Ausstellung
Nürnberg war Hauptstadt des Buchdrucks

Die neue Ausstellung „Auge und Ohr Deutschlands“ zeigt im „Fembohaus“ die Rolle der Stadt zur Reformationszeit.

25.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:06 Uhr
Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Margot Käßmann, hat die Ausstellung eröffnet. Neben ihr ein Luther als Playmobil-Figur. −Foto: Karmann

An Selbstbewusstsein mangelte es den Nürnbergern in der Reformationszeit nicht. Für ein bildliches Loblied auf ihre Glaubenshaltung verlegten sie das christliche Heilsgeschehen mit Gottvater, Jesus Christus und Heiligem Geist kurzerhand vor die Mauern ihrer Stadt: Links und rechts knien Fürsten und Reformatoren, im Hintergrund erheben sich die stattlichen Türme eines neuen Jerusalem: die Nürnberger Burg, St. Sebald und St. Lorenz.

Dieser Riesenholzschnitt, den ein anonymer Künstler 1559 veröffentlichte, gehört zu den prominentesten Exponaten der Ausstellung „Deutschlands Auge und Ohr“, die am Donnerstag im Nürnberger Stadtmuseum Fembohaus eröffnet wurde. Thema ist die Bedeutung der Stadt für die Reformation im 16. Jahrhundert. „Nürnberg war damals die Welthauptstadt desBuchdrucks“, sagt Kurator Thomas Schauerte: „Und ohne Buchdruck wären die Ideen derReformationnicht in die Welt hinausgetragen worden.“

Folgerichtig stehen eine nachgebaute Druckerpresse, von der aus symbolisch Druckgrafiken in alle Räume wehen, und ein Nürnberger Bibeldruck aus dem 15. Jahrhundert am Anfang der Schau, die zunächst die Entwicklung des städtischen Druck- und Grafikgewerbes bis zum Vorabend der Reformation nachzeichnet.

In Nürnberg stand 1390 die erste Papiermühle nördlich der Alpen. 1493 entstand hier Hartmann Schedels „Weltchronik“, heute eines der berühmtesten Bücher der Welt. Zu sehen sind etwa Arbeiten aus der Werkstatt Anton Kobergers, der in der Stadt eine der leistungsfähigsten Druckereien Europas betrieb, oder Holzschnitte von Dürer und Hans Baldung Grien.

Inhaltlicher Angelpunkt der Ausstellung sind Aufzeichnungen des Nürnberger Ratsherrn Christoph Scheurl vom „Nürnberger Reformationsgespräch“ im Frühjahr 1525. Damals entschloss sich Nürnberg als erstes bedeutendes Gemeinwesen im Heiligen Römischen Reich zur Einführung der Reformation. Scheuerls persönlicher Bericht, der bisher noch nie ausgestellt wurde, teilt die Schau in die Bereiche „vor der Reformation“ und „nach der Reformation“.

Die Farbe der Ausstellungsräume wechselt nun nicht zufällig von Kardinalrot zu Evangelisch-Lila. Der dritte Ausstellungsteil gibt einen Eindruck von der Vielfalt der reformatorischen Bilder- und Bücherwelt. Im Mittelpunkt stehen allerleiLuther-Porträts.

Manche Bilder thematisieren auch die Probleme, die sich die Nürnberger mit Einführung der Reformation aufluden: die Spannungen mit dem habsburgischen Kaiserhaus oder die fortwährenden Konflikte mit radikalen Reformern oder Anhängern der alten Kirche. Flügelaltäre und Heiligenbilder waren nicht mehr gefragt. Manche Künstler wie Sebald Beham verlegten sich auf Kupferstich-Kleinformate. Dass Tugenden oder Laster bevorzugt in aufreizender Nacktheit dargestellt wurden, förderte den Verkaufserfolg – manche mediale Verkaufsstrategien sind eben zeitlos.

Bei der Verbreitung von Luthers „95 Thesen“ spielte Nürnberg nur eine indirekte Rolle. 1518 erschien in der Stadt eine Art Zusammenfassung unter dem Titel „Ein Sermon von dem ablaß und gnade“: „Weniger der heute so berühmte Wittenberger Thesenanschlag, sondern diese deutsche Schrift begründete Luthers Spitzenstellung als Reformtheologe“, heißt es im Ausstellungskatalog. Der Titel der Ausstellung geht auf eine Aussage Luthers zurück, der Nürnberg 1528 in einem Brief an den Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler als „das Auge und Ohr Deutschlands“ bezeichnete.