Porträt
Die zwei Leben des Elvir Tabakovic

Er reiste um die Welt und hatte einen Job, von dem viele träumen. Ganz zufrieden war er dabei aber nie. Heute strebt Elvir Tabakovic an, Mönch zu werden.

06.06.2013 | Stand 16.09.2023, 21:02 Uhr
Yvonne Kandziora

Heute ist Elvir Tabakovic angekommen. Fotos: Tabakovic

Kite-Surfen auf den Kapverden, beruflich mit schnellen und schicken Autos durch Barcelona oder entlang der Route 66 von Los Angeles nach New York City fahren und zu Hause in einer Punkband spielen – das war das Leben von Elvir Tabakovic bis November 2012. Als Fotograf reiste er in drei Jahren 240000 Kilometer um die Welt, seine Auftraggeber waren Autohersteller, Automagazine und Sportveranstaltungen. Das alles hat er abgehakt. Seit sieben Monaten ist Elvir Tabakovic Novize in der Propstei der Augustiner-Chorherren im Kloster Paring.

Wovon viele Menschen träumen, hat sich der Novize bewusst verabschiedet. „Mein Leben war hochspannend und interessant. Ich habe alles und jede Menge Spaß gehabt, aber ich war nie ganz zufrieden. Alle meine irdischen Wünsche wurden erfüllt. Aber ich war nicht erfüllt, irgendetwas hat gefehlt“, sagt der 27-Jährige in einwandfreiem Deutsch.

Glaube ist keine Fantasie

Aufgewachsen ist er in Osijek, der viertgrößten Stadt Kroatiens. Bis zu seinem 13. Lebensjahr war er katholisch wie 86 Prozent seiner Landsleute. Dann entschied er sich, agnostisch zu sein. „Ich dachte immer, der Glaube sei Fantasterei, es gebe keine geistliche Welt und die Angst vor dem Tod mit dem gerechten Leben danach sei ausgedacht. Ich dachte immer, ich bin genug für mich selbst und war stark von mir überzeugt. Bis ich gesehen habe, wie mächtig ein Gebet sein kann“, sagt er. Als er vor einem Jahr Exerzitien miterlebte, habe er gesehen, wie Leute auf das Gebet reagieren und erkannt, dass das keine Fantasie sein könne, und dass die geistliche Welt sehr wohl Realität sei. Eine bestimmte Erfahrung Anfang des Jahres 2011 war es, die in ihm den Schalter für den Glauben freigelegt hat: ein Befreiungsgebet. Mijo Barada, ein Freund aus Kroatien und Freund des Paringer Klosters, hat für einen Besessenen gebetet. Das nennt man ein privates Befreiungsgebet – von einem Exorzismus ist erst dann die Rede, wenn das Gebet ein Bischof oder ein beauftragter Priester spricht.

„Mijo hat lange Jahre für diese Person gebetet, das geht nicht zack, und dann ist die Person befreit. Mijo hat damals mit ihm telefoniert, gebetet, auf laut gestellt, und ich konnte alles mithören. Die Person war besessen und hat die Stimmen gewechselt“, erzählt er von diesem gruseligen Ereignis. „Ich habe mir gesagt, ich will nicht ignorant sein, ich will das wissen. Wir wissen sehr viel über die naturwissenschaftliche Welt, aber deren Existenz schaltet nicht die übernatürliche Ebene aus. Sie ist immer da, auch wenn wir uns nicht mit ihr beschäftigen. Diese Erkenntnis war ein Geschenk von Gott, ich war auf einmal mit der geistlichen Welt konfrontiert und wusste, es gibt kein Zurück. Ich konnte in dieser Lüge nicht mehr leben.“

In eine Lebenskrise gestürzt

Wobei ihn diese Erkenntnis in eine Lebenskrise stürzte: „Auf einmal tauchte in der Rechnung, im Leben ohne Geist, eine neue Variable auf. Ich wusste, die geistliche Welt existiert, und es gibt eine Ordnung. Das Universum ist eine perfekte Ordnung, sie kann nicht zufällig sein.“ Und um die Gleichung wiederherzustellen, begab sich Elvir Tabakovic auf Reisen. Mit seiner roten Vespa fuhr er 20000 Kilometer durch Europa, 10000 davon von Kroatien zum Nordkap und wieder zurück. Dass diese Reise eine Suche war, wurde ihm erst im Nachhinein bewusst. „Primär wollte ich Spaß haben“, sagt er und grinst.

Nach seiner Reise wusste er, wohin sein Lebensweg ihn führt. „Ich habe Gott im Gebet gefragt, was soll ich machen, ich mache, was dein Wille ist. Während einer heiligen Messe verspürte ich im Innern die Berufung zum Priestertum. Ich war dann hundertprozentig sicher und hatte tiefen innerlichen Frieden, keine Euphorie. Ich kann es nicht erklären, allein mit Ratio kann man Vieles nicht erklären“, sagt er ernst. „Ich bin Gott dankbar, dass er mir die Augen meines Herzens geöffnet hat.“

Elvir Tabakovic vergleicht sich mit dem ungläubigen Thomas, der erst glaubte, nachdem er seinen Finger in die Wunde Jesu legte. Jetzt kennt er, wie er sagt, die Wahrheit und hat auch Zufriedenheit gefunden. „Ich habe die Evangelien gelesen und kann mir jetzt auch eine Meinung bilden. Viele Menschen, und da nehme ich mich von früher nicht aus, haben eine Meinung, ohne genug dafür zu wissen.“

In der Heimat ist seine Metamorphose in den Medien schon Thema. „Vor ein paar Tagen waren kroatische Journalisten da und haben mich interviewt, ich war sogar im Fernsehen“, sagt er strahlend und freut sich, dass sie, wie die Mittelbayerische, „aus heiterem Himmel“ bei ihm angefragt haben, ohne dass er sich darum bemühte. Seine Freunde reagieren positiv auf seinen Lebenswandel, auf Facebook bestärken sie ihn, weiterzumachen. Am glücklichsten aber wohl ist seine Mutter Danica. „Mijo hat ihr vor acht Jahren prophezeit, dass ich den Glauben finden werde. Als ich ins Kloster ging, sagte sie, jetzt kann ich sterben. Das hat Monika, die Mutter des heiligen Augustinus, auch gesagt“, lacht er. Eine weitere Parallele zum Kirchenlehrer Augustinus von Hippo: Er wuchs heidnisch auf, und ließ sich erst viel später taufen. Seine weitere Geschichte ist bekannt.

Nach einem Jahr Noviziat wird Elvir Tabakovic Theologie studieren, er rechnet damit, in sieben Jahren fertig zu sein. „Dann schauen wir mal, was Gott uns bringt“, sagt er und geht zum gemeinschaftlichen Chorgebet.