Wirtschaft
Chemie Kelheim: Insolvenzantrag gestellt

Für die 33 Mitarbeiter des Betriebs in Kelheim war die Nachricht „ein Schock“, sagt Gewerkschafts-Bezirksleiter Hautmann.

29.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:39 Uhr
In Kelheim-Affecking ist der Produktionsstandort von Chemie Kelheim. −Foto: Bachmeier-Fausten

Das Unternehmen Chemie Kelheim GmbH, Süd-Chemie-Straße 1, befindet sich in der vorläufigen Insolvenz. Die Firma im Stadtteil Affecking, in unmittelbarer Nähe des Hafengeländes, hat nach Auskunft von Markus Hautmann, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft (IG) Bergbau, Chemie, Energie des Bezirks Kelheim-Zwiesel, 33 Mitarbeiter. Die „Mutter“ ist das Frankfurter Unternehmen Solvadis, die, wie im Internetauftritt zu lesen ist, „in der Vermarktung und Distribution von Basis- und Spezialchemikalien ein international bedeutender Dienstleister ist. Von der Zentrale in Frankfurt am Main aus wird die internationale Vermarktung von Schwefel, Schwefelsäure, Methanol und Düngemittel gesteuert.“

Die Chemie Kelheim GmbH produziert am Standort in Affecking Schwefelsäure und Oleum (Bei Oleum, laut Wikipedia auch rauchende Schwefelsäure genannt, handelt es sich um eine Lösung von Schwefeltrioxid (SO3) in Schwefelsäure (H2SO4) mit veränderlichen Anteilen an Schwefeltrioxid.). Auf der Internetseite der Chemie Kelheim GmbH ist als Jahreskapazität „heute 120000 Tonnen“ angegeben.

Eine Stellungnahme zur vorläufigen Insolvenz war vom Geschäftsführer des Betriebs in der Kreisstadt Kelheim, Matthias Henkel, zu Wochenbeginn nicht zu erhalten, Geschäftsführer Eberhard Zorn war nicht zu erreichen. Auch die Betriebsratsvorsitzende Vera Drazan war nicht erreichbar.

Es ist „natürlich bitter“

Zur beantragten Eröffnung des Insolvenzverfahrens sagte Markus Hautmann, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft (IG) Bergbau, Chemie, Energie auf Anfrage unseres Medienhauses, dass so etwas „natürlich immer bitter ist“. Hautmann: „Ich glaube mit dem Insolvenzverwalter Joachim Exner haben wir einen sehr guten Insolvenzverwalter, der auch darauf schaut, dass ein Weiterbetrieb gewährleistet ist.“

Von den 33 Mitarbeitern von Chemie Kelheim sind dem Bezirksleiter zufolge über 80 Prozent organisiert. Die Beschäftigten stammten aus Kelheim und der Umgebung, der „Großteil ist 50 Jahre und älter“. Vor allem Männer gehörten zur Belegschaft. Die Nachricht über den Antrag beim Insolvenzgericht beim Amtsgericht Regensburg „war natürlich ein Schock für die Beschäftigten“, so Hautmann. Auch für die Gewerkschaft sei der Antrag überraschend gekommen. Seines Wissens ist der Insolvenzantrag am 17. November gestellt worden – „wegen drohender Zahlungsunfähigkeit“. An diesem Tag sei nachmittags die Belegschaft informiert worden. Am nächsten Tag habe eine Betriebsversammlung stattgefunden und auch in der vergangenen Woche sei eine gewesen. Die Mitarbeiter seien über das Thema Insolvenzgeld unterrichtet worden. Dieses gebe es für die Monate November, Dezember und Januar über die Agentur für Arbeit.

Wie der IG-Bezirksleiter sagte, habe der vorläufige Insolvenzverwalter „eine Bank gefunden, die das vorläufige Insolvenzgeld vorstreckt und sich dies dann wieder bei der Agentur für Arbeit holt“. In den ersten drei Monaten sei es eine vorläufige Insolvenz. Hautmann: „Die Produktion läuft momentan weiter.“

Wie Markus Hautmann sagte, arbeite die Gewerkschaft „ganz eng“ mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zusammen. Es werde versucht, einen neuen Eigentümer/Käufer zu finden, „der den Weiterbetrieb ermöglicht“. Sieht der IG-Bezirksleiter eine Zukunftschance für das langjährige Unternehmen in Kelheim-Affecking? Dazu könne er leider momentan „wirklich nichts sagen“, denn das wäre „ein Glaskugelschauen“.

Beim Nachbarunternehmen Kelheim Fibreswar auf Anfrage unseres Medienhauses von einer „momentan guten nachbarschaftlichen Beziehung“ die Rede, in der man sich bei Bedarf, sei es mit Schwefelsäure, bei der Abgasaufbereitung oder auch bei der Dampfabnahme aus der Produktion „aushilft.“

Chemie Kelheim befindet sich auf einem Teilbereich der einstigen Süd-Chemie in Affecking, die der mittleren und älteren Generation als Schwefelsäure-Hersteller noch gut bekannt ist. Es folgte dann PVS Chemie Kelheim. Von der Süd-Chemie hatte PVS 1998 die Industrieanlagen in Kelheim übernommen. Bei dem Werk werden seit 1938 Schwefelsäure und Oleum produziert. Lange Jahre hatte der Betrieb auch die Abgase des Nachbarwerkes zu Schwefelsäure verarbeitet. Der Geländenachbar Kelheim Fibres baute sich selbst eine Schwefelsäure-Anlage. Nachdem der große Schwefelsäure-Abnehmer in der Nachbarschaft weggefallen war, musste sich PVS nach neuen Kunden umsehen. Auch hatte es Bemühungen für eine neue Produktion bei PVS in Kelheim gegeben. Und es gab Zeiten, da war die Zukunft des Betriebes ungewiss. 2006 hatte unser Medienhaus getitelt: „Welcher Partner rettet das PVS-Werk?“

PVS trennte sich 2008 von Betrieb

Wie unsere Zeitung im September 2008 dann berichtete, hatte sich nach fast einem Jahrzehnt das US-Unternehmen PVS vom Tochterbetrieb PVS Chemicals Germany in Kelheim getrennt. Einer damaligen Pressemitteilung zufolge haben die Solvadis Holding S. à. r. l., Luxemburg, und TIB Chemicals AG, Mannheim, am 31. Juli gemeinschaftlich die PVS Chemicals Germany GmbH übernommen. Geschäftsführer Matthias Henkel sagte damals auf Anfrage unserer Zeitung: „Ich sehe den Verkauf sehr positiv, weil wir von den Marktstärken von Solvadis und auch vom technischen Know-how der TIB Chemicals AG profitieren können.“ Matthias Henkel ist auch einer der beiden Geschäftsführer der Chemie Kelheim GmbH.

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