dazu im starken Gegensatz. Zum einen die Verehrung einer Heiligen als „Lichtbringerin“ in Lichterprozessionen, zum anderen die Furcht vor der „bluadigen Luzier“. Letztere war bei Kindern gefürchtet, erzählten doch die Eltern, sie ginge in der Dunkelheit herum, um unfolgsamen Kindern den Bauch aufzuschneiden und ihn mit Steinen oder Glasscherben zu füllen. Tatsächlich waren früher oft Frauen als „Luzier“ unterwegs. Mit Sichel und Wetzstein, dazu eine Schüssel voll Gedärm, erschreckten sie die Kinder.

Der Thamerl haut auf Daumen

Ebenso blutig kommt der „bluadige Thamerl“ oder auch „Thamer mid’m Hammer“ am Vorabend des 21. Dezember daher. Es ist der Gedenktag des Heiligen Thomas, seit Einführung des Gregorianischen Kalenders der Tag mit der längsten Nacht. In Teilen des Bayerwalds reckte der „bluadige Thamerl“ ein blutbesudeltes Bein zur Stube herein, die er aber nicht zu betreten wagte. Dass man gerade an diesem Tag die Kinder mit blutrünstigen Märchen schreckte, liegt daran, dass der Thomastag früher der Schlachttag vor Weihnachten war. In anderen Gegenden schwang er einen blutigen Hammer und drohte bösen Kindern damit. Wen er erwischt, dem schlägt er damit auf die Daumen. Deshalb war es für Kinder wichtig, dass sie in der Thomasnacht die Daumen auch beim Schlafen in der Faust behielten. Ob sich dieser hammerschwingende „Thamerl“ von dem altdeutschen Donnergott Donar ableitet, ist nicht gewiss. Nach der Thomasnacht werden die Tage wieder länger und so kann man bald wieder auf mehr Tageslicht hoffen. So heißt es in einem alten Spruch: Weihnachten um an’ Muggenschritt, Neujahr um an’ Hahnentritt, Dreikönig um an’ Hirschensprung, Lichtmeß um a ganze Stund.

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