Notaufnahme
Die Anlaufstelle für (fast) alle Fälle

Ob Schnittwunde oder Herzinfarkt: Erstbehandelt wird jeder in der Notaufnahme der Goldberg-Klinik Kelheim.

20.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Patienten-Übergabe: Rettungssanitäter Modes (2. v. re.) und Rettungsdiensthelfer Pompetzki (li.) mit Unfallchirurg Dr. Wolfsteiner, Assistenzärztin Zinsser-Krys (2. v. li.) und Krankenschwester Eibl. −Foto: hu

Der Klassiker in jeder Krankenhaus-Serie: Sanitäter rollen hastig die Trage mit dem Schwerstverletzten in die Notaufnahme; Ärzte und Krankenpfleger stürzen ihnen entgegen. Kann passieren – aber zum Alltag in der Notaufnahme der Goldberg-Klinik Kelheim (GBK) gehört oft auch das: ein proppenvolles Wartezimmer mit Menschen mit mehr oder weniger schmerzverzerrtem Gesicht. Und Mitarbeiter, die zwischen Eile und Sorgfalt gratwandern. Im Rahmen unserer Serie zu „10 Jahre Goldberg-Klinik Kelheim GmbH“ werfen wir einen Blick hinter die Notaufnahme-Türen.

Stefan Schinn, Notfallsanitäter beim BRK, ist froh, wenn er den Goldberg ansteuern kann und seinen Patienten nicht etliche, vielleicht lebensbedrohliche Kilometer weiterfahren muss. Die GBK ist als „lokales Traumazentrum“ qualifiziert und ausgestattet, also für die Erstversorgung von Schwerverletzten. Ist aber absehbar ein Spezialist vonnöten, den es in Kelheim nicht gibt – etwa ein Neurochirurg –, dann lotst die Integrierte Leitstelle (ILS) den Rettungswagen gleich in ein regionales oder überregionales Traumazentrum, schildert Dr. Jochen Wolfsteiner, Orthopäde und Unfallchirurg der GBK.

Außer, man müsste den Patienten vor einer längeren Fahrt stabilisieren – dann wieder sei ein nahe gelegenes Krankenhaus unersetzlich, betont Sanitäter Schinn.

Schwerstkranke haben Vorfahrt

Welcher Patient wann per Rettungsdienst in der Notaufnahme eintrifft, teilt die ILS vorab mit. Ist z.B. „Schlaganfall“ oder „akute Luftnot“ angesagt, muss bei Ankunft einer der „Schockräume“ – komplett ausgestattete Erstbehandlungsräume – frei sein, und es muss alles nötige Personal und Gerät bereitstehen, schildert der Leiter der Notaufnahme, Dr. Michael Reng: Denn Minuten können jetzt entscheiden über Leben und Tod, zwischen Genesung und Pflegefall.

Sind beide Schockräume belegt, lotst die ILS weitere Schwerstkranke an Kelheim vorbei. Für angeknackste Knöchel oder Hobbybastlers Schnittwunde heißt es im Warteraum jetzt indes: warten. Wie lange, das entscheidet eine Prioritätenliste, „Triage“ genannt. Kategorie „Rot“ bedeutet: schwerst- bis lebensbedrohlich krank – muss sofort behandelt werden; „gelb“ steht für so „dringlich“, dass binnen zehn Minuten die Diagnostik starten muss. Und „grün“ umfasst alle nicht so dringlichen Fälle, erklärt Assistenzärztin Jillena Zinsser-Krys. Wie man die Warterei den Betroffenen vermittelt? Krankenschwester Daniela Eibl setzt gegen das Mosern aufs Reden: „Gut erklären ist das A und O: zum Beispiel, wenn eben ein Notfall reingekommen ist“. Dass man ja auch selbst bei Lebensgefahr Vorrang haben wollte, sehen die meisten ein.

Unverständlich finden Notfallpatienten oft, dass sie teils mehrstündige Untersuchungen durchlaufen, ehe es „aufs Zimmer“ geht. Das aber, so Chefarzt Reng, ist Standard: „Die Notaufnahme wurde zur interdisziplinären Sofort-Diagnostik und -therapie. Im Prinzip wird hier schon der Behandlungsplan der nächsten Tage erstellt“, falls jemand stationär bleibt. Schnellere Diagnose gleich schnellere Behandlung gleich höhere Genesungschance, heißt die Gleichung.

Sie passt indes auf immer mehr Patienten in der Notaufnahme gar nicht: auf diejenigen, die ein Fall für Hausarzt und Apotheke sind – kein Fall für ein hochausgerüstetes Krankenhaus. Wie überall steigt in Kelheim die Zahl derer, die die Notaufnahme als (vermeintlich) schnellere oder umfänglichere Alternative zur Arztpraxis aufsuchen. Und viele kommen, weil sie den hausärztlichen Bereitschaftsdienst nicht kennen. Letzteres entspanne sich,wenn direkt in der Klinik eine eine hausärztlichen Bereitschaftspraxis eingerichtet wird, hofft Dr. Reng. Denn gute Hausärzte seien die besten Lotsen für Patienten.

Im Zweifel also nicht auf eigene Faust in die Notaufnahme fahren? Da widerspricht das Kelheimer Team: „Es ist und bleibt unser Auftrag, an 365 Tagen rund um die Uhr da zu sein für die, die glauben, ein Fall für die Notaufnahme zu sein“ – auch wenn sich das medizinisch nicht bestätigt. Sie alle haben ja auch schon Gegenteiliges erlebt: dass jemand zum Beispiel nur ein Grippe-Medikament haben wollte – aber so schwer krank war, dass er stationär da blieb. Eiserner Grundsatz daher: „Jeder, der in die Notaufnahme kommt, wird angeschaut“.

„Jeder, der zu uns in die Notaufnahme kommt, wird auch angeschaut“.Assistenzärztin Jillena Zinsser-Krys

All das bringt diese Einrichtung am Goldberg an Grenzen, räumlich wie personell. So sei die Arbeitsbelastung nachts mittlerweile fast so hoch wie tagsüber – da werde man rund um die Uhr auf Vollbesetzung umstellen müssen, schätzt Notaufnahme-Leiter Reng. Was für Pflegedirektorin Andrea Scheibenpflug eine anspruchsvolle Personalsuche bedeutet: „Krankenpfleger und -schwestern hier müssen chirurgisch wie internistisch arbeiten können, teamfähig sein – und sie müssen die action lieben.“

Räumlich besser wird es mit dem geplanten neuen „B-Bau“. Aber Reng hofft schon vorher auf Erweiterungsmöglichkeiten. Obwohl die Klinik mit einem bitteren Gegensatz lebe: „Eine rund um die Uhr erreichbare Notaufnahme ist verdienstvoll für die Daseinsvorsorge, aber erlös-arm fürs Haus“: Hohe Vorhaltungskosten, aber magere Bezahlung durch die Kassen. Die Notaufnahme trage daher satt zum aktuellen Defizit der GBK bei, bei allem Bemühen um wirtschaftliches Arbeiten. Aber dass deswegen am Patienten, an der Behandlung gespart würde, verneint Dr. Michael Reng kategorisch: „Abstriche an der Qualität machen wir nicht – Punkt.“

Einen weiteren Bericht aus unserer Serie über die Goldberg-Klinik Kelheim lesen Sie hier!